FLASHBACK 50 – ROD STEWART – ATLANTIC CROSSING – AUGUST 1975


„I am sailing; I am sailing…“ – Diese Zeilen kennt nahezu jeder. Auch das im August 75 veröffentlichte Album Atlantic Crossing sieht man häufig auf Plattenbörsen, in heimischen Vinylregalen und auf Trödelmärkten feil geboten. Doch wie sieht das Album mit dem bekannten Cover hinter der erfolgreichen Single aus?

Rod Stewart ist nicht nur ein optischer Paradiesvogel, sondern auch trotz aller Exzesse, die teilweise auch lyrisch geschildert werden, ein pflichtbewusster Künstler. Um seine Stimme nicht zu gefährden, erzählte Rod in seiner Autobiografie, dass die Drogen zur Rekreation nicht notwendigerweise geschnupft werden müssen, sondern auch in handlicher Zäpfchenform ihre Wirkung tun. Wie man an der aktuellen Tour sieht, hält die Stimme trotz seines Lebenswandels nach wie vor. Aber zurück in die Vergangenheit…

Vor 50 Jahren gelang es Stewart sich zum bereits vierten Mal in den UK Album Charts an den Sonnenplatz zu setzen. Die Position sollte fünf Wochen gehalten werden. Insgesamt sollten es sogar sieben Wochen auf der 1 für Rod werden. Dazu Platin in der Heimat sowie erstmals veritable Erfolge in den USA und in Deutschland. Das Album markiert diverse Veränderungen in Stewarts Karriere, auch wenn der Erfolg sich erstmal als business as usual versteht. Der Albumtitel Atlantic Crossing bezieht sich auf die Aufnahmesessions, die erstmals die Londoner Stadtgrenzen verlassen sollten und über den großen Teich nach Amerika verlegt wurden – die Recordings fanden in New York, Los Angeles, Miami und Alabama statt. Wenn schon, denn schon. Ein weiteres Novum ist die Abwesenheit von Rods Spießgesellen aus Faces und Jeff Beck Group Zeiten, Ronnie Wood, der bis dahin immer auf Stewarts Alben zu hören war. Stichwort Alabama fällt da wieder zu ein, da die Session Musiker der Muscle Shoals Rhythm Section Stewart unterstützen. Zudem sind auch Booker T. & the M.G.‘s. zugegen. Jesse Ed Davis (John Lennon, Clark usw.), Fred Tackett (Little Feat) spielen Gitarre und David Lindley (Graham Nash, Jackson Browne, Ry Cooder) steuert Geige und Mandoline bei. 
Genauso wie sich das liest, klingt das auch. Ein satter und klarer Sound mit vielen Nuancen wird dem geneigten Hörer entgegen gepfeffert. Und zu guterletzt zeichnet sich die Scheibe durch ihre Unterteilung in eine schnelle und langsame Seite aus, welche sich auf den zwei folgenden Alben wiederholen sollte. Die Idee dahinter soll auf Rod Stewarts ehemalige Schauspieler-Freundin, das Bond-Girl Britt Ekland zurückzuführen sein. 

Die Fast Side geht gar nicht mal so schnell los. „Three Time Loser“ kommt eher laid back daher, mit sexuell gespicktem Text und mundgeblasener Unterstützung von The Memphis Horns mit einem schönen Saxophonsolo, welches sich über den reichlichen Klangteppich noch drauf setzt. Man hört hier schon viel raus und es klingt verdammt gut. „Alright For An Hour“ macht funky weiter mit schönem Stakkato Gitarrensound. Im letzten Drittel wird die ganze Geschichte nochmal ein wenig verspielter durch das zeitgemäße Unterlegen von Synthesizer-Klängen, die einen Touch Space ins Wohnzimmer holen. Mit Lied Nummer drei sind wir nun wirklich schnell unterwegs. „All In The Name Of Rock’n’Roll“ erinnert teilweise vom Phrasing an AC/DCs „It’s A Long Way To The Top“, welches Ende des Jahres erst das Licht der Welt erblicken sollte. Die Nummer geht richtig vorwärts mit Stewarts markanten Stimme und einer Band, die alles gibt. Es wird soulig durch die Bläser und das Gitarrensolo, das schon fast in Richtung Hard Rock geht, rundet die Nummer ab. „Drift Away“ nimmt den Fuß ein wenig vom Gas und führt einen mit dem verspielten Gitarrenintro mit auf eine Reise aus dem besungenen Regen weg an einen schöneren Art. Die zum Refrain hin aufkommende Dynamik nimmt den Zuhörer richtig mit. Zum Abschluss gibt’s mit „Stone Cold Sober“ ehrlichen Rock serviert, in dem sich abermals das Gitarrensolo mehr als hören lassen kann. Um noch kurz auf die Lyrik einzugehen, wird hier dem US-Präsidenten ein Essen mit Rod ausgeschlagen, weil er lieber mit seinen Kumpels einen heben geht. 

Auf der Slow Side fängts tatsächlich auch langsam an mit einer Nummer von Neil Youngs Kumpel und Crazy Horse Mitglied Danny Whitten. „I Don’t Want To Talk About It“ ging zwei Jahre später auf Platz Eins der UK-Singles. Kein Wunder, denn das filigrane Instrumental in Kombination mit Rods verrauchter und kratziger, aber dennoch gefühlvollen Stimme, sorgt für eine wirklich gelungene Ballade. „It’s Not The Spotlight“ klingt richtig amerikanisch und nach einer Session auf der Veranda mit einer schönen Mandolinenpassage von Kollegen David Lindley. Der Folgetrack „This Old Heart Of Mine“ ist eher von der schnulzigen Seite, was besonders von Background-Sängerinnen unterstrichen wird – insbesondere am Anfang, jedoch ist das Phrasing einfach zum Reinlegen, wie der Text mit Drum and Bass verschmilzt. „Still Love You“ kommt sehr behäbig aus der Kabine. Die Gitarre wirkt fast schon lustlos daher gespielt, doch danach nimmt das Stück schon mehr Fahrt auf und wird von David Lindley sowohl mit der Geige als auch mit einer wimmernde Mandoline akzentuiert. Den Abschluss macht der große Hit „Sailing“. Rod Stewart weigerte sich zuerst den Song als Singleauskopplung auszuwählen und hätte sich eher für ein selbstgeschriebenes schnelleres Stück wie „Three Time Loser“ entschieden. Der Erfolg gibt den Entscheidern jedoch Recht. Das von den Sutherland Brothers gecoverte Stück ging vier Wochen in der Heimat auf die Eins und bleibt bis heute Rods größter Erfolg. „Sailing“ greift thematisch natürlich das Thema des Albumtitels auf, nur in eine andere Richtung. Die große Rückkehr vom Segeln in den Hafen der Heimat. Die Freiheit und die Gefahren auf dem Ozean werden thematisiert und animieren den Zuhörer mit einzustimmen und sich schunkelnd auf die hohe See zu begeben. Pete Carr der Leadgitarrist der Muscle Shoals Rhythm Section steuert sowohl die filigran Akkorde herunterspielende Akustikgitarre bei, als auch das Solo im Mittelteil. Ein gelungener Abschluss, aber bei weitem nicht der Song, auf den das Album reduziert werden sollte. 

Rod Stewarts Sound ist im Laufe seiner Karriere sehr variabel und dem Zeitgeist und der Mode angepasst. Der soulige und bluesige Rod aus der Anfangszeit hält sich hier größtenteils zurück und setzt seine Stimme für sanften und gefühlvollen Rock ein. Atlantic Crossing hat musikalisch viel zu bieten und macht sehr viel Spaß. Es ist ein poppiges Album mit viel Charakter und einer sehr ausgeklügelten und opulenten Produktion. Vielleicht eine seiner besten Scheiben. 

Rod Stewart – Atlantic Crossing
A1 – Three Time Loser
A2 – Alright For An Hour
A3 – All In The Name Of Rock’n’Roll
A4 – Drift Away
A5 – Stone Cold Sober
B1 – I Don’t Want To Talk About It
B2 – It’s Not The Spotlight
B3 – This Old Heart Of Mine
B4 – Still Love You
B5 – Sailing

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