Was kommt als Nächstes? Ein Bandmitglied feuern und Roots Rock spielen, natürlich. 1972 wurde Bruce Johnston (oder trat zurück, je nachdem, wen man fragt) nach einer Meinungsverschiedenheit mit Jack Rieley entlassen und durch die Südafrikaner Blondie Chaplin und Ricky Fataar ersetzt. Rieley war auch für die neue Richtung der Band verantwortlich: Es gab eine Gegenkultur, die harte, erdige, funkige, gefühlvolle Musik brauchte, also sollten die Beach Boys härter, erdiger, funkiger, gefühlvoller sein. Egal, dass der unnachahmliche Sound von Surf’s Up die Gegenkultur bereits befriedigt hatte und dass die Roots-Szene bereits The Band, Crosby, Stills, Nash & Young, Traffic, The Grateful Dead hatte…
Das Ergebnis, Carl And The Passions – So Tough, das im Mai 1972 veröffentlicht wurde, ist eine Platte, der das Herz der Beach Boys fehlt. Sicher, es hat einige anständige Stücke. „Marcella“ ist typisch exzellent in der Produktion und ein freudiges Stück Songwriting. Aber die CSNY-Imitation „Hold On Dear Brother“ und das Traffic-ähnliche „Here She Comes“ führen beide nirgendwohin. Schlimmer noch: Die Boys imitieren einen schwarzen Gospel Chor aus den Tiefen Louisanas mit „He Come Down“, was “soul destroying” ist. Diese Art von musikalischem “Blackfacing” war damals weit verbreitet – die Stones, Joplin, Creedence, Zeppelin – aber zumindest die genannten hatten den Charme, es mit einer gewissen Überzeugung aufzuführen. Die Beach Boys sind jedoch durch und durch weiß. Ihre affektierten südlichen Akzente sind, nun ja, peinlich und beleidigend zugleich.


Brian hatte auch sehr wenig mit „So Tough“ zu tun, und das merkt man. Es fehlen die typischen Brian-Tracks, die Beach Boys-Platten so besonders machen. Vorbei sind die plötzlichen Tonartwechsel, die „woher kam das denn“-Tonartwechsel, die „was zum Teufel ist das für ein Instrument“-Momente, die verrückten Soundeffekte. Das Publikum durchschaute auch ihre Versuche, etwas zu sein, was sie nicht waren, und „So Tough“ hatte einen eher schwachen kommerziellen Erfolg.
Egal, es gibt immer einen neuen Trend zum Ausprobieren. Wie wäre es mit einem Umzug nach Holland, Jungs? So sagte Jack Rieley, und Jacks Wort war Gold. Also packte die Band ihre Sachen und mietete nicht weniger als elf Häuser rund um Amsterdam, und starteten den Versuch, ein Studio in einer Scheune in Baambrugge zu bauen. Dies war, wenig überraschend, ein nahezu totales Desaster. Das Equipment spratzelte Funken, versagte und explodierte letztendlich. Aber dennoch, wie durch ein kleines Wunder, nahmen sie ein Album auf. Wieder lehnte Warner es zunächst ab, gab aber nach, als die Lead-Single „Sail On, Sailor“ als Eröffnungstrack hinzugefügt wurde. Holland hatte vielleicht einen unoriginellen Titel, aber es sollte die letzte großartige Platte sein, die die Beach Boys je gemacht haben. Holland ist nicht perfekt (haben sie überhaupt jemals eine perfekte Platte gemacht?), aber es zeigt die Boys von ihrer einfallsreichsten, entzückendsten Seite. „Sail On, Sailor“, gerettet von einem alten Brian Wilson/Van Dyke Parks-Demo, ist alles, was man sich von einer Beach Boys-Single wünschen kann: eine wogende, mitreißende gute Zeit, die einen dazu bringt, ein Boot zu kaufen und die Westküste der USA entlangzusegeln, Abenteuer auf dem großen blauen Pazifik zu erleben. Und dann gibt es die dreiteilige Suite „California Saga“: Der Mittelteil enthält eine etwas prätentiöse Erzählung über einen Adler (es gibt eine Zeile über Vogel-Inzest – ich wünschte, ich würde scherzen), aber der erste und dritte Teil sind schöne Loblieder auf ihren Heimatstaat, die den kalifornischen Mythos, zu dem sie so untrennbar gehören, reflektieren und weiter ausschmücken. Fataar und Chaplin verdienen sich ebenfalls ihren Platz in der Band, indem sie „Leaving This Town“ beisteuern, ein Lied mit einem großartigen, absurden Synth-Solo in der Mitte, das ich nur bewundern kann. Carl liefert einige seiner besten Beiträge: Er schrieb „The Trader“, ein weiteres Miniatur-Meisterwerk, das als Rocksong beginnt und in eine zarte, seltsam berührende zweite Hälfte übergeht. Und er singt eine seiner himmlischsten Lead-Vocals auf „Only With You“, einer wunderschönen kleinen romantischen Hymne. Und am Ende versammeln sich alle (sogar Brian), um „Funk Pretty“ zu singen, ein lächerliches “Guilty Pleasure” über eine sexy Astrologin. „And now I look in the paper each day/ Wondering what my horoscope will say“. Echt jetzt?
Holland wurde auch mit einer Bonus-Disc verkauft: ein Brian Wilson „Märchen“ namens “Mt Vernon And Fairway”. Es besteht aus sechs Tracks mit insgesamt zwölf Minuten und erzählt eine Geschichte, die von Jack Rieley erzählt wird, über einen Rattenfänger mit einem magischen Transistorradio, der einem jungen Prinzen in der Nacht erscheint, alles untermalt von musikalischen Schnipseln und einigen sehr Brian Wilson-artigen Soundeffekten. Wenn man großzügig wäre, könnte man es eine interessante Kuriosität nennen. Als Album ist Holland großartig. Aber aus PR-Sicht war es weder Fisch noch Fleisch. Kein Gegenkultur-Album, aber auch kein Oldies-Album; kein trauriges Album, aber auch kein glückliches. Die Öffentlichkeit wusste nicht recht, was sie davon halten sollte: Es verkaufte sich besser als „So Tough“, aber nicht viel besser. Genug war genug. Als die Beach Boys nach Kalifornien zurückkehrten, blieb Rieley in Holland. Kurz darauf wurde er gefeuert. Sein Versuch, die Beach Boys der Gegenkultur näherzubringen, war gescheitert.


Holland jetzt zu hören, ist eine traurigere Erfahrung, als es sein sollte. Es ist der letzte Ausbruch echter Kreativität einer der kreativsten Rockbands der Welt, bevor sie in schlechte Coverversionen (15 Big Ones von 1976), Werbespots für Transzendentale Meditation (M.I.U. Album von 1978) und unendliche Disco-Experimente (die Single „Here Comes the Night“ von 1979 – glaubt mir, Ihr werdet es bereuen, dieses Werk aufzusuchen) abstürzten. Es ist das letzte Mal, dass die Beach Boys wirklich sie selbst waren.
Die Beach Boys litten immer unter einem Imageproblem und jagten ab Mitte der Sechzigerjahre stets den Trends hinterher. Doch rückblickend wird klar, dass sie die Erfahrungen ihrer Generation besser verkörperten als jede andere Band. Sie waren Kinder der Fünfziger, aufgewachsen bei brutal konservativen Vätern aus der Depressionszeit. Sie fanden Erfolg in der Rock & Roll-Revolution mit Songs über Teenager-Romantik und schnelle Autos. Sie waren Vorreiter der Flower Power mit „Good Vibrations“ und nahmen im Summer of Love zu viele Drogen. Dann traten sie in die Siebziger ein, müde von zerbrochenen Träumen und endlosen Abstürzen. Man kann die Beach Boys betrachten und die amerikanische Geschichte gespiegelt sehen. Sie sind die Hunter S. Thompsons der Rockbands. Vielleicht sah die Gegenkultur der damaligen Zeit es nicht, weil die Beach Boys zu nah am Geschehen waren. Die Leute wollten sich in bodenständigem, politisch bewusstem Roots Rock oder progressiven Erkundungen von Zeit und Raum wiederfinden. Sie mochten es nicht, sich in der Niederlage der Beach Boys zu sehen; der unverbesserlich hoffnungsvollen, aber unentrinnbar traurigen Musik einer Band, die in Ungnade gefallen war.


In den letzten Jahren wurde ein Großteil der Musik der Beach Boys zurecht als äußerst einflussreich und stark unterschätzt neu bewertet. Aber sie waren nicht nur exzellent – sie waren zeitgemäß. Einige Bands repräsentierten die Gegenkultur, andere führten sie sogar an, aber die Beach Boys lebten sie, mit all ihren Fehlern und Macken. Und in den siebziger Jahren war das zu viel für ihr Publikum. Wie immer waren die Beach Boys einfach nicht für diese Zeiten gemacht.
“I guess I just wasn’t made for these times”
(Brian Wilson – Pet Sounds)
Brian Wilson starb mit 82 Jahren am 11. Juni 2025
