Flashback 50 – Black Sabbath – Sabbath Bloody Sabbath – Dezember 2023


Muss man Black Sabbath noch vorstellen? Die einstigen Schulfreunde, die sich 1968 zu Polka Tulk zusammenschlossen, später Earth mit zwei Bandmitgliedern weniger, sind schon längstens Kult – und ein Meilenstein in der Geschichte des Heavy Metal. Kann man sich aber vorstellen, dass diese Formation ursprünglich dem Blues und Jazz verschrieben war und bereits damals als Vorband von namhaften Bands wie Ten Years After auftraten und sogar Dänemark und Deutschland bereisten? Kann man. Vor allem, wenn man weiter in die Geschichte der einzelnen Gruppenmitglieder eintaucht und so zum Beispiel Tony Iommi folgt, der kurzzeitig zu Jethro Tull gehörte und dort einen ganz anderen musikalischen Einfluss erlebte. Aber auch das Kino prägte die Band. Da es bereits eine gleichnamige Band gab, musste erneut ein Bandname gesucht werden. Schließlich orientierte man sich am Horrorfilm Die drei Gesichter der Furcht (engl. Black Sabbath) und änderte den musikalischen Stil. Das hat auch einen cineastischen Bezug, denn die Band probte in der Nähe eines Kinos und stellte bald fest, dass gerade Horrorfilme die Besucher anzogen. Also warum sollte man diese spannungsgeladene Atmosphäre nicht auch in die Musik packen und den Zuhörern das Gruseln lehren können? Gedacht, getan, in nur zwölf Stunden wurde das erste Album aufgenommen, das noch deutlich hörbare Blueseinflüsse hat, ansonsten aber gerade durch düstere Stimmung und aggressive Beats besticht. Die zweite Scheibe Paranoid verfestigte den Stil und ist unter Plattensammlern durchaus gesucht. 1973 erschien dann nach Master of Reality und Vol. 4 als fünfter Longplayer Sabbath Bloody Sabbath. Die Formation sah sich hierbei kurzzeitig einem Problem gegenüber, waren die beiden Vorgängeralben hauptsächlich mit ehemaligen Livesongs gefüllt, die man also vor Publikum getestet hatte, wurde das neue Album frisch komponiert, getextet und gefertigt. Aber der Erfolg gab ihnen recht. Die Top-10 wurden erreicht, die Bluesrockelemente verschwanden immer mehr, dafür kamen Klassikanleihen und Popelemente hinzu. Den Albumtitel lieferte das britische Musikmagazin Melody Maker. Drew Struzan, hauptsächlich bekannt durch seine Filmplakate, steuerte das Cover bei. Eine Anlehnung an das satanische Image der Band. Kritik gab es bereits, da hatte man den ersten Song noch nicht gehört, waren die beiden „S“ im Titel als Siegrunen dargestellt und brachten eine Ähnlichkeit zur SS auf’s Tableau. Dem Erfolg des Albums brachte das keinen Abbruch.

Der Titelsong gibt den Einstieg. Ein hartes, sehr eingängiges Gitarrenriff zieht sich etwa 45 Sekunden durch, bevor es ruhig wird, der Gesang in den Vordergrund rückt und es zu kleinen Stellen kommt, die wie ein Stolpern wirken. Beim ersten Mal Hören stoppt man, es mag nicht recht passen, als hätte man sich verspielt. Wer mit einer dreckigen Rockhymne gerechnet hat, wird bitter enttäuscht. Zwar hat man immer wieder kräftige Gitarren, aber alles wirkt noch sehr gediegen. „A National Acrobat“ ähnelt, man hat sofort – bevor der unverkennbare Gesang einsetzt – einen Wiedererkennungseffekt durch die Gitarren. Und irgendwann klingen beide Songs ziemlich ähnlich sogar. Etwa zur Mitte des Liedes fühlt man sich in den Proberaum versetzt, Gitarre und Bass reden flirrend miteinander, dazwischen kräht der Synthesizer, der erstmals mit diesem Studioalbum bei Sabbath Verwendung findet. Wieder ein Stilbruch, wieder ein anderes Riff, eine andere Melodie, die für sich genommen schon eine eigene Nummer wäre.

„Fluff“ bricht komplett aus. Kein Gesang, eine langsame, traurige Nummer. Hierbei handelt es sich um eine Hommage an Radiomoderator Alan Freeman, genannt Fluffy, der die Band immer stark unterstützt hat. Von dieser Melancholie möchte man sich irgendwann auch wieder befreien. Zu sehr könnte dieser Track auf frühen Clapton-Alben sein oder auf ähnlichen Scheiben. Aber Sabbath? Das mag so gar nicht passen.

„Sabbra Cadabra“ klingt wie ein Zauberspruch aus Harry Potter. Das ist eine Nummer, die man sofort mit Black Sabbath verbindet. Treibendes Midtempo, schwere Gitarre, unverkennbare Stimme. Das Tanzende, Hüpfende der Melodie springt sofort über und auch schön – es zieht sich durch. Weniger Schnickschnack als bei Song 1 und 2, auch wenn es hier wieder Stilelemente gibt, die das Gewohnte durchbrechen, es ist nicht ganz so weitführend. Einer, der am meisten missinterpretierten Songs ist „Killing Yourself to Live“. Es handelt sich keinesfalls um eine suizidverherrlichende Hymne, die man sich reinzieht, bevor man springt. Mit einem leichten Grunge-Touch, schwer, andauernd, wird man in diese passiv-aggressive, genervte Stimmung geworfen, die man bei der täglichen Tretmühle empfinden kann. Immer das gleiche, immer diese Anspannung, der Stress, ein Hinterjagen von Termin und Geld, um leben zu können. So war das nicht geplant, meint Sabbath und untermauert diese Annahme mit dem gleichbleibenden, treibenden, schweren Gitarrengeschrabbel. „Who Are You?“ – Synthie-Klänge wabern geheimnisvoll aus den Boxen. Sie haben etwas Sphärisches, leicht LSD-Rauschiges, das einlullt und fast wie ein Pendant zum vorherigen Lied erscheint. Von dem Stress, der Tretmühle, dem verhassten Alltag braucht man Abstand, muss entfliehen und betäubt sich mit Drogen oder Alkohol – und fragt man sich dann nicht auch genau das: Wer bist Du? „Looking for Today“ ist dagegen schon fast als fröhlich zu bezeichnen. Außerdem hat man den gegen Ende ständig wiederholten Songtitel im Ohr und singt ihn auch lange danach noch leise vor sich hin. „Spiral Architect“ ist dann auch schon das Ende der Scheibe mit gerade mal acht Songs. Hier wird nochmal Fahrt aufgenommen, bis sich das Tempo eingespielt hat und vor sich hin trabt.

Was bleibt? „Sabbath Bloody Sabbath“ wurde mehrfach gecovert, unter anderem von Anthrax und Amon Amarth. Das komplette Album schaffte es auf Platz 4 der britischen Charts. Und der Grunge feiert es als großen Einflussgeber. Platz 94 erreichte die Scheibe 2014 beim Rolling Stone auf der Liste der 100 besten Metal- und Hardrock-Alben aller Zeiten. Das ist starke Geschmackssache. Wer Hardrock sucht, wird hier nur bedingt fündig, wer einen weiteren Streckenabschnitt auf der Erfolgsstraße von Black Sabbath sucht, erkennt hier im Vergleich eine Weiterentwicklung und Veränderung des Sounds. In meine Plattensammlung würde es der Musik wegen nicht einziehen, es ist nett, hörbar, aber nichts, was mehrfach auf dem Plattenteller landen würde, um ganz ehrlich zu sein, einmal reicht vollkommen – und was der Grunge an diesem Album findet, erschließt sich mir nicht. Trotzdem gibt der Erfolg Black Sabbath Recht, sie haben damit alles richtig gemacht.

Tracklist:
A1 – Sabbath Bloody Sabbath
A2 – A National Acrobat
A3 – Fluff
A4 – Sabbra Cadabra
B1 – Killing Yourself to Live
B2 – Who Are You?
B3 – Looking for Today
B4 – Spiral Architect

Ozzy Osbourne – Vocals
Tony Iommi – Guitar, Organ, Flute, Harpsicord, Piano
Geezer Butler – Bass
Bill Ward – Drums, Percussion
Rick Wakeman – Keyboards
The Phantom Fiddlers – Strings

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