LP: Klaus Schulze – La Vie Electronique Volume 1.0


Klaus Schulze – Was könnte man nicht über diesen Ausnahmemusiker schreiben? Beiträge, die hunderte von Seiten lang sind, wären keine Übertreibung. Als Pionier der populären elektronischen Musik liefert Klaus Schulze seit Anfang der 70er Jahre andauernd neue geniale Werke. Beginnend als Schlagzeuger in der Band Psy Free über die Stationen Tangerine Dream und Ashra Tempel, auf deren jeweils ersten Platten Schulze an den Drums mitspielt, über seine Soloaktivitäten seit seinem 1972er Werk Irrlicht, als er den Schlagzeugstuhl gegen den Sitz hinter den Tasten der analogen Synthesizer eintauscht. Als Musikfan finden sich in meiner riesigen Sammlung von alten Platten erwartungsgemäß auch viele elektronische Werke. Als Fan elektronischer Musik und von den deutschen Vertretern davon im Speziellen stehen die Werke vom Berliner Elektropapst Klaus Schulze fast komplett im Regal. Fast ausnahmslos Vinylplatten – CDs mag ich so gut wie gar nicht.

Diese Tage ist wieder mal eine Ausgabe dazugekommen. Eine Doppel-LP namens La Vie Electronique Volume 1.0 in der Ausgabe im weißen Vinyl, welche auf 300 Stück limitiert ist. Die regulär schwarze hat eine Limitierung von 700 Stück. Im Original erschienen sind die Aufnahmen im Jahre 2009 auf einer Box mit 3 CDs als deutsche oder japanische Ausgabe. Japan aus dem Grund, weil Klaus Schulze im Land der aufgehenden Sonne fast wie ein Gott verehrt wird. Als Vinylausgabe ist die Platte 2018 nur in Amerika erschienen. Fast komplett in schwarz/weiß gehalten, versprüht das Cover eine kalte Stimmung, fast genauso wie viele Frühwerke der Mitglieder der Berliner Schule (Tangerine Dream, Ash Ra Tempel, Manuel Göttsching, Klaus Schulze, Agitation Free). Die Berliner Schule steht für elektronische Musik, die an Ambient, New-Age, Trance angelehnt ist, ganz im Gegensatz zur Düsseldorfer Schule um die Gruppen Can, Neu, Kraftwerk oder Cluster, deren Sound von der elektronischen Rhythmik bestimmt ist. Auf der Volume 1.0 ist die erste CD der digitalen Box auf zwei Schallplatten verteilt. Normalerweise sind farbige Platten vom Klang her nicht mit den schwarzen zu vergleichen, sie klingen meistens schlechter und weiß bildet da auch noch den Schluss der Qualitätsliste. Die vorliegende Pressung des amerikanischen One Way Static Labels ist wider erwartend perfekt in der Pressung und klingt fantastisch.

Auf der Platte befinden sich acht Songs, von denen einmal drei und einmal zwei zusammengefasst eine Suite ergeben. Die erste Seite wird bestimmt von den ersten beiden Teilen von „I was dreaming I was awake and then I woke up and found myself asleep“. Ein elektronischer Ton, der sich anhört wie eine Schiffssirene leitet „I was dreaming I was awake“ ein. Auf- und abschwellende spartanische Töne, die Kühle und Weite musikalisch abbilden. Eine elektronische Blaupause für einen Traum. Übergangslos geht es mit „And then I woke up“ weiter, welches ebenfalls diese auf- und abschwellenden Töne und Klänge vorweist, die sich gegen Ende in eine fast Kirchenorgel-artige Kakophonie stürzen. Sozusagen der Wecker, der einen aus seinen Träumen reißt.

Die zweite Seite der ersten LP setzt die Aufwachphase fort und gegen Mitte von „And found myself asleep“ kommt eine Rhythmik mit ins Spiel und wird intensiver. Der zweite Track auf Seite Zwei ist betitelt als „The real McCoy“ und wird bestimmt vom Auf und Ab eines einfachen Hintergrundtons, während sich im Vordergrund eine Melodie breit macht. Der Song würde perfekt zu einem Naturfilm über Alaska oder die Arktis passen. Kühle Stimmung verbreitend mit dem elektronischen Flirren des grellen Sonnenscheins in der eisigen Luft.

Die zweite LP beginnt mit den beiden Tracks der Suite „Tempus Fugit“. Song Nummer Eins auf Seite Drei, „Time never dies“, klingt teilweise fast wie eine helle Kirchenorgel, die den Himmel darstellen will. Im Hintergrund ist immer ein leichter, flirrender, tieferer Bordunton zu hören, der sich schön in das Tonbild einfügt. Der Song hat fast klassikartige Züge und geht nachtlos über in „The Age of Shopping“, welches die Klangstruktur weiterführt. Beide Teile zusammen ergeben eine Spielzeit von 26:24 Minuten. Die letzte Plattenseite beginnt mit „Dynamo“, einer fast viertelstündigen Nummer, die mehr Rhythmik aufweist als die Songs davor. Teilweise bedrohliche Töne verbreiten eine düstere, maschinelle Stimmung. Wabernde Klänge mit flirrenden Sequenzen, die zwischen Radiowellen und Maschinenklang alles darstellen könnten. Den Abschluss bildet ein nur 24 sekündiger Part aus einem Interview aus dem Jahre 1970 in welchem gefragt wird: „Glaubt ihr, dass es jetzt einen neuen elektronischen Sound in Deutschland gibt?“ und Klaus Schulze darauf antwortet. Das „ihr“ in der Frage bezieht sich vermutlich auf die Band Tangerine Dream, weil Klaus Schulze 1970 noch Mitglied von TD war. Ein nettes Gimmick zum Schluss – mehr nicht.

Klaus Schulze hat mit La Vie Electronique wieder ein wunderbares Album abgeliefert, in welchem mir vor allem die beiden Teile von „Tempus Fugit“ aufgefallen sind, die sich regelrecht in meine Gehirnwindungen geschraubt und sich dort festgesetzt haben. Die beiden folgenden Teile werden mit Sicherheit ebenfalls den Weg in mein Regal finden.

5 / 5

Klaus Schulze – La Vie Electronique Volume 1.0
One Way Static, OWS 24, 2018

Tracklist: La Vie Electronique Volume 1.0
A1 – I was dreaming I was awake
A2 – And then i woke up
B1 – And found myself asleep
B2 – The real McCoy
C1 – Time never dies
C2 – The Age of Shopping
D1 – Dynamo
D2 – Interview 1970

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