Rezension: Timur Vermes – Er ist wieder da


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Berlin, August 2011: Er wacht auf und wird nicht erkannt. Die Leute lachen oder gehen verstört weiter. Was ist nur los? Ein Zeitungskioskbesitzer gewährt ihm Unterschlupf und vermittelt ihn schließlich an eine Agentur, die ihn zum Star macht, zum neuen Helden am Comedy-Himmel – dabei meint der Protagonist alles ernst und findet sich recht bald mit Technik, Mentalität und den befremdlichen Lebensumständen ab. Er ist wieder da, er ist Adolf Hitler!

Dieses Hörbuch kauft man mit gemischten Gefühlen. Darf man darüber lachen, dass der Diktator wieder auftritt und sein Gedankengut unter dem Deckmantel einer Comedyshow verbreitet? Darf man lustig finden, wie er über Ausländer, Jugend und Politik spricht? Wie spricht er eigentlich darüber?
Zu Beginn blickt man sich verstohlen um, auch wenn man alleine ist und eigentlich grinsen könnte, man tut es noch nicht. Nein, Hitler ist nicht lustig – doch spätestens als er in der türkischen Reinigung steht, muss man einfach laut loslachen.
Vermes hat eine sehr zynische Art, das Comeback des Diktators zu beschreiben und schafft es dabei, gefährlichen Fragen und Themen aus dem Weg zu gehen. Die Frage, warum Hitler mitten im Berlin von 2011 erwacht, wird nicht geklärt. Darum will er sich später kümmern, für diesen Moment hat er andere Probleme. Auch das Thema Juden wird eigentlich respektvoll behandelt. „Das Judenthema ist nicht witzig!“ Da sind sich Hitler und die Dame der Agentur einig. Dass beide Unterschiedliches damit meinen, spielt keine Rolle. Es ist nicht witzig, Punkt, damit ist alles gesagt.
Vermes macht aber mehr, er schaut uns auf die Finger und kritisiert eigentlich die Gesellschaft, die alles hinnimmt, wenn es der Unterhaltung dient. Hitler, den alle nur für einen perfekten Schauspieler mit ausgezeichneten Geschichtskenntnissen halten, wird zum Medienstar, gefeiert bei Radio, TV und im Internet. Er wird zum gefeierten Promi und immer mehr spricht er, der kein Blatt vor den Mund nimmt, dem Volk aus der Seele, sagt das, was sich anscheinend keiner zu sagen traut. Langsam baut ein neues Imperium auf, wird gehört, hat es viel leichter durch das Internet und die Entertainment-Sucht der Gesellschaft, die das Hirn ausgeschaltet zu haben scheint.
Wenn man sich einmal zurückzieht, kann man tolle Studien treiben und ja, er hätte Chancen, dieser Comedian Hitler. Ist das erschreckend? Durchaus, wenn man bedenkt, dass Halbwissen damit verknüpft ist. Aber wer nun meint, dass Vermes die Deutsche Geschichte nicht kennen und mit Füßen treten würde, der irrt. Vermes hat Geschichte und Politik studiert, ist als Journalist und Ghostwriter tätig und schaut belustigt und vielleicht auch ein bisschen ängstlich der Wandlung der Gesellschaft zu.
Er ist wieder da, Hitler als Medienmagnet, Comedian, Intrigant. Das ist lustig, das ist sehr gut gelungen und ein tolles Hörbuch, zumal kein Geringerer als Christoph Maria Herbst, u.a. bekannt als Stromberg den Text spricht und stimmgewaltig die herrlichsten Wandlungen durchmacht. Kein anderer wäre derart prädestiniert für diese Sprechrolle gewesen!
Darf man lachen? Ja – und sich gleichzeitig fragen: Wenn er zurückkehrte, was würde man tun?


Timur Vermes – Er ist wieder da
Bastei Lübbe, 2012
Hörbuch, gesprochen von Christoph Maria Herbst, 400 min,  14,99 €, Amazon

Hardcover, 400 Seiten, 19,33 €, Amazon

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