Flashback 50 – Queen – A Night at the Opera – November 1975


Is this the real life? Is this just fantasy? Caught in a landslide, no escape from reality„.
Wer kennt diese Zeilen nicht? Kaum ein anderer Song von Queen hat einen ähnlichen Bekanntheitsgrad wie „Bohemian Rhapsody“, außer vielleicht noch „We are the Champions“, welches auf unzähligen Sportveranstaltungen zwangsgebraucht wird. Und nicht von ungefähr wurde „Bohemian Rhapsody“ auch zum Titel einer filmischen Biografie, einem Biopic, in dem der amerikanische Schauspieler Rami Malek Freddie auf grandiose Weise verkörpert. Das dazugehörige Album A Night at the Opera aus dem Jahr 1975 dürfte auch das meistgewünschte Album der Londoner Gruppe sein, wenn es um eine Schallplatte für eine eigene neue Plattensammlung geht. Aber sind wir doch mal ehrlich … Welche Songs außer „Bohemian Rhapsody“, „You’re my best Friend“, „Love of my Life“ und vielleicht noch „’39“ kennen die meisten denn sonst noch davon? Trotz der unzähligen Rezensionen anlässlich des 50. Jubiläums des Albums.

Wollen wir uns das Album und dessen Geschichte einmal näher betrachten. 1970 wurde aus den 1968 gegründeten Smile die Band Queen. Ihr erstes Album 1973 warf noch keinen Hit ab, erst mit dem Folgealbum Queen II von 1974 und dem im November gleichen Jahres erschienen Sheer Heart Attack rückte die Gruppe in die britischen Charts vor, sowohl mit dem letzten Album als auch der darauf enthaltenen Single „Killer Queen“ immerhin schon auf Platz zwei. Die Plattenfirma EMI und das Management verlangten auch schon bald einen ähnlich erfolgreichen Nachfolger. Mercury kam mit einigen bruchhaften Skizzen einer wahren Rockoper daher und der von der Band ausgearbeitete Rohentwurf wurde als viel zu kompliziert und nicht dem aktuellen Zeitgeist entsprechend sofort von der EMI abgelehnt, auch weil sich der Song mit fast sechs Minuten Länge weit länger als das gängige Singleformat darstellte. Queen sollten den opernhaften Mittelteil komplett streichen. In der Nähe der Scorpion Tonstudios war Capital Radio beheimatet, und der dortige Radio-DJ Kenny Everett spielte das Demoband an einem Wochenende satte 14 mal im Radio. Alle Telefonleitungen liefen heiß – alle wollten „Bohemian Rhapsody“ haben und hören. Das überzeugte auch die Plattenfirma, und am 31. Oktober 1975 wurde „Bohemian Rhapsody“ in voller Länge mit der Rückseite „I’m in Love with my Car“ als Vorabsingle zum neuen Album veröffentlicht. Im November kletterte die Single auf Platz Eins der Charts und hielt sich volle neun Wochen an der Spitze. Am 21. November erschien dann das neue Album A Night at the Opera.

Das Album beginnt mit einem etwas bedrohlich wirkendem Piano-Intro, das sich bestens für eine Stummfilm Vertonung eignen würde, ehe nach gut einer Minute der Strophenteil einsetzt der den Song zu einem Rocksong wandelt. „Death on two Legs (Dedicated to…)“ wurde von Freddie Mercury geschrieben, und ist ihrem damaligen Manager Norman Sheffield gewidmet, der sie ihrer Ansicht nach übervorteilte, ihnen zu wenig Geld vom Erlös und für Aufnahmen gab. Das war auch der Grund für die Trennung von Sheffield. Charakteristisch für den Queen Sound war damals schon der harte Gitarrenrock in Verbindung mit dem vollen, teilweise opernhaften Chorgesang der Band. Das folgende „Lazy on a Sunday Afternoon“, ebenfalls von Mercury geschrieben, dauert nur eine kurze Minute und beschreibt auf eine slapstickhafte Weise den Ablauf einer Woche mit dem abschließenden Faulenzen am Sonntagnachmittag.

Männer und ihre Spielzeuge … So könnte man das Thema des dritten Songs am besten beschreiben. Wer sonst außer einem Mann würde auch solche Zeilen wie „Die Maschine eines Traums. So eine saubere Maschine mit den Kolben, die pumpen, und den Radkappen, die glänzen“ in einen Liedtext verpacken? Roger Taylor, der Schlagzeuger war ein Autonarr, und vertonte seine Begeisterung für seinen damaligen Alfa Romeo auf eine grandiose harte rockige Weise. Taylor war so begeistert von seinem Song, dass er ihn unbedingt als Rückseite für „Bohemian Rhapsody“ durchsetzte – Auf der LP ein kompletter Kontrast zum vorherigen Slapstick-Geplänkel. Das tongebende Instrument auf dem vom Bassisten John Deacon geschriebenen Liebeslied für seine Frau Veronica Tetzlaff, „You’re my best Friend“ ist ein von Deacon im Studio selber gespieltes Wurlitzer E-Piano. Dieser ureigene markante Ton des Wurlitzer wurde in der Musikgeschichte zu einem oft verwendetem Stilmittel. Pink Floyd, Ray Charles, Steely Dan, Supertramp, Tom Petty, Three Dog Night, Small Faces, Carpenters, Marvin Gaye oder Joni Mitchell machten ihre bekanntesten Songs mit Hilfe eines Wurlitzer E-Pianos zu Millionensellern. Brian May, der Gitarrist studierte vor seiner Musikkarriere Astrophysik, und einen seiner Träume von einem Zeitreisenden verpackte er seinen Song „’39“. Inspiriert von Albert Einstein und seiner Relativitätstheorie und der Raum/Zeit Krümmung handelt der Song von einem Astronauten, der bei der Rückkehr feststellen muss, dass seine Frau schon seit Jahren tot ist. Während seine eigene Lebenszeit nur ein Jahr fortgeschritten ist, sind auf der Erde 100 Jahre vergangen. May schrieb den Song in einem fast country-folkigem Rhythmus hauptsächlich für eine Akustikgitarre und singt auch selber. John Deacon benutzt dazu im Studio einen Kontrabass. Queen spielen den Song heute noch oft auf Konzerten. May wandelt „’39“ live bei Konzerten oft in Verbindung mit „You’re my best Friend“ zu einer Hommage an seinen verstorbenen Freund Freddie Mercury. Im Gegensatz dazu kommt das folgende „Sweet Lady“ mit wesentlich härteren Klängen aus May’s Red Special daher. Der Song handelt von einem Beziehungsstreit zwischen Mann und Frau. Zwei Strophen lang schimpft die Frau auf ihren Mann, während dem Mann nur die dritte Strophe zur Beschwichtigung bleibt. Im Gesamten betrachtet ist es der härteste Song auf A Night at the Opera. Wenig schmeichelhaft für die männliche Spezies. Ein klimperndes Klavier zu Beginn von „Seaside Rendezvous“ ist ein ziemlich eindeutiges Merkmal, dass der Song aus der Feder von Mercury stammt. „Seaside Rendezvous“ ist ein Lied voller humoristischen Momenten. Es beschreibt eine Verabredung am Strand, die freudige Anspannung eines Rendezvous zwischen zwei Menschen und ist zugleich der Abschluss der ersten LP-Seite.

Die zweite Seite beginnt mit einem Track, der brandaktuell von der Bedeutung ist. Brian May hatte einen Alptraum, in dem ein Seher vor einer aufkommenden apokalyptischen Flut warnt, die Menschen aber nicht auf ihn hören. Thematisch hadert May mit der Tatsache, dass die Menschen untereinander viel zu wenig miteinander sprechen. Jeder ist sich selbst der Nächste, die Gemeinschaft, das Miteinander wird zu oft außenvor gelassen. Im Song wechselt der härtere Refrain oft mit A-Capella Passagen ab. Im Studio wurde Mercurys Stimme mit Hilfe von Echo und Hall so verfremdet, so dass aus Freddies Gesangslinie ein Trio aus sich selber wurde. Wenn man die musikalische Genialität, die Abwechslungen, Melodiebögen, Wandlungen im Song von „The Prophet’s Song“ dem Megahit „Bohemian Rhapsody“ gegenüberstellt, zeigt sich eindeutig, dass beides musikalische Genialitäten sind. Da steht ein Song dem anderen in nichts nach. Leider wurde nur einer zum erfolgreichen Hit, während der andere ein Schattendasein fristet. Das leise Outro, welches ähnlich wie das Intro nur mit akustischer Gitarre gespielt ist, wandelt sich ohne Übergang in ein balladeskes Klavierintro, über welches einen Song einleitet, der bei den Fans einen riesigen Stellenwert einnimmt, und deshalb auf den meisten Queen-Konzerten ein fixer Bestandteil der Setlist ist. „Love of my Life“, von Freddie Mercury geschrieben, ist eigentlich kein Liebeslied wie der Titel vermuten lässt, sondern handelt vom Herzweh, der Zerrissenheit, die einen anfällt, wenn eine Beziehung in die Brüche geht. Mercury hat das Lied seiner damaligen Freundin Mary Austin gewidmet, als offensichtlich wurde, dass Freddie sich seiner Homosexualität bewusst wurde und diese nicht länger verbergen konnte. Als stilprägendes Element kommt hier eine Harfe zum Einsatz. Beim folgenden „Good Company“ aus der Feder von Brian May, im Dixieland-Stil gehalten, war Freddie Mercury überhaupt nicht an den Aufnahmen beteiligt. Der Track beschreibt, was passiert, wenn man sich zu sehr auf seine Arbeit konzentriert und Freundschaften vernachlässigt.

Nun steht er vor uns – der Monolith, der Megahit, einer der größten Songs der gesamten Musikgeschichte. „Bohemian Rhapsody“ jetzt aufzudröseln und zu beschreiben, hätte die gleiche Wirkung, als wenn ich schreiben würde, dass manche Äpfel grün sind und andere rot. Freddie lässt in der Bedeutung des Songs die Hörer bewusst im Unklaren. Am ehesten erscheint die Deutung in der Richtung, dass Freddie sein ureigenes inneres Chaos des Bewusstwerdens seiner Bisexualität, seines Coming-Outs versuchte in Töne zu packen, seinem Gefühlschaos einen musikalischen Rahmen zu geben. Allein für die Aufnahmen zu „Bohemian Rhapsody“ nutzte man neben den Olympic Studios, in denen die meisten Recordings stattfanden, fünf weitere Tonstudios. In den Rockfield Studios 1, Roundhouse, Sarm Studios, Scorpio Sound und Wessex Sound Studios entstanden mehr als 180 Overdubs, was den Song zur teuersten und langwierigsten Rock-Produktion der damaligen Zeit machte. Die gesamten Kosten für A Night at the Opera betrugen seinerzeit 45.000 britische Pfund Sterling, was inflationsbereinigt heutigen 580.000 Euro entsprächen. Als Produzent war wie schon bei den Alben zuvor Roy Thomas Baker verantwortlich, als Toningenieure saßen Mike Stone, Gary Lyons und Geoff Workman hinter den Mischpulten.

Queen waren Engländer durch und durch und dadurch auch ihrer Monarchie und Queen Elizabeth hörig. Als stolzer Engländer schrieb Brian May als Abspann für die LP eine musikalische kurze Adaption der englischen Nationalhymne „God save the Queen“, mit der Queen seitdem fast alle ihre Konzerte beschließen.

Queen hatten es endgültig geschafft. Satte 50 Wochen verblieb das Album in den britischen Charts mit der Sptizenposition Platz Eins. Aber nicht nur im Vereinigten Königreich, sondern auch in vielen Ländern weltweit erreichte das Album hohe Positionen und Verkaufserfolge. Mit „You’re my best Friend/’39“ warf das Album auch noch eine zweite erfolgreiche Singleauskopplung ab. Insgesamt wurde bis heute an die 4,7 Millionen Exemplare von A Night at the Opera verkauft. Das Schwester-Album von 1976, A Day at the Races erklomm wie auch das nachfolgende News of the World ebenfalls die Spitzenposition der Charts. Die Titel von A Night at the Opera und A Day at the Races stammen von Filmtiteln der Marx Brothers. Queen waren endgültig im Olymp angekommen und behielten ihren herausragenden Status bis zum tragischen AIDS-Tod von Freddie Mercury im Jahr 1991 bei.

Queen – A Night at the Opera
A1 – Death on two Legs (Dedicated to…)
A2 – Lazy on a Sunday Afternoon
A3 – I’m in Love with my Car
A4 – You’re my best Friend
A5 – ’39
A6 – Sweet Lady
A7 – Suicide Rendezvouz
B1 – The Prophet’s Song
B2 – Love of my Life
B3 – Good Company
B4 – Bohemian Rhapsody
B5 – God save the Queen

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