Flashback 50 – Rush – Same – März 1974


Wir schreiben das Jahr 1968, als sich in Willowdale, einem Vorort der kanadischen Stadt Toronto drei Freunde zu einer Band namens The Projection zusammen fanden, die sich aber schon bald in Rush umbenannten. Alex Lifeson an der Gitarre, John Rutsey an den Drums und Jeff Jones an Bass und Gesang. Aufgrund mehrerer Besetzungswechsel und Umbenennungen innerhalb eines Jahres zeigte sich, in welchem Findungsprozess sich die junge Band grad befand. Im September 1969 fand sich dann die Besetzung zusammen, die mehrere Jahre Bestand haben sollte. Lifeson an der Gitarre, Rutsey am Schlagzeug und Lifesons Klassenkamerad Geddy Lee am Bass. Die nächsten Jahre waren die Knochenmühle, die jede junge Band durchmachen muss. Auftritt über Auftritt und erste Versuche, eigene Songs zu schreiben und diese auch live zu performen. 1971 kam kurzzeitig ein weiterer Gitarrist, Mitch Bossi zur Band hinzu, aber die Besetzung als Quartett hielt nicht lange vor. In der lokalen Szene hatte man sich mittlerweile einen passablen Namen gemacht. Die Flower Power Zeit war eigentlich vorbei und der aktuell angesagte Hardrock war das Ding der Stunde. Kanadische Bands wie Bachman Turner Overdrive, The Guess Who oder Chilliwack, Grand Funk Railroad aus den Staaten oder auch Led Zeppelin aus England waren die Vorbilder. Gradliniger Rock beherrschte einen großen Teil der kanadischen Musikszene.

Im Jahr 1973 fand die Band, dass es Zeit für eine eigene Platte war, aber als kanadische Hardrock Band war es fast unmöglich, einen Plattenvertrag bei einem größeren Label zu bekommen. Also gründete ihr Management SRO mit Moon Records ihr eigenes Label. Ende August 73 war es dann soweit und die erste Single erblickte das Licht der Welt. Die A-Seite war das Buddy Holly Cover „Not fade away“, die Rückseite „You can’t fight it“ stammte aus der Feder von Geddy Lee und John Rutsey. Mehr eigene Songs wurden geschrieben und am 1. März 1974 kam ihr selbstbetiteltes Album Rush mit der Katalognummer MN-100 auf den Markt. Ihr Longplayer war weit mehr als ein Achtungserfolg. Eine Radioredakteurin namens Donna Halper von der Station WMMS in Cleveland/Ohio spielte das Album regelmäßig in ihren Sendungen und sorgte für einen beachtlichen Bekanntheitsgrad in Nordamerika. Mehr und mehr Fans waren vom aktuellen Sound des Dreiers sehr angetan. Mittlerweile rückte das Album auch ins Blickfeld der etablierten Labels und schon ein paar Monate später, im Juli 74 wurde das Album auf dem Majorlabel Mercury Records wiederveröffentlicht. Rutsey hatte aber mittlerweile andere musikalische Vorstellungen als Lee und Lifeson und verließ die Band. Er wurde an Lees 21. Geburtstag von Neil Peart ersetzt, und mit dieser Umbesetzung sollte es dann auch endgültig sein. Dieses Trio hatte unverändert Bestand bis zum Ende der Band 2018.

Mit „Finding my Way“ gibt’s gleich mal ein Brett vors Hirn. Fette Riffarbeit leitet den Dampfhammer ein. Gitarren wie bei Rory Gallagher, die Vocals a la Robert Plant. Das Ganze erdig und treibend. „Need some Love“ bleibt im gleichen Fahrwasser. Vorwärts heißt die Devise und die Zeppelins waren unzweifelhaft eine Art Blaupause für den Song. Was Rush aber von den Engländern unterscheidet, ist das Urwüchsige. Wo Plant teilweise filigran vor sich hinfieselt, denkt sich Alex Lifeson nur „Scheiß drauf“ … und gibt einfach Gas. „Take a Friend“ beginnt mit einem halb-minütigen Fade-In, welches sich wie eine näher kommende Dampflokomotive anhört. Die Gitarre feuert ein Riff ab und los geht die Party im schönen Midtempo. Man wippt unweigerlich mit dem Kopf mit. Geddy Lee spielt mit seinem Bass hier wie sonst ein Rhythmusgitarrist, während Lifeson seine Lead-Kapriolen oben drauf setzt. Gleich darauf wird’s bluesig. „Here again“ groovt ruhig vor sich hin. Die hohe Stimme von Lee ist für einen Blues etwas ungewöhnlich, eigentlich denkt man beim Blues eher an einen zahnlosen Schwarzen in den tiefsten Südstaaten-Sümpfen. Hier setzt Geddy Lee seine Stimme fast ähnlich einer Leadgitarre ein. Die Melodiearbeit wird zum großen Teil vom Bass erledigt auf dem die Gitarre satte Powerchords drauf packt, von einem instrumentalen Soloteil garniert, der sich mit der Zeit mächtig nach oben schraubt. Das wars auch schon mit der ersten Seite. Beim Einstieg zur Seite B hört man sofort wieder das Vorbild Led Zeppelin. „What you’re doing“ klingt runtergerissen wie Zeppelins „Heartbreaker“. Rutseys Drumarbeit klingt hier teilweise wie eine Salve aus einem Maschinengewehr. Der Track ist bestens geeignet für ein Powertrio. Das folgende „In the Mood“ atmet viel amerikanischen Spirit, ganz im Sinne des aktuell angesagten musikalischen Zeitgeists auf dem nordamerikanischen Kontinent. Im bewährtem Midtempo schiebt der Track gut vorwärts. Für meinen Geschmack eine etwas gefällige Nummer, die als Füllmaterial gut geeignet ist, aber nicht heraussticht. Ruhiger und wieder bluesiger wird’s mit „Before and after“. Verspielt beginnt der Song, ehe bei knapp nach einer Minute die Gitarre fetter wird. So geht der Song eine weitere Minute dahin, bis bei gut zwei Minuten fast ein kompletter Break kommt. Nach einigen Gitarrenkapriolen ändert sich der Song zu einem treibenden Rockhammer. Zwei Minuten instrumentale Einleitung muss man sich erst mal gönnen. Der treibende Teil mit Gesang geht dann bis zum Ende so weiter, ehe der Song nach gut fünfeinhalb Minuten jäh seinen Schluss findet. Etwas ruhiger beginnt der letzte Song des Albums, der mit über sieben Minuten gleichzeitig auch der längste Track des Albums ist. Tiefere Tonlagen der Gitarre bestimmen das etwas langsamere „Working Man“, auf dem die hohe Stimme Lees einen akustischen Gegenpol bildet. Bei gut zwei Minuten kommt ein Break und ein knackiger kurzer Basslauf leitet einen instrumentalen Mittelteil von circa drei Minuten Länge ein, in dem sich Bass und Gitarre gegenseitig hochschaukeln und den Song vorantreiben. Die letzten beiden Minuten sind wieder in der Art der Songeinleitung gehalten. Das Ende klingt fast wie ein live gespielter Song, bei dem die Band das Ende immer hinauszögert, und mit einem satten Powerchord endet das Album.

Das erste Album war nur der Startschuss auf der Erfolgsspur der Kanadier. Produziert wurde es von der Band selbst, abgemischt wurde es von Terry Brown, einem 69 aus dem Vereinigtem Königreich eingewanderten Briten. Seine ersten Sporen verdiente sich Brown in den 60er Jahren, als er in vier der besten unabhängigen Londoner Tonstudios einige Platten mit bekannten Künstlern einspielte und produzierte. 1969 gründete er zusammen mit seinem Partner Doug Riley die Toronto Sound Studios, in denen das Rush Debütalbum dann auch eingespielt wurde. Die Zusammenarbeit mit Brown dauerte bis ins Jahr 1982 und dem Signals Album. Mit der Zeit veränderte sich der Sound zum Progressiv-Rock, Keyboard-Elemente kamen hinzu und Rush wurden zur Speerspitze des kanadischen Rock. Ihr Erstling ist bis heute das bestverkaufte Debütalbum einer kanadischen Band und stellt einen Monolithen im kanadischen Musik-Kosmos dar. Fans, die eines der angeblich nur 3500 mal gepressten Exemplare der kanadischen Erstauflage auf Moon Records haben, dürfen sich glücklich schätzen. Im absoluten Top Zustand bringt ein solches über 2.000 Euro auf dem Sammlermarkt.

Rush – Same
A1 – Finding my Way
A2 – Need some Love
A3 – Take a Friend
A4 – Here again
B1 – What you’re doing
B2 – In the Mood
B3 – Before and after
B4 – Working Man

Geddy Lee – Bass, Vocals, Keyboards
Alex Lifeson – Guitar
Neal Peart – Drums

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