Flashback 50 – UFO – Phenomenon – Mai 1974


Hocus Pocus ist ja auch ein guter Bandname, konnte sich jedoch nach der Gründung 1969 nicht lange halten. Die vierköpfige Band aus London entschied nur kurze Zeit später, sich nach einem Club zu benennen und nennt sich seitdem UFO. Was mit Sänger Phil Mogg, dem Gitarristen Mick Bolton, Bassist Pete Way und Schlagzeuger Andy Parker begann, änderte sich 1973 fast schlagartig. 1970 hatte man noch das Debüt veröffentlicht, ein bisschen im Stil von Deep Purple. Der Nachfolger hatte dann eher psychedelische Seiten, die vor allem in Japan großen Zuspruch fanden, weshalb die Band dort für eine Tour 1971 auch landete – dem gleichnamigen Livealbum zu entnehmen. Aber mit dem noch sehr geringen Erfolg erhielten auch die Probleme Einzug in die Gruppe. Bolton fand die Band ein bisschen zu eingeschränkt in ihrem Sound und sagte kurzerhand ade. Es folgten Larry Wallis und Bernie Marsden. Für den wurde die Deutschlandtour der Band zum Verhängnis. Als Vorband von den Scorpions wurden UFO auf einen 17-jährigen Gitarristen aufmerksam, der durch sein Können bestach, ohne ein Wort Englisch schließlich Deutschland verließ und sich UFO anschloss. Dieses Wunderkind brachte UFO den Erfolg, stammten doch die meisten Songs danach aus seiner Feder. Die Rede ist natürlich von Michael Schenker. Und der Unterschied ist bereits 1974 weltweit hörbar, als UFO ihre neue Scheibe Phenomenon auf den Markt schossen. Schenker bringt die Band eher in Richtung Hard Rock, aus heutiger Sicht immer noch soft, aber er beschert die All-Time-Klassiker „Doctor Doctor“ und „Rock Bottom“.

„Oh My“ mit kräftiger Gitarre und einem eher noch zurückhaltenden Gesang macht den Einstieg. Das ist schon keine Langeweile, die hier aufkommt, aber auch kein krasser Unterschied. Es scheint, als wolle man die alten Fans langsam, aber nachdrücklich an den neuen Stil heranführen und gleichzeitig dem Rest der Hörerschaft sagen: Wir sind jetzt da. „Crystal Light“ hat einen schönen Einstieg, man merkt schon deutlich, dass die Gitarre stark in den Vordergrund rückt. Ein bisschen einlullend treibt ein langsames Tempo voran. Klingt ein bisschen nach alterndem Ackergaul, der bei Sonnenuntergang heim in den Stall schleicht und sich beim Refrain auf einen vollen Futtertrog freut. Die dritte Nummer wird zum langanhaltenden Erfolg der Band und ploppt in jedem Gehirn auf, wenn man UFO sagt: „Doctor, Doctor“. Theatralisches Intro, dann geht es aber doch los. Das eingängige „Doctor, doctor, please“ wiederholt sich stetig. Man mag gar nicht denken, dass es zwischen sich immer wiederholenden Parts noch eine kleine Geschichte gibt, die erzählt wird. Iron Maiden haben die Nummer als Tribute to UFO gecovert, man kann sich streiten, welche Version man besser findet, Maiden ist halt Maiden und das hört man, nicht schlecht, aber das Original ist halt was anderes. UFO hat es hiermit sogar in die Charts geschafft. „Space Child“ spaced sich wirklich durch die Lautsprecher und ins Ohr. Fast schon fühlt man sich gestört, wenn Mogg in die Gitarrenvirtuosität von Schenker reinsingt. Aber dieser UFO-Weltraumkind-Unendlichkeits-Gedanke kommt voll rüber. Schöne, ruhige, romantische Nummer, Jungs, merkt euch die für euer nächstes Date, das mal außerhalb von Swipe-dich-unglücklich-Onlinedating stattfindet. Und weil es so schön ruhig war, gleich mal wieder Power: „Rock Bottom“. Man kommt durch dieses eher schnellere Tempo eigentlich weniger drauf, dass es um den Tod geht, und zwar nicht um so eine lustige Der-böse-Reaper-kommt-Nummer, sondern um das sehr ernsthafte Die-Jahre-rasen-vorbei-was-passiert-dann-mit-Deiner-Seele? Allerdings bringt das Solo am Ende dann diese Schnellstraße der Alterung voll auf den Punkt. Da passt es auch, dass der folgende Song „Too Young To Know“ heißt, thematisch geht es da aber wiederum um andere Dinge, man will ja nicht ganz in zarte Hard Rock Depression verfallen. „Time On My Hands“ ist auch so eine Nummer, die nicht stört, wo man sich gerne die Gitarre anhört, ein bisschen mitwippt und sich in Gedanken an irgendwas verliert. Nicht, dass es langweilig wäre, ganz im Gegenteil, aber es ist einfach nicht aufdringlich. Willie Dixon, ein Bluser ist für den nächsten Song verantwortlich. Dass man sich ausgerechnet Blues aussucht, mag vielleicht im ersten Moment nicht passen, aber UFO bringen „Built For Comfort“ auf eine gute Linie. Der Gesang könnte noch etwas tiefer, dreckiger sein, aber dafür ist es bei Mogg einfach noch zu früh. Es ist aber halt auch einfach nicht UFO, da kann die Interpretation noch so gut sein. „Lipstick Traces“ fügt sich dann wieder in das Gebilde ein. Eine reine Instrumentalnummer, die sich liebevoll in den Gehörgang schmiegt, wie endlose Weizenfelder im Wind. Übrigens finde ich die zweite Gitarre darin schrecklich nervig und überflüssig, aber man braucht ein bisschen Hintergrund, wie die Heuschreckenplage des Exodus. Letzter Song: „Queen Of The Deep“. Und es ist eine typische letzte Nummer, langgezogen, hier ein Solo, da eine lange instrumentale Phase, ein langsamer, katzenjammernder Gesang.

Man merkt, dass hier ein Gitarrist am Werk gewesen ist und sich um das Songwriting gekümmert hat. Gitarrenlastig traben UFO vor sich hin, suchen sich sichtlich und wissen scheinbar noch gar nicht, ob der neue Weg auch der richtige ist. Hard Rock? Naja, da kennt man anderes, auch von UFO, aber wir schreiben eben erst das Jahr 1974 und nicht die harten 80er. Wer Gitarrensound mag, wird Phenomenon lieben. Allerdings muss ich sagen, es ist irgendwie ein tragisches Frauenalbum, Mädels, die schmachtend vor dem Plattenspieler sitzen, sich ihren Träumen und Sehnsüchten hingeben – es lebe das Klischee.

UFO – Phenomenon
A1 – Oh My
A2 – Crystal Light
A3 – Doctor Doctor
A4 – Space Child
A5 – Rock Bottom
B1 – Too Young To Know
B2 – Time On My Hands
B3 – Built For Comfort
B4 – Lipstick Traces
B5 – Queen Of The Deep

Phil Mogg – Vocals
Michael Schenker – Guitar
Pete Way – Bass
Andy Parker – Drums

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