Flashback 50 – Neil Young – On The Beach – Juli 1974


Mit „Heart of Gold“ und „Old Man“ als Hits gelang es Neil Young 1972 sowohl in USA als auch UK auf Platz 1 in den Charts zu landen. Der ruhige und durchaus mysteriöse Kanadier war diesen Erfolg doch relativ bald leid. Young liefert mit dem Album On The Beach am 16. Juli 1974 den ersten richtigen Studionachfolger von Harvest, nachdem ein Jahr zuvor mit Time Fades Away ein aus vollständig neuen Songs bestehendes Livealbum in den Verkaufsregalen stand. On the Beach ist, anders als das Cover vermuten lässt, die Antithese zur folkigen Harvest und ist sowohl inhaltlich als auch musikalisch härterer Tobak.

„Walk On“ eröffnet die Platte mit einer recht gut gelaunten crunchigen Gitarre und einer Reminiszenz von Herrn Young über die vergangene Zeit und die Meinung anderer über ihn, die ihn in gewohnter Art und Weise sehr wenig interessiert. Der Song wurde auf seiner Ranch in Kalifornien aufgenommen und hört sich auch genauso an. Die Slideguitar dominiert das Stück und passt auch stimmungstechnisch gut zum Cover des Albums – allein am Strand. Die losgelöste Stimmung des Openers wird kontrastiert von dem nachdenklichen Wurlitzer-lastigen „See the Sky about to Rain“. Levon Helm von The Band bearbeitet die Felle und Zimbeln und ist einer von vielen Promifreunden, die Neil auf seiner LP begleiten. CSNY-Kollege David Crosby unterstützt an der Gitarre auf meinem persönlichen Highlight, dem folgenden „Revolution Blues“. Thematisch wird hier die Manson-Family angeschnitten. Fünf Jahre nach den Tate-LaBianca Morden durchaus gewagt, findet auch Crosby, der sich später weigern wird, den Song live zu spielen. Musikalisch ist es ein ausdrucksstarker, kräftiger und vor allem gitarrenlastiger Blues, der aus der Sicht der Außenseiter, mit denen offenbar nicht gut Kirschen essen ist, geschrieben ist. „We got 25 Rifles just to keep the Population down“ markiert die deftigste Zeile des Albums.
Lyrisch und auch akustisch beeindruckend, und zusätzlich mit Crosby, Danko und Helm von The Band ist hier quasi eine Supergroup am Werk.

Wir nehmen etwas Aggressivität raus und fügen neben einem Banjo Neil Young’s langjährigen Kumpel Ben Keith hinzu, der grölend den Harmoniegesang gibt und erhalten mit „For The Turnstiles“ ein souliges kerniges Stück, welches den Eindruck erweckt, der Sound käme von der Veranda des Hauses gegenüber und nicht aus der Boxen der heimischen Stereoanlage. Genauso wie „Walk On“ ist die Aufnahme aus Young’s Heimstudio und nicht im Sunset Sound entstanden. Die Seite A wird mit einem weiteren Blues komplettiert. Dem „Vampire Blues“, um genau zu sein, der aus der Sicht eines Ölmoguls geschrieben ist, welcher der Erde sinnbildlich das Blut aussaugt. Ein grooviges Jammen mit einem nachdenklichen aktuellen Thema (Ölkrise 1973) klingt aus und verspricht einem, dass bessere Zeiten kommen werden…
Der Titeltrack „On the Beach“ leitet die zweite und vom Künstler selbst favorisierte Seite ein. Er klingt nicht gerade so, wie man das erwarten könnte mit Ausnahme vielleicht von dem Bongo-Sound. „On the Beach“ klingt melancholisch, sehnsüchtig und beschreibt die Schattenseiten des Rockstaralltags in einer dynamischen Ballade. Das „N“ in CSNY, Graham Nash, greift seinem Spielkameraden mithilfe eines Wurlitzer Electric Pianos unter die Arme und liefert mit subtil akzentuierten Akkorden die musikalische Unterlage für eine Young-typische Solopassage. Gedämpft verträumt und nachdenklich ist der nächste Song, der sich an die wackelige Beziehung zu seiner Freundin, der Schauspielerin Carrie Snodgress, richtet. Thematisch passend zum roten Faden des Albums gibt sich Neil Young desinteressiert bezüglich des Trubels und sehnt sich nach der Natur und dem Lächeln seiner Freundin und einem Neuanfang. Insbesondere die gefühlvolle Mundharmonika in Kombination mit der Akustikgitarre nimmt ein bisschen den Fuß vom Gas. „Motion Pictures“ hat etwas von Resignation. Die zuvor angeklungene Aggression ist abgeklungen. Die generell eher gedrückte Stimmung der Platte ist neben dem oben genannten ungewollten Erfolgswahnsinn um Neil Young nach Harvest auch dem Drogenmix zuzuschreiben, dem er und sein Kamerad Ben Keith im Kreativprozess gefrönt haben. Der auf den letzten beiden Songs Slide bzw. Fiddle spielende Rusty Kershaw, respektive seine Frau zeigt sich hierbei verantwortlich für eine interessante kulinarische-toxikologische Kreation. Eine Mischung aus Marijuana und Honig, genannt Honey Slides, in der Pfanne angebraten und mit einer heroinartigen Wirkung. Neil beschreibt den Sound der Platte wie Unterwasser ohne Luftblasen und das ergibt beim Hören Sinn. Mit dem legendären „Ambulance Blues“ wird ein dynamischer Ausklang für die Scheibe gefunden. Der Blues ist das Abschlussfazit an die Kritiker und an die Politik. Young trägt den Zuhörer durch einen mundharmonikalastigen und harten Folksong, der sich vom Gitarrenspiel an Bert Jansch orientiert, der neben Neil Young Gitarrenvirtuosen wie Jimmy Page, Nick Drake und Mike Oldfield beeinflusst hat.

Neben dem bereits erwähnten Konsumverhalten der den Sessions beiwohnenden Musikern und dem raschen Erfolg, trägt besonders der Umstand des Todes von Neil Young’s Freund Danny Whitten durch eine Drogen Überdosis im Jahr 1972 zu der düsteren Stimmung des Albums bei.

On The Beach gehört zur sogenannten Ditch-Trilogy, die aus drei äußerst depressiven Scheiben besteht:
1. Time Fades Away (1973)
2. On The Beach (1974)
3. Tonight’s The Night (1975)

Der in den Sand gefahrene Cadillac auf dem Cover ist sinnbildlich für On the Beach und Neil Young. Die Scheibe ist unerwartet hart und kritisch. Sie klingt roher und dunkler als man sich das von einem Tag am Strand vorstellen würde. Aber Strand hin oder her, das Album ist abwechslungsreich und sowohl lyrisch als auch musikalisch spannend. Heutzutage wird es verständlicherweise so rezipiert wie es sich gehört – als starkes Album.

Neil Young – On the Beach
A1 – Walk on
A2 – See thew Sky about to rain
A3 – Revolution Blues
A4 – For the Turnstiles
A5 – Vampire Blues
B1 – On the Beach
B2 – Motion Pictures
B3 – Ambulance Blues

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