Monster: Die Geschichte von Ed Gein ist eine starke und ambitionierte Ergänzung der True-Crime-Anthologie von Netflix, die weit mehr sein will als eine reine „Biopic“-Erzählung. Die Serie untersucht nicht nur die grausame Realität von Ed Geins Taten, sondern auch, wie diese realen Geschehnisse zu Mythen wurden – in Filmen, Literatur, Musik – und wie sie die Popkultur bis heute prägen.
Die Staffel besteht aus acht Episoden und erzählt, wie aus dem zurückgezogenen Farmer Ed Gein in den 1950er Jahren jemand wird, dessen Lebensgeschichte in ihren Extremen sowohl fasziniert als auch abstößt. Denen, die die vorherigen Monster-Staffeln gesehen haben, wird das vertraut sein: detailreiche Rückblicke, psychologische Belastungen, familiäre Verflechtungen – besonders die Beziehung zu seiner dominanten Mutter, Augusta, die in der Serie als Schlüsselfaktor für Geins Weltbild gezeichnet wird.
Was die Serie besonders macht, ist, dass nicht nur die Tatnacht, der Fund des Hauses des Grauens oder die Morde geschildert werden, sondern auch die Auswirkungen: Wie wirken Geins Verbrechen weiter? Welche Einflüsse hatten sie auf das Horrorkino – Figuren wie Norman Bates (Psycho), Leatherface (The Texas Chainsaw Massacre) oder Buffalo Bill (Das Schweigen der Lämmer) beruhen auf Elementen, die Geins Geschichte mitprägten. So werden Hitchcocks Dreharbeiten zu Psycho und das Entsetzen der Kinobesucher ausführlich geschildert, ebenso wie die Entstehung von Texas Chainsaw Massacre.
Die Serie nimmt sich Zeit, den Mann hinter dem Monster zu zeigen – seine Isolation, seine Visionen, seine psychischen Belastungen, seine obsessive Bindung an seine Mutter. Das ist kein simpler Horror-Schock-Moment nach dem anderen, sondern das Bild eines Menschen, der in einer Zerrissenheit lebt, die verstörend, aber nachvollziehbar ist.
Die visuelle Gestaltung, Set-Design und Kostüme schaffen den Zeitgeist der 1950er in ländlichem Wisconsin sehr glaubwürdig und beklemmend. Spießertum, Religiosität und der Wunsch nach Ausbruch der Jugend sind förmlich greifbar. Charlie Hunnam in der Titelrolle trägt einen Teil dieser Last: Man sieht ihm an, wie sehr er versucht, die Zerrissenheit und das Unheimliche in Ed Gein hervorzuheben – nicht bloß das Monströse, sondern auch das tragisch Menschliche. Auch Laurie Metcalf als Augusta Gein wird in ihrer Rolle als dominierende Mutterfigur ein starker Gegenpol, der Geins psychischen Raum mitprägt.
Man darf sich nicht davon irritieren lassen, dass hin- und hergesprungen wird zwischen Fiktion, historischen Fakten und Zukunftsmusik. Gein, der neben der emotionalen Abhängigkeit der Mutter zerrissen war zwischen körperlicher Begierde, religiöser Enthaltsamkeit und brutaler Zügellosigkeit, verliert sich oftmals in seinen Wahnvorstellungen. Seien es Comics aus der NS-Zeit mit starken, dominanten Frauen oder die Unterwürfigkeit seiner Mutter gegenüber, die lange nach ihrem Tod noch Macht über ihren Sohn hat. Gein, der als Vorbild in Film und Musik Figuren geprägt hat.
Monster: Die Geschichte von Ed Gein ist eine starke, eindrucksvolle Serie, die über das Horror-Genre hinausdenkt. Sie bietet nicht nur die Geschichte eines der berüchtigtsten Verbrecher der US-Geschichte, sondern reflektiert auch, wie Schrecken, Trauma und Tabu kulturell verarbeitet werden – in Filmen, in Mythen, in der Literatur. Gerade diese Metaebene macht sie reizvoll und relevant: sie lädt ein, nicht nur zu schauen, sondern zu verstehen, was aus realen Abgründen in unsere kollektive Vorstellungskraft gelangt.
Wer bereit ist, sich auf Unbehagen, auf Ambivalenz und auf eine düstere, aber nie sensationslüsterne Erzählung einzulassen, wird hier mit einer Serie belohnt, die lange nachwirkt. Einige erzählerische Freiheiten mögen manche stören – aber sie sind oft das Mittel, das genommen wurde, um nicht bloß zu schockieren, sondern ein Porträt zu zeichnen, das auch Fragen stellt: Wie entsteht ein Monster? Wo beginnt der Mythos – und wie sehr beeinflussen wir ihn selbst?
Insgesamt: Monster: Die Geschichte von Ed Gein gehört zu den Serien, die man nicht einfach nebenbei schaut. Sie fordert, sie provoziert, sie lässt einen zurück mit Bildern und Gedanken, die man so schnell nicht vergisst.
5/5
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Monster: Die Geschichte von Ed Gein
Netflix, 2025
8 Folgen
