Leonas nach außenhin glückliches Leben gerät ins Wanken, als sie Zeugin eines Suizids wird. Um damit abzuschließen, geht sie zur Beerdigung der Verstorbenen und lernt deren Bruder kennen. Schon bald kommt sie nicht mehr von ihm los – oder er von ihr?
Robert, der Bruder, lebt in Ascona und scheint der reiche Beau zu sein, nach dem man sich als Frau verzehren könnte. Für Leona ist er zunächst uninteressant, bis sie erfährt, dass ihr Mann Julius eine Affäre hat und ihn aus dem Haus wirft. Zufällig trifft sie Robert wieder und es entsteht so etwas wie eine Freundschaft plus. Bislang trabt die Geschichte ruhig dahin. Irgendwas zwischen Drama, Liebesroman und Lebensabschnittsgeschichte. Doch Link baut immer wieder einen zweiten Handlungsstrang ein, die Auffindung einer toten Frau, die seit sechs Jahren verschwunden ist. Der Leser fragt sich bald, ob der Mord und der Suizid in Verbindung stehen. Vielleicht durch den Lebensgefährten der Suizidentin? Der scheint nämlich alles andere als ein astreiner Kerl mit weißer Weste zu sein.
Doch Link bleibt nicht bei ihm, sondern zeichnet auch Robert als schwierigen Charakter, dem zwar die Frauen zu Füßen liegen, der aber mit seinem Jähzorn und seiner Kontrollsucht alles andere als ein Traummann ist. Als eine der beiden Katzen von Leona vergiftet wird, muss sie sich unweigerlich fragen, ob sie selbst in Gefahr schwebt und wem sie noch trauen kann.
Das Buch geht allerdings noch einige gute Hörstunden weiter. Link führt die Leser durch Abgründe und Aufwinde, Liebe und Hass, Blendung und Realität. Dabei tut sie das nicht so deutlich konstruiert, dass man sich als Leser oder Hörer fragt: Warum ist der Protagonist so dumm und tut das? Gekonnt fesselt die Autorin ihre Leserschaft und manövriert auf ein Ende zu, das keiner erwartet hätte.
Gelesen wird das Buch von Tessa Mittelstaedt, die es einmal mehr grandios schafft, den Hörer in den Bann zu ziehen. Ohne übertriebene Eigeninterpretation, haucht sie den Figuren mit leichten Stimm- und Tonlageveränderungen Leben ein. Und lässt dabei genug Raum für eigene Interpretationen und Bilder.
5/5
—
Charlotte Link – Der Verehrer
Random House Audio, 2021
Dauer: 15h36
