Vor einigen Wochen schneite mein alter Spezl Marty bei mir rein und brachte mir die ersten Testpressungen seines neuen Albums Marty and the Bad Punch vorbei. Nach seinen ersten beiden Scheiben Moon over Baskerville von 2014 und Walk a Straight Line von 2019, beide von Marty selbst produziert, hatte er die Nase voll vom Halbgaren und wollte sich neu erfinden. Also wurde alles, was bisher gut war, auf links gedreht und von innen nach außen gestülpt. Marty war Zeit seines Lebens ein Fan von knackigen AOR Rock, also wollte er sein neues Werk in dieser Richtung ansiedeln. Ein langjähriger Freund von Marty, der Schwede Tommy Denander unterstützte ihn dabei und übernahm neben der Leadgitarre auch gleich den Job des Produzenten. Erfahrung brachte Denander in einem hohen Maße mit, produzierte er doch bereits unter anderem Alice Cooper, Michael Jackson, Paul Stanley von KISS, Deep Purple oder Toto. Als Bassisten wollte Marty unbedingt Tony Franklin dabei haben, der sich seine Meriten unter anderem bei The Firm, Blue Murder oder Kenny Wayne Shepherd verdient hat. Besonders bei The Firm agierte dieser mit Bandmitgliedern, die zur Champions League der Musikhistorie zählen: Jimmy Page von Led Zeppelin und den Yardbirds, Paul Rodgers von Free und Bad Company und Chris Slade von AC/DC und Manfred Mann … und jetzt eben unser Marty Punch. Den Platz hinter der Schießbude besetzt Josh Devine, der Drummer bei Levara und nebenbei noch Tourschlagzeuger der Teenie Boy-Band One Direction ist. Seinen Sänger hat Marty schlicht und einfach auf YouTube gesucht und auch gefunden. Dan Byrne, ein kleiner schmächtiger Engländer aus Liverpool, der aber anscheinend eine Lunge hat wie kein zweiter und ehemals Sänger von Revival Black war.
Los gehts gleich mit Vollgas und dem Kracher „The Time is now“. Fette Gitarrenbretter, etwas Double-Bass und eine Stimme, bei der einem die Spucke wegbleibt. WOW – Das klingt äußerst fett nach den glorreichen 90er Jahren, als AOR aus unzähligen Speakern der deutschen Clubszene dröhnte. Song zwei, „Keep pushin‘ on“, die aktuelle Single, schiebt genauso vorwärts wie der Opener – da ist Headbangen angesagt … oder zumindest rhythmisches Kopfwackeln. Der dritte Track „Dream in the Dark“ erinnert mich von der Machart stark an die erfolgreichen Zeiten von White Lion. Beim Intro hört man Denanders Arbeit mit Deep Purple raus. Die Orgelparts könnten genauso gut von Jon Lord oder Don Airey stammen. Fette Gitarrenparts und die Strophen, die von der hellen, klaren Stimme Byrnes getragen werden; das war seinerzeit das Erfolgsrezept von Mike Tramp und Co. und Marty wird es sicherlich nicht zum Nachteil geraten. Das waren gleich drei Bretter zum Anfang … irgendwann muss doch mal Erholung angesagt sein, und die kommt jetzt mit der zweiten Singleauskopplung „Have Faith“, einer Powerballade, bei der die glasklare Stimme von Dan Byrne heraussticht. The Voice of an Angel möchte man fast meinen und sehr passend dazu erklingen dezent im Hintergrund Streicher. Da Marty kein Streicher-Tool verwenden wollte und Produzent Tommy Denander alles und jeden kennt, holte er sich Anna Dager, Hanna Ekström und Jonna Inge, besser bekannt als die Stockholm Strings mit ins Boot. Die Wärme der echten Instrumente hört man deutlich heraus. Die Streicher-Parts wurden im originalen ABBA Studio von Benny Anderson aufgenommen, und steht ja noch rein zufällig der legendäre Konzertflügel vom Maestro, auf dem unzählige legendäre ABBA Songs komponiert und aufgenommen wurden. Auf den kurzen Einwand von Marty – „Das wirst du dir doch nicht nehmen lassen“ – wurden die Klavierparts zu „Have Faith“ auf eben diesem Instrument eingespielt. Etwas verhalten beginnt Song Nummer fünf, „Heart Attack“. Nach 30 Sekunden Intro setzen Stimme und fette Powerchords auf den Gitarren ein und man beginnt unweigerlich mit dem Kopf zu wackeln. Im Allgemeinen ist dieser Song nicht der große Single-Burner, recht einfach gehalten im 4/4 Takt schraubt er sich aber sofort als Ohrwurm in die Gehörgänge und krallt sich darin fest. Ein kleines aber feines Gitarrensolo rundet den Track komplett ab. Byrne schraubt seine Stimme manchmal schön in die Höhe. Zum Keyboard-Intro von „Deadwood“ gesellt sich unerwarteterweise eine Andenflöte dazu, was einem stutzig macht. Wieder im einfachen 4/4 Takt im schönsten Midtempo gehalten, fahren aber gleich die Powerchords auf. Nicht unbedingt ein Tanzflächenfüller, aber perfekt geeignet für eine Autofahrt über eine sonnige Landstraße. Fenster auf – Sonne rein – Radio voll aufgedreht und mächtig gute Laune tanken. Und immer wieder verleiten einem die sehr eingängigen Melodien und Harmonien zum begeisterten Mitwippen und mitsingen … wow. Zum Ausklang erklingt dann wieder die Flöte.
„In deep Water“ klingt anfangs fast wie aus einem alten miesen Kofferradio in Mono abgespielt. Das Intro wandelt sich aber baldigst in einen groovenden Shuffle zum Mitschnippen mit den Fingern. Da wir eben grad mit dem Auto unterwegs waren, verlängern wir die Fahrt einfach und genießen den klaren Sound und wieder die herrliche Stimme von Dan Byrne. Hervorstechend sind die Soloparts der Leadgitarre die unaufgeregt um die Ecke fegen. Mit dem gemütlichen Fahren ist es beim folgenden „Don’t bother me“ vorbei, der Track schiebt an und gibt Gas. Motorengeräusche und eine Polizeisirene leiten den Song ein. Fette Powerchords treiben den Song in den Strophen vorwärts während beim Refrain zu einem fast Reggae-artigen Off-Beat gewechselt wird. Ein interessantes Detail sind die Vocals während der Strophen, die sich wie ein Zwiegespräch am Telefon anhören. Byrne telephoniert klar verständlich, und eine etwas verzerrte Telefonstimme antwortet. Das sorgt für Abwechslung und ist cool umgesetzt. Denander steuert wieder ein schönes Gitarrensolo bei, welches auf der Melodielinie liegt. Geräusche von einem Car-Crash leiten den Song aus. Tony Franklin lässt seinen Bass im nächsten Song traumhaft in einem schönen Intro perlen, während die Leadgitarre darüber singt. Kurze Zeit später fahren aber wieder die bekannten schönen Powerchords auf und treiben „The little Things“ vorwärts – Landstraße ist wieder angesagt. Denanders Gitarre veredelt den Track mit einem kurzen Solo. Gegen Ende sticht wieder Franklin mit seinem Basslauf hervor.
Marty ist ein großer Fan vom seligen Gary Moore und hat diesem mit „Streets of Belfast“ eine geniale Tribut-Hymne geschrieben. Da Marty aber diesen dritten Longplayer als eigene Neufindung ansieht, quasi sein eigenes „richtiges“ Debutalbum, wollte er auf der LP ausschließlich eigene Songs drauf haben. Als Bonustrack nur für die CD, packte er das grandiose „Streets of Belfast“ auf den kleinen Silberling drauf. Welch ein grandioser Song mit Twin Gitarren Solo wie Moores seligen Zeiten bei Thin Lizzy. Da fehlen nur noch die irischen Pipes. Rein digitale Käufer des Albums kommen auch noch in den Genuss eines weiteren Bonustracks. Den Song „Better be strong“ von seinem 2014er Moon over Baskerville Album, neu eingespielt mit den Vocals von Robert Tepper (bekannt mit „No easy Way out“).
Seit ich von Marty die neue Scheibe bekommen hab, läuft diese bei mir non-stop laut im Auto, und ich muss sagen, sie wird bei jedem Hördurchgang noch besser und noch eingängiger. Für mich persönlich ist dieses Album das definitive Highlight im Jahr 2025, egal was da noch kommen mag. Up-Tempo wechselt schön mit Mid-Tempo und Ballade, hier wird alles geboten. Da ich aber nicht nur lobhudeln will hab ich jetzt ewig gesucht nach dem sprichwörtlichen Haar in der Suppe und auch ein kleines gefunden. Ich persönlich finde die Andenflöte bei „Deadwood“ etwas befremdlich, was aber auch schon alles sein soll.
Drei positive Sachen stechen meiner Meinung nach aber extrem heraus. Zum Ersten die grandiose Produktion von Tommy Denander und Marty. Jedes Instrument ist glasklar verständlich und verortbar und in einem Maße eingesetzt wie es 100%ig passt. Zum zweiten die exzellenten Gitarrensoli von Tommy Denander. Der gniedelt sich nicht wie unzählige Saitenakrobaten einen Wolf und will in höhere Sphären abheben. Nein, er bleibt mit seiner Lead sehr oft in den Harmonien drin und hangelt sich an den Melodielinien entlang – das ist sensationell, unaufgeregt und perfekt. Zum Dritten finde ich, dass sich Marty Punch mit seinem exzellentem Songwriting hoch in die Champions League geschrieben hat. Es ist nicht eine Nummer auf dem Album, die abfällt. Alle zusammen sind wie aus einem Guss perfekt. Musik und Texte sind erste Sahne und stellen unzählige Bands die die Charts beherrschten regelrecht in den Schatten. Besseres Songwriting kann ich mir nicht vorstellen.
Mein Anspieltipp auf dem Album ist ein Song, der keine Singleauskopplung ist, und den vielleicht nicht sooo viele auf dem Schirm haben. „Dream in the Dark“ vereint auf eine grandiose Weise Progressiv Sound a la Deep Purple mit AOR der ersten Sahne. Schwere Orgel trift auf fette Powerchords – Grandios!
Alles andere als die Höchstnote wäre ungerecht: 5 / 5
Marty and the Bad Punch – Same
A1 – The Time is now
A2 – Keep pushin‘ on
A3 – Dream in the Dark
A4 – Have Faith
B1 – Heart Attack
B2 – Deadwood
B3 – In deep Water
B4 – Don’t bother me
B5 – The little Things
CD-Bonus Track – Streets of Belfast

Danke für das tolle Review mein lieber! Und Danke für die megatolle Unterstützung all die Jahre! Bis bald, Marty