Wenn man in der High School Frank Zappa kennenlernt und sich mit ihm anfreundet, was bleibt einem dann anderes übrig, als mit ihm gemeinsam Musik zu machen? Naja, das erste gemeinsame Stück, das man bereits 1958 geschrieben hatte, „Lost in a Whirlpool“, erschien zwar erst knapp 40 Jahre später auf einem Album, aber das tut ja nichts zur Sache. Zappa kennt man weithin, Don Glen Van Vliet ist einem etwas kleinerem Publikum ein Begriff, oder sollte man besser sagen: Er ist speziell und wird entweder absolut abgelehnt und vergöttert, dazwischen gibt es nichts. Man kann Captain Beefheart nicht nur „nett“ finden und ein bisschen mögen. Das nichtmetrische Timing regt viele auf, macht eher unruhig und nervös, als dass man mitgehen möchte. Die Songtexte, wenn man denn auf sie hört, sind kryptisch, könnten alles oder absolut gar nichts bedeuten und erscheinen manchem als Summe eines bunten LSD-Gedankenrausches gemischt mit Kafka auf Koks und der Bibel auf dem Weihrauchtrip. Aber tut man Captain Beefheart da nicht unrecht?
Meine erste Begegnung mit ihm war das augenzwinkernde Auflegen einer Platte durch LJ, der meinte, er spiele jetzt mal was absolut Schräges vor. Schräg war es, aber gleichzeitig mitreißend toll – und damit strafe ich das Klischee, der Captain sei nur was für Männer, Lügen. Das 1974 erschienene Album Unconditionally Guaranteed gilt als ein untypisches, sehr braves Album, das so wenig vom eigentlichen Beefheart Stil hat – und gerade deshalb einer breiten Masse eigentlich gefallen müsste.
„Upon The My O My“ bildet den Einstieg. Und ja, man hat eine sehr gemäßigte Version. Eingängiger Rhythmus und ein nettes Riff, das im Ohr bleibt. Man wippt automatisch mit, erkennt die Feinheiten, wenn plötzlich Flöten und Blasinstrumente einsetzen. „Sugar Bowl“ beginnt fast wie ein Banjo-Country-Song, der die Jungs von Brokeback Mountain hinter einem Fels hervorspringen lässt. Tanzbar, absolut. Mundharmonika, Saloons, Pferde, vielleicht auch schon etwas modernere amerikanische Autos, die wie riesen Schiffe über die Straßen gleiten, der Cowboyhut sitzt sicher auf dem Kopf und die Ladies schmachten den Fahrer an. Zu schnell vorbei, aber für den kleinen Film reicht es. „New Electric Ride“ scheint dann schon fast einen Umschwung einzuleiten, weg von den traditionellen Cowboys zu den neuen Großgrundbesitzern. „Magic Bee“ ist eine ruhigere Nummer, eher so die Ballade, gefällig, aber wenn man länger hinhört auf seine Art wunderschön. Bleiben wir bei der Romantik, „Happy Love Song“. Es gibt einen Part mit einem Saxophon-Solo und wer auch nur einen Funken Herz für Musik hat, hört hier eine wundervolle einsame Liebeserklärung heraus, „all night long“. Einer der schönsten und unbekanntesten Lovesongs ever! „Full Moon, Hot Sun“ bringt uns dann wieder raus aus der Romanze, das Leben geht weiter, tanzend. Es ist jetzt nicht das Anspruchsvollste aus dem Repertoire eines Captain Beefheart, aber es ist schön, es ist gefällig, macht nichts falsch. Ein bisschen Pop, ein bisschen Country, ein bisschen weichgespülter Blues – ohne in Trivialität abzudriften. Die immer wieder unerwartet einsetzenden Instrumente lockern auf und machen die Songs individuell und interessant. Über allem schwebt die dunkle, raue Stimme Van Vliets – irgendwo zwischen Tom Waits, Louis Armstrong und Lemmy gepaart mit Mick Jagger und mit weniger Whiskey.
„I Got Love On My Mind“. Wer da nicht den Takt mittrommelt, ist unmusikalisch wie ein Amboss, und selbst der hat Taktgefühl, naja und mitsingen kann man dann auch gleich. „This Is The Day“ beginnt so ruhig, so anders, so unerwartet. Müsste eigentlich jedem Pink Floyd-Fan gefallen. Langes Gitarrensolo, ohne jemals aus dem Mid-Tempo auszubrechen. Laut Spotify das mit Abstand am meisten abgespielte Stück der Scheibe. Kommt ja auch nicht von ungefähr. „Lazy Music“ ist weniger lazy, hat aber so was Trottendes an sich. Mit „Peaches“ schließt die Platte. Da wird es nochmal schneller, bricht aber auch nicht wirklich aus.
Ja, das könnte eine langweilige Scheibe sein. Unangefochtenes Midtempo irgendwo zwischen Pop, Country, Blues und gefälligem Beat. Man muss ganz klar sagen, dass Unconditionally Guaranteed gar nicht auffallen und gnadenlos untergehen würde im Output der Musikwelt 1974. Was aber besonders ist: Es ist ein Captain Beefheart Album und dafür ist es absolut außergewöhnlich. Rhythmisch, stimmig, musikalisch, gleichmäßig. All das, was man von ihm weniger kennt. Und doch driftet es nicht ab in Trivialität und birgt schöne Sequenzen und Songs, die den Hörer mitziehen. Hartgesottene Beefheart Fans können aber zurecht wenig damit anfangen, für sie ist es zu normal, zu konventionell und zu sehr das, was alle anderen machen. Wer Captain Beefheart in Reinform hören möchte, dem sei Trout Mask Replica ans Herz gelegt. Wer das hört … und es versteht … der weiß, warum Captain Beefheart genial war.
Don Glen Van Vliet widmete sich später der Malerei, nachdem er bereits als Kind als hochbegabt in dieser Kunst galt, seine Eltern ein Stipendium für ihn jedoch ablehnten. Er starb im Dezember 2010 an den Folgen Multipler Sklerose und hinterließ ein gewaltiges musikalisches Erbe, das immer noch verstanden werden muss.
Captain Beefheart and The Magic Band – Unconditionally Guaranteed
A1 – Upon the My O My
A2 – Sugar Bowl
A3 – New Eletric Ride
A4 – Magic Bee
A5 – Happy Love Song
B1 – Full Moon, Hot Sun
B2 – I Got Love On My Mind
B3 – This Is The Day
B4 – Lazy Music
B5 – Peaches
Don Van Vliet – Vocals, Harmonica
Zoot Horn Rollo – Guitar, Slide-Guitar
Alex Saint Claire – Guitars
Rockette Morton – Bass
Art Tripp – Drums, Percussion
Del Simmons – Saxofone, Flute
