Portrait: Joni Mitchell – From Song to a Seagull to Hejira – A Decade


Roberta Joan Anderson, genannt „Joni„, wurde im November 1943 in Alberta, Kanada geboren. Schon als Kind lernte sie Klavier, später auch Gitarre spielen, und malte farbenfrohe Bilder voll zarter Poesie. Ihr Vater war Air Force Soldat, ihre Mutter Lehrerin. Von ihr wurde Joni ‘mit Shakespeare’ großgezogen, wie andere Leute mit der Bibel. Nach der High School besuchte sie die Grafikkurse des Alberta College of Art in Calgary, nebenher verbesserte sie ihr Gitarrenspiel und schrieb ihre ersten Songs. Nachdem sie die ersten Auftritte in Studentenkneipen und Folk-Cafés hinter sich hatte, lernte sie 1965 in Toronto den Detroiter Folk Sänger Chuck Mitchell kennen und heiratete ihn wenig später. Die Ehe hielt zwei Jahre. Joni Mitchell ging nach Florida und sang in den örtlichen Cafés. Dort sah sie David Crosby, der gerade bei den Byrds rausgeflogen war.
Crosby über das Zusammentreffen: “Das war Ende 1967, nachdem McGuinn mich gefeuert hatte, kaufte ich mir ein Segelboot und fuhr damit nach Florida und lebte schön gesund in der Sonne. Ein paar Monate blieb ich da unten und fühlte mich richtig prima. Ich latschte in ein Café und da war dieses Mädchen das sang: “I had a king in a tenement castle.” Ich sagte: „What?“ Dann sang sie noch zwei Songs, und nachdem ich es endlich geschafft hatte, aus der hinteren Ecke des Raums nach vorne zur Bühne zu kommen, stellte ich fest, dass ich mich soeben verliebt hatte. Nun, wir gingen zurück nach L.A. und versuchten zusammenzuleben aber das haute nicht hin. Es lief etwa sechs oder acht Monate. Ein fester Freund ist nichts für sie … aber es hat mich irgendwie weitergebracht. Ich produzierte ihr erstes Album. Ich hatte etwas, worauf ich meine Energie richten konnte.” Und diese Energie trug Früchte. Crosby brachte Joni Mitchell bei Warner Brothers unter.

Die LP, die er mit ihr produzierte, hieß Song To A Seagull und dieses Werk machte der Musikszene schlagartig klar, welch ein immenses Talent da herangewachsen war. Ihre Texte sind poetisch auf eine seltene, reine, tief anrührende Weise; sie sind Kunstwerke von großer Dichte und Aussagekraft, und sie sind zugleich sehr

persönlich und von universeller Anwendbarkeit. Diese LP zeigt bereits das Generalthema, dass sich durch alle späteren Alben wie ein roter Faden hindurchzieht: Die Zweierbeziehungen und ihre ups and downs, die Krankheit an der sie leidet und deretwegen täglich in unzähligen Beziehungen immer wieder die gleichen Komödien und Tragödien aufgeführt werden, weil sie eine Krankheit unseres Gesellschaftssystems ist.

She will love them when she sees them
They will lose her if they follow
And she only means to please them”
(Cactus Tree)

Dieser Song ist, wie die meisten anderen von Song to a Seagull auch, deutlich selbst- bezogen. Man spürt, hier hat jemand den Mut, seine Gefühle ehrlich und offen darzulegen und mittels kreativen Umformens Probleme zu bewältigen. Gleichzeitig beweist Mitchell einen tiefen Einblick oder Durchblick in die Problematik, die sich überall dort ergibt, wo Menschen versuchen, eine Beziehung zu führen, ohne dass sie gelernt haben, frei und unbefangen miteinander umzugehen. Die unvermeidbare Kollision des Wunsches nach Zusammengehörigkeit mit dem Drang nach Freiheit, des Besitzstrebens mit dem Unabhängigkeitsverlangen. Musikalisch weist schon diese Debüt LP in eine bestimmte Richtung. Hier gibt es keine stilistischen Unsicherheiten, kein unerfahrenes Herumprobieren mit musikalischen und technischen Möglichkeiten. Die Songs sind sauber komponiert und ziemlich folky. Im Vordergrund steht durchweg die akustische Gitarre, deren Spielweise Joni, mit der Technik des Open-Tunings, des Stimmens der Gitarre auf einen Akkord, vervollkommnet hat. Durch diese Technik ist sie in der Lage, ohne viel Aufwand beim Greifen, Halbakkorde und Zwischengriffe von schöner Dissonanz und verhaltener Trauer zu spielen. Diese Neigung zu leisen Molltönen findet ihre Entsprechung in den Gesangsmelodien. Jonis Vier-Oktaven-Stimme, die, ohne im Mindesten affektiert oder gekünstelt zu wirken, eine sehr ansprechende Wärme ausstrahlt, überwindet mühelos jähe Septimen-Sprünge und Stakkato-Silben („The Pirate of Penance“), trifft mit traumwandlerischer Sicherheit Noten, die schon fast an der oberen Grenze des Hörbereichs liegen, („Song To A Seagull“) und ist auch, sehr überraschend im Vergleich zu eher etwas elegischen Grundstimmung des Albums, in der Lage, ganz locker und leicht zu swingen. („Night in the City“).

1969 erschien das zweite Album, Clouds, für das alles, was bisher über die Debüt LP gesagt wurde auch zutrifft, mit der Erweiterung, dass die leisen Songs eher noch verhaltener und die schwungvollen etwas rockiger geworden sind („I Think I Understand“ bzw. „Chelsea Morning“.) Auch der Trend zum leicht Atonalen zu Schrägheiten, die

das Ohr und das musikalische Empfinden kitzeln, hat sich verstärkt. („Roses Blue“). Außerdem enthält die LP die beiden Songs, die Joni Mitchell erstmals einem breiteren Publikum bekannt machten, bei „Chelsea Morning“ als Interpretin, bei „Both Sides Now“, das in der Coverversion von Peter Paul & Mary ein Hit wurde, als Komponistin.

Die dritte LP Ladies of the Canyon, die 1970 erschien, machte den Namen Joni Mitchell schließlich auch in Europa bekannt und brachte mit drei weiteren Hits, die ebenfalls von vielen Gruppen nachgespielt wurden, „Morning Morgan Town“, „Woodstock“ und „Big Yellow Taxi“, endlich auch die Tantiemen zum Laufen. Hier rückt zum ersten Mal

das Piano in einer der akustischen Gitarre gleichberechtigte Position als alleiniges Begleitinstrument auf sechs der zwölf Songs; und es scheint Jonis Neigung zum Atonalen, besser entgegenzukommen, denn sie spielt es sehr frei mit deutlichen Jazz-Anklängen. Ein Fingerzeig in spätere Richtung. Das Bemerkenswerteste sind auch hier die Texte. Zum Teil schmerzhaft persönlich, zeigen sie wieder Joni Mitchells Talent, eigene Erfahrungen auf einen allgemein verständlichen Nenner zu bringen und so den Hörer zu veranlassen, seine eigenen Erfahrungen und Verhaltensweisen zu überprüfen.

You could have been more, than a name on the door,
on the thirty third floor in the air, more than a consumer
(„The Arrangement“).

Dann, im Jahre 1971 erschien Blue, Joni Mitchell’s erster Versuch in ein für sie musikalisches Neuland. Sie begann die Dulcimer zu verwenden, ein traditionelles alpenländisches Volksmusikinstrument, der Zitter nicht unähnlich, doch werden die Saiten nicht gezupft,

sondern mit Holzhämmerchen angeschlagen. Was jedoch für die weitere Entwicklung ihrer Musik ungleich größere Bedeutung hatte, war die Verwendung von Stilmitteln des Rock. Auf Blue hört man Joni Mitchell begleitet von Stephen Stills, Bass und Gitarre; James Taylor, seinerzeit kommender Mann der Singer-Songwriter-Bewegung, Gitarre; dem Flying Burrito Brother Sneaky Pete Kleinow, Pedal-Steel-Gitarre sowie den bekannten Session-Drummer Russ Kunkel. Eine vollständige Rock-Besetzung, also zu hören, bei „Carrie“ und „This Flight Tonight“, das durch eine rockige Fassung der Gruppe Nazareth weltbekannt wurde. Gleichzeitig mit dieser sich abzeichnenden Veränderung in ihrer Musik wurde ihre Stimme voller, reifer; die Diktion wurde sicherer, die gesanglichen Wagnisse routinierter, die Phrasierung zusehends jazziger – was viele Folkfans, die bis 1971 begeisterte Mitchell-Anhänger gewesen waren, verärgerte. Zugleich jedoch begann sich das ungleich größere Rock-Publikum für Joni zu interessieren. Ihre Platten sprangen die LP-Charts hinauf, doch der plötzliche Starruhm war für die Künstlerin eine von äußerst negativen Nebenerscheinungen begleitete Erfahrung. Sie empfand den Rummel des kommerziellen Show-Business in Los Angeles als Entfremdung und psychische Belastung. In einem Interview sagte sie damals: „Irgendwie ist mir das unheimlich, man verliert ganz den beiläufigen Blick auf die Dinge. Das hat seine Vorteile, aber ich weiß nicht, wo das Gleichgewicht liegt, wie weit mir das nützt und wie weit es mir schadet. Von meinem Blickpunkt aus gesehen wird es manchmal absurd, wenn ich niedergedrückter Stimmung bin und mir sage: ‘Lächle’, weil du lächeln sollst. In meinem Inneren denke ich: ‘Du bist verlogen, dein Lächeln ist falsch, Du fühlst dich auch wie ein Star.“

Maybe it’s too long, since I was scrambling down in the street
Now they’ve got me used to the clean white linen and that fancy French cologne…
(„Carey“)

Joni stürzte sich erneut in die Arbeit, als Therapie sozusagen. Sie lernte den Flötisten und Saxophonisten Tom Scott kennen, der mit seiner Jazzrock-Truppe L.A. Express von sich reden machte. Die beiden beschlossen zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig wechselte sie von Reprise zum neu gegründeten Asylum Label, ebenfalls ein Warner Brothers-Ableger, dessen Gründer David Geffen sich von ihrem Namen einen guten Start erhoffte, der ihm, wie bekannt, ja auch gelang.

Das Ergebnis all dieser Veränderungen war das 1972 erschienene Album For the Roses auf dem außer Tom Scott wieder Stephen Stills und Russ Kunkel sowie der Bassist Wilton Felder, der Gitarrist James Burton und einige Studiomusiker zu hören sind. Von den Lyrics her

ein Musterbeispiel an ironisch distanzierter Selbstdarstellung ist die LP musikalisch ein weiterer Schritt in Richtung Jazz; locker swingende Arrangements, („Cold blue Steel and sweet Fire“, „Turn me on I’m a Radio“), die mittlerweile Mitchell-typischen Piano-Songs mit ihren sehr freien kaskadenartig auf- und absteigenden Gesangmelodien, („Lesson in Survival“, „Let the Wind carry me“) sowie Tom Scotts gefühlvolle Cool-Jazz Soli machen For the Roses zu einem Kleinod für stille Stunden; und wenn gegen die Kategorisierung von Musik nicht gewichtige Argumente sprächen, wäre die Bezeichnung Folk-Jazz nicht unpassend.

Up the charts, off to the airport,
your name’s in the news, everything’s first class
(„For the Roses“)

1974 erschien Court and Spark. Dieses Album wurde sofort ein Bestseller, was nicht verwundert, sieht man sich die Liste der mitwirkenden Musiker an: David Crosby, Graham Nash, José Feliciano, Robbie Robertson, Cheech & Chong, der hervorragende Gitarrist Larry Carlton, vom L.A. Express, Max Bennett, Bass und der

Ex-Byrd John Guerin, Drums, sowie einige Studio-Musiker. Auf Court and Spark wird kein einziger Song mehr von Joni solo vorgetragen, sie sind alle perfekt durcharrangiert. Musterbeispiele dafür sind „Free Man in Paris“, „Just like this Train“ und der Rocker „Raised on Robbery“. Auf der LP befindet sich außerdem der erste und bisher einzige Song, den Joni nicht selbst geschrieben hat, nämlich das witzige „Twisted“, das den Gesangsstil der Andrew Sisters der Golden-Thirties nachempfindet.

Mittlerweile war Joni Mitchell mit dem neuen Starruhm so weit fertiggeworden, dass sie ausgedehnte Tourneen unternehmen und in Hallen mit mehr als 10.000 Zuhörern spielen konnte. 1974 war das Jahr der Auftritte gemeinsam mit Tom Scotts L.A. Express, (man

erinnere sich an das Festival im Londoner Wembley-Stadion im September zusammen mit Jesse Colin Young, The Band und CSN&Y), während welcher das Material für das Doppelalbum Miles of Aisles das Ende des Jahres erschien, mitgeschnitten wurde. Hier ist erstmals der vollständige L.A. Express hinter Joni versammelt, das heißt außer Tom Scott, Max Bennett und John Guerin, der Gitarrist Robben Ford und Larry Nash am E-Piano. Abgesehen davon, dass diese Platte eine für Live-Aufnahmen erstaunliche Klangqualität besitzt, ist es frappierend zu hören, wie nahtlos Jonis Stimme sich dem Sound der Gruppe einfügt und wie subtil die Band ihrerseits die Stimmungen von Jonis Songs nachempfinden kann. Besonders bei den älteren Songs wie „Big Yellow Taxi“, „Woodstock“, „Both Sides now“ und „Carey“ gelingen ihnen faszinierende Neuinterpretationen. Aber auch die Songs, die Joni auf Miles of Aisles, allein zum Piano oder zur akustischem Gitarre singt, gewinnen irgendwie an Dimension. So sind die Live-Versionen von „Cactus Tree“ und „Cold Blue Steel and sweet Fire“ wesentlich kraftvoller und überzeugender gesungen als die Studio-Originalfassungen. Hier lässt sich der Reifungsprozess ihrer Stimme, die mit der Zeit gewonnene Sicherheit und Routine, gut erkennen. Zwei neue Songs sind auf dem Doppelalbum enthalten. „Jericho“ und „Love or Money“ welche Joni folgendermaßen ansagte: “I’d like to play a couple of new songs for you now. They’re both love songs, of course; one of them is very hopeful, and one is kind of a portrait of a disappointment – my favourite theme…”
Das erste der beiden neuen Stücke „Jericho“ könnte gut von Court & Spark stammen, während „Love or Money“ eher wie ein mit Text versehenes Stück von einer der beiden L.A. Express Scheiben klingt. Im Ganzen ist das Album eine erfreuliche Ausnahme der Regel, dass Live-Aufnahmen meist erheblich abfallen gegen die aufgemotzten Studioproduktionen.

Im November 1975 erschien das siebte Studio Album The Hissing of Summer Lawns und dieses ist nun ein ganz spezielles Kapitel, weil Joni meiner Meinung nach hier gewaltig über das Ziel hinausgeschossen ist. Wohlgemerkt bezieht sich meine Kritik nicht auf ihre Texte, die

nach wie vor zum Besten Zählen, was die moderne Literatur hervorgebracht hat (höchstens Dylan reicht da noch heran), sondern ausschließlich auf die Musik. Sie ist vom Konzept her eine Weiterführung des Court & Spark-Sounds, im Endeffekt aber eher eine Pervertierung, ein Auf-die-Spitze treiben. Was bei der vorigen LP, (wenn man Miles of Aisles nicht als reguläres Album ansieht), noch warmer, animierter Swing-Sound war, ist hier nur noch kaltes, stromlinienförmigeres Arrangement, das irgendwie blutleer klingt und das es, denkt man sich Jonis Gesang einmal weg, ohne weiteres als Hintergrundmusik in einem Las Vegas-Upper Class-Nightclub zu verwenden wäre. Substanzloser Cool-Jazz, zwar perfekt gemacht, es spielen wieder namhafte Musiker mit, Larry Carlton, Wilton Felder, Graham Nash, David Crosby, James Taylor, Jeff Baxter, der halbe L.A. Express, aber völlig tot, ohne jede Ausstrahlung. Natürlich gibt es Ausnahmen. „The Jungle Line“ zum Beispiel, bei dem Joni Mitchell sich auf dem Moog begleitet und das mit afrikanischen Kriegstrommeln unterlegt ist, hat etwas sehr Elektrifizierendes, ebenso „Shadows and Light“, wo Joni mit sich selbst im Chor singt. Auf der anderen Seite erlaubte sie sich eine echte Geschmacklosigkeit mit einer Komposition, „Center Piece“, die in den Song „Harry’s House“ eingebaut ist und die sowohl vom Text als auch von der Musik her derart weit von ihrem sonstigen Niveau entfernt ist, dass man sich nur an den Kopf fassen und fragen kann, wie eine solche Verirrung möglich ist. Nun, über den Rest der Platte retten Jonis Lyrics und Stimme einigermaßen hinweg und der Titelsong „The Hissing of Summer Lawns“ lässt noch die alte Brillanz durchschimmern, aber insgesamt bin ich ziemlich enttäuscht, denn das Album erscheint mir in keiner Weise eine Weiterentwicklung darzustellen, sondern eher einen Rückschritt, einen Holzweg.

Nothing is capsulized in me, on either side of town,
these streets were never really mine, not mine these glamour gowns…
(„The Boho Dance“)

Und genau dafür ist Joni mit diesem Album dem Beweis schuldig geblieben, denn die Platte ist so vollkommen städtisch, so typisch Los Angeles, (Hollywood), Großstadt-Sound, dass ich mich wirklich frage, wo das kanadische Country Girl geblieben ist, die Joni Mitchell von ‘68 mit ihrer warmen, tief innen anrührenden Stimme, ihrer Unkompliziertheit und Unschuld, von der auf dem Album keine Spur mehr zu finden ist. Die Veränderung von Joni’s Musik spiegelt sich auch in dem von ihr gestalteten Plattencover wieder, bis auf Blue, For the Roses, Miles of Aisles und ihre späteren Platten, die alle Fotos zeigen, hat sie alle Cover selbst gemalt. Das erste Album zeigt einen farbenfrohen Urwald, wild sprießende Blumen und Ornamente, voll überschäumender Lebensfreude; dann leuchtende Farben bei dem Selbstporträt in Öl auf Clouds, bei Ladies of the Canyon wurde die Strichführung dann schon merklich kühler, die Farben sparsamer. Court and Spark zeigt ein in seiner Ausgewohnheit und inneren Ruhe fast meditatives Bild, ebenfalls von einer Sparsamkeit der Mittel, welches vielleicht mit den unglaublich schönen, entrückten, japanischen Tuschzeichnungen zu vergleichen ist. Und das Cover von Summer Lawns endlich könnte ebenso gut eine Computergrafik sein: Die in Silbergrau und Feldoliv gehaltene Skyline einer amerikanischen Großstadt wirkt völlig leblos und maschinenhaft. Ein kontinuierlicher Prozess also, auf zwei parallelen Ebenen von Joni Mitchells kreativer Tätigkeit, der musikalischen und der visuellen, der von Blumenkind-Anfängen über verschiedene Zwischenstufen zur völligen Coolness führt.

Mit ihrem nächsten Album Hejira ist Joni endlich zu ihren Roots zurückgekehrt, die einladende Annehmlichkeit, die Court und Spark vermittelte und eine Art Selbsterneuerung sind auf Hejira zu verspüren. Der Titel Hejira bezieht sich auf Mohammeds Flucht aus

Mecca. Ähnlich wie bei ihren ersten Aufnahmen dominieren die feinen Gitarrenarrangements und insbesondere Mitchells Stimme, die eine Wärme ausstrahlt wie selten zuvor. Der pop-jazzige Hintergrund ihrer letzten Aufnahmen machen auf Hejira mehr für balladenförmige Songs Platz. Dies gibt ihrer Stimme mehr Möglichkeiten, die melodiösen Unebenheiten vergessen zu lassen. Dieses Album wird sehr feinfühlig durch den durchgehend fließenden Charakter der Kompositionen zusammengehalten. Die Songs, die mir besonders gut gefallen sind, „Coyote“, „Song for Sharon“ und „Furry sings the Blues“ auf dem Neil Young die Harmonica spielt. Man spürt so richtig, dass Joni sich mit dem Inhalt der Songs, die sie singt stark auseinandersetzt und es ist beruhigend zu wissen, dass sie sich nicht hinter irgendeinem Klischee verbirgt, sondern die Suche ernsthaft betreibt. Mit Hejira konnte sie wieder aus der Sackgasse entfliehen und den ‘Spark’ zurück gewinnen.

Addendum:
Dieser Artikel ist ein Zeitfenster, genauer gesagt, wir schauen auf den Sommer 1977 als ich als Redakteur bei dem Hamburger Fanzine WEST COAST beschäftigt war. Ohne jegliche Aussicht auf einen monetären Ausgleich für unsere „Labour of Love“ wurden wir immerhin von der Schallplattenindustrie großzügig bemustert und hatten somit unseren „Summer of Love“. WEST COAST – Die Musik, die Harmonie vermittelt! Ich beschränke mich absichtlich auf eine kurze Charakterisierung der Alben, denn die Musik lässt sich ohnehin nicht objektiv beschreiben und die Texte sagen mehr über Joni Mitchell aus, als ich zusammentheoretisieren könnte.

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