CD: The Stranglers – Dark Matters


Endlich wieder ein Lebenszeichen der Würger aus dem Süd-Osten Englands. 1974 schlossen sich ein paar Freunde aus Guildford zu den Guildford Stranglers zusammen und spielten Pub-Rock. Das Wort Guildford wurde alsbald aus dem Namen gestrichen und als Stranglers starteten die vier richtig durch. Seit 1977 brachten die Jungs regelmäßig neue Platten unters Volk und Songs wie „Peaches“, „No more Tears“, „Hanging around“, „Nice ‚n Sleazy“, „Golden Brown“ oder „Always the Sun“ kennt heute jeder, der Rock oder Post-Punk hört. Herausragendes Element im typischen Stranglers Stil war immer die Bassgitarre, die die Melodielinie spielte, während die Gitarre meistens nur den Rhythmus beisteuerte. 2012 nach dem Release des 17. Studioalbums Giants wurde es etwas still um die Band. Hugh Cornwell war ja schon 1990 ausgestiegen, als ihm der Sound der Gruppe zu Pop-lastig wurde. Schlagzeuger Jet Black machte 2015 bekannt, dass er zu alt für Konzerte sei, wird aber noch als festes Mitglied aufgeführt. Seinen Platz nahm als Live-Drummer Jim Macauley ein. Keyboarder Dave Greenfield verstarb leider 2020 an den Folgen einer Covid-19 Infektion. Somit blieb als einziges altes Mitglied noch der Bassist Jean-Jacques Burnel. Man konnte also nicht mehr unbedingt mit neuem Material rechnen, auch wenn die Band alle Jubeljahre mit neuen Mitgliedern erfolgreich auf Tour war. Umso erfreuter war ich, als ich in den einschlägigen Magazinen vom neuen Release Dark Matters lesen durfte. Als alter Stranglers Fan war die Scheibe natürlich Pflicht für meine Sammlung, noch dazu, da sie auf Vinyl erschien. Da wir die LP direkt auf der Stranglers Homepage bestellten, kamen wir sogar noch in den Genuss einer Bonus-CD namens Dave Greenfield – A Tribute mit acht Livetracks. Das Dark Matters Album war gepackt in ein Cover, das mich ein wenig an das 86er Dreamtime Album erinnerte. Vier Steinfiguren (Moai) der Osterinseln vor dem farbigen Hintergrund der Milchstraße, schwarzer Rahmen drumrum, den typischen Stranglers Schriftzug knallrot drauf und fertig ist ein sehr ansprechendes Cover. Nun muss nur noch der musikalische Inhalt überzeugen…

Los geht’s mit „Water“ … eine Keyboardfläche, auf der bald ein paar Basstöne zu hören sind, in die sich eine schneidende Gitarrenlinie gräbt. Das bildet das Intro zu einer treibenden Nummer, die vom pumpenden Bass J.J. Burnels lebt. Die typischen fast swingenden Keyboardakkorde sind wie eh und je vorhanden. Das fängt schon mal äußerst ansprechend an. Typisch Stranglers-like eben. Der zweite Track „This Song“ beginnt mit einem schnarrenden Bass-Riff. Ebenso treibend wie schon „Water“ zuvor. Die Gitarre steuert ein klasse Rhythmus-Riff bei. Hallelujah – so kanns sehr gern weitergehen. Das klingt wie um 1980 rum. Der dritte Song ist ein Gruß an ihren leider verstorbenen Keyboarder Dave Greenfield. „And If You Should See Dave…“. Im akustischen Gewand gehalten mit anrührenden Lyrics. „Wenn Sie Dave sehen sollten, sagen Sie ihm Hallo von mir“. Der folgende Track im Midtempo beginnt mit einer Stimme, leicht durch einen Vocoder verfremdet und einer elektrischen Gitarrenlinie. „If Something’s Gonna Kill Me (It Might As Well Be Love)“. Der Bass tritt hier ausnahmsweise mal nicht in den Vordergrund. Das folgende „No Man’s Land“ beginnt mit einem funkigen Basslauf, der sich durch die Strophen durchzieht. Beim Refrain ist nichts mehr mit Funk, der galoppiert treibend schnell voran. Immer schön abwechselnd ist das ein klasse Song. Nur mit einer Akustikgitarre beginnt „The Lines“. Der kurze ruhige Song handelt von den Erklärungen der Falten im Gesicht des Erzählers. Jede Falte, jede Linie im Gesicht erzählt eine kleine Geschichte aus der Vergangenheit. Wieder treibend im typischen Stranglers Gewand kommt „Payday“ um die Ecke. Der Zahltag beinhaltet aus den üblichen Zutaten Bass/Keyboard sogar einen kleinen swingenden Mittelteil, der sich gut ins Gesamtbild des Liedes fügt und für Abwechslung sorgt. Mit einem ruhigen Piano und einer akustischen Gitarre beginnt „Down“, fast im Stile eines Udo Lindenberg. Der Track würde sich zu 100% für eine deutsche Adaption unseres geliebten Panikrockers eignen. Die ruhige unterschwellige Stimmung bleibt den ganzen Song über. Ein schnarrender Bass leitet „The last Men on the Moon“ ein. Wieder typisch im Stranglers-Stil gehalten, treibt der Track vorwärts. Mit einem schnellen Bassintro und Chorgesang beginnt der vorletzte Track „White Stallion“. Der Titel ist hier Programm. Das Stück galoppiert sprichwörtlich wie der weiße Hengst nur so dahin und dürfte in einschlägigen Clubs für volle Tanzflächen sorgen. Und immer wieder taucht der prägnante Basslauf von Burnel auf, der fast jeden Song nach vorne treibt. Den Abschluss des Albums bildet „Breathe“. Zuerst nur eine gezupfte akustische Gitarre, in die sich eine elektrische einflechtet, das Ganze auf einem weichen Keyboardteppich im Hintergrund. Die Stimme flüstert fast nur. Der Track baut sich langsam auf und kommt immer wieder mal zu einem Peak, an dem es kurz drauf wieder abschwillt. Rhythmisch verhaftet in einem schunkelnden ¾ Takt eines englischen Walzers. Ein stetiges Auf und Ab den ganzen Song durch.

In der Gesamtbewertung ist ihr 18. Studio-Werk Dark Matters ein klasse Album, welches sehr viele Anklänge an die alten Tage der Stranglers aufgreift. Als minimalen Punkt zum Beanstanden wäre aus meiner Sicht nur, dass die ganz alten Songs teilweise um einiges rauer und schräger klangen, was aber dem Umstand geschuldet ist, dass diese alten Tracks in der Punk-Hochzeit Ende der 70er eben an die 40 Jahre zurückliegen. In der heutigen Zeit ist das ein klasse Album, welches im Gegensatz zu den letzten wieder eher back to the Roots geht. Bei den meisten Tracks war außerdem Dave Greenfield noch mit am Start, was man an der swingenden Orgel auch hört.

Wie sehr man die Musik der Stranglers vermisst hat, beziehungsweise welchen Stellenwert die Stranglers in der Musikwelt immer noch haben, sieht man an der Tatsache, dass Dark Matters schon kurz nach Erscheinen auf Platz Eins die Downloadcharts enterte, sich dort festkrallte, und die neuste Iron Maiden LP Senjutsu, sowie die Neuauflage von Metallica’s Black Album auf die Plätze verwies, was ja nicht die schlechtesten Referenzen sind.

4,5 / 5

The Stranglers – Dark Matters
Coursegood, 2021
CD: € 15,99
Vinyl: € 29,95

Track Listing
Water
This Song
And If You Should See Dave…
If Something’s Gonna Kill Me (It Might As Well Be Love)
No Mans Lands
The Lines
Payday
Down
The Last Men On The Moon
White Stallion
Breathe

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