Flashback 50 – George Harrison – Dark Horse – Dezember 1974


Die letzten Alben von Ex-Beatle George Harrison, vor allem das Meisterwerk All Things Must Pass, aber auch die 1973er Scheibe Living in a Material World waren absolute Topseller und haben weltweit die Chartspitze erklommen. In Amerika beide auf der Eins, im Heimatland UK All Things… auf Eins, Living… auf der Zwei. Nun galt es für den Silent Beatle dort weiterzumachen. Jedoch lief es privat alles andere als rosig. Die Beziehung zu seiner Noch-Frau Pattie Boyd war ziemlich angeschlagen, was sich durch folgendes intermezzo aus dem Jahr 1973 beschreiben lässt: Als Ronnie Wood von den Faces zu Gast war, und dieser auch nicht mehr so begeistert von seiner Krissie war, haben die Jungs sich dafür entschieden, die Zimmer zu wählen, in denen der Ehepartner des anderen steckte und im Anschluss daran diese auch mit in den Urlaub zu nehmen – Frauentausch quasi. 
Nach der Trennung von Pattie, die ein Jahr später mit Georges Freund Eric Clapton durchbrannte und 1979 auch seine Frau werden sollte, widmete sich Harrison anstelle von reiner Meditation und Spiritualität nun zunehmend den herkömmlichen Mitteln der Frustrationsbewältigung. Auch wenn das Albumcover dies nicht unbedingt auf den ersten Blick verraten sollte. Es zeigt weiterhin das vielverwendete „Om“ und den typischen indischen Touch mit einer Lotusblume und weist Parallelen zu Sgt. Pepper auf. Passenderweise zu diesem privaten Wandel in Harrisons Leben sieht man auf den Labeln der Seite B die Augenpartie seiner späteren Ehefrau Olivia, die ihn bald wieder aus der destruktiven Phase hinausmanövrieren sollte. Kurz nach ihrem ersten Treffen begann auch die gemeinsame Nordamerika Tour mit seinem Freund Ravi Shankar. Die Kritiker hatten jedoch diverse Aspekte zu beanstanden – zu viel indische Musik, zu wenig Beatles Songs (nur „Something“, „While my Guitar gently weeps“, „For you Blue“ und die LennonMcCartney Komposition „In my Life“) und eine zu angeschlagene Stimme von Harrison. Bei anderen fiel das Fazit deutlich positiver aus, sie lobten die Vielseitigkeit des Sets und die Spielfreude, aber zurück zur Platte. 

Die verwendete Formel des Vorgängers wurde beibehalten. Dark Horse ist von George Harrison selbstproduziert und wurde in seinem Homestudio namens Friar Park Studio Henley On Thames aufgenommen. An der LP sind eine Menge namhafter Musikerfreunde beteiligt, namentlich Ringo Starr, Billy Preston, Jim Keltner, Klaus Voormann, Nicky Hopkins, Gary Wright und erstmalig sowohl der erwähnte Ronnie Wood sowie der Ten Years After Frontmann Alvin Lee

Die Eröffnungsnummer leitet das Album passend zum wortverspielten Titel „Hari‘s on Tour (Express)“ ein wie ein Schnellzug. Dieses Slideguitar geprägte, bluesige und teilweise auch jazzige Instrumental haut zu Beginn schon mal gut rein. Gerade die Bläserarbeit von Tom Scott, welcher schon für Joni Mitchell und Randy Newman spielte, ist hervorzuheben. „Simply Shady“ nimmt ein wenig den Dampf raus und gibt einen nachdenklichen und trabenden Sound zum besten. Lyrisch behandelt er einen Absturz und ist durch seine dynamische und wechselhafte Melodie eine der stärksten Nummern des Albums. Die Rhythmusarbeit bei den beiden ersten Songs erledigten John Guerin an den Drums und Max Bennett am Bass. Bei „So Sad“ spielt George alle Gitarrenparts alleine und führt gemeinsam mit seinen Spielkameraden Nicky Hopkins am Piano und Ringo an den Drums durch diesen ebenfalls emotional dämpfenden Song. Die einzeln angeschlagenen Gitarrensaiten im Vers machen den Song filigran. Das nächste Stück ist eine Kombination aus Cover und Selbstkompostion. „Bye Bye, Love“ ist ursprünglich durch die Everly Brothers bekannt geworden, hat jedoch damit nur noch im entferntesten Sinn zu tun, da Harrison den Refrain zumindest textlich übernommen hat. Strophen und Melodien stammen aus seiner eigenen Feder und enthalten auch eine kleine Spitze an seine Noch-Frau und seinen Spezl. „I hope she’s happy – „Old Clapper“ too“ gemeint ist natürlich Eric Clapton. Den Abschluss der A-Seite macht „Māya Love“, ein Song, der wie Harrison selbst sagte, ursprünglich ein Slide Tune ist, auf den später der Text gefügt wurde. Der jamartige Sound wird verstärkt durch die klimpernden Finger Billy Prestons und den coolen Bass von Willie Weeks, einem amerikanischen Südstaatler, der schon für Gregg Allman und die Doobie Brothers die dicken Saiten gezupft hat.

Seite B wird von dem sehr eingängigen Track „Ding Dong, Ding Dong“ eingeleitet, der zwar leicht ins Ohr geht, aber auf dem Papier besser aussieht als er letztendlich ist. Mitgewirkt haben unter anderem Gary Wright von Spooky Tooth, Alvin Lee, Jim Keltner, Klaus Voormann und ein gewisser Mick Jones, der zwei Jahre später seine eigene Band Foreigner aus der Taufe heben würde. Diese hochrangingen Konsorten hätten ohne weiteres auch Nummern eines anderen Kalibers produzieren können. Nichtdestotrotz ein nettes Stück, passend zum Jahresende „Ring out the old ring in the new“. Der Titeltrack „Dark Horse“ selber ist da ein Song auf einem ganz anderen Level. Die mit einem Kapodaster ausgestattete Gitarre zum Start erzeugt wie bei „Here comes the Sun“ diesen fröhlichen höheren Sound, der dem Song, gepaart mit Georges kratziger Stimme die aus einer Kehlkopfentzündung resultierte, eine tolle Kombination gibt. Der Song kann als eine Kritik der Perzeption der Medien von George betrachtet werden. Harrison, der sich nun als Einzelgänger beschreibt. Mit der Harrison Komposition „Far East Man“, welche drei Monate zuvor in einer anderen Fassung auf Ronnie Woods erster Soloplatte I’ve Got My Own Album To Do herauskam, begibt George sich ins Fahrwasser von Steely Dan. Die Nummer hat viele Laid-Back Soulelemente. Zum Schluss der Platte kriegen wir auch den gewohnten spirituellen und von Indien begeisterten George. „Is it „He“ (Jai Sri Krishna)“ passt mit seinem Mantra-Stil zu den religiösen Stücken aus Harrisons Katalog wie seinem größten Hit „My Sweet Lord“ und „Give Me Love“. Der Song macht einfach nur gute Laune mit seinem sehr positiven Sound im Refrain, der als Loben und Preisen von Krishna und Radha übersetzt werden kann. Er ist ein interessanter Kontrast zu der zeitweise doch emotional etwas gedämpften Platte und hinterlässt den Hörer nun doch gut gelaunt. 

Auch wenn das Album nicht an die bisherigen Soloerfolge anknüpfen konnte, ist es definitiv eine schöne Scheibe. Die Kritik an der Stimme ist meines Erachtens ein wenig harsch, da es bei Georges Gesangsstil, der immer ein wenig durch die Zähne geht, gar nicht so stark auffällt und wenn dann sich passend in die Musik einfügt – siehe „Dark Horse“. Klar ist es nicht zwingend die beste Harrison Solo-LP, aber sie macht dennoch Spaß und hat einige besondere Stücke, die für mich absolut in jede Harrison-Essentials Liste gehören. 

George Harrison – Dark Horse 
A1 – Hari’s on Tour (Express)
A2 – Simply Shady
A3 – So sad
A4 – Bye Bye, Love
A5 – Māya Love
B1 – Ding Dong, Ding Dong
B2 – Dark Horse
B3 – Far East Man
B4 – It Is „He“ (Jai Sri Krishna)

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