Manchmal ist es gut, nicht genau wissen, was einen auf einem Konzert erwartet. Vielleicht würde man nicht hingehen – und eindeutig etwas verpassen.
Es ist nicht ganz praktisch, dass alle in der Arena sitzen, da geht viel verloren und nicht unbedingt alle gehen so mit wie sie könnten.
18 Minuten zu spät treffen wir ein und uns empfangen Gitarrenklänge vom Feinsten. Ausgefeilte Riff, die sofort ins Ohr gehen und mich mitziehen. Das ist schon hörenswert, auch wenn selbst nicht ganz zu schätzen weiß, wer da vorne steht. Zwischen Gesang und instrumentalen Songs wird brav abgewechselt. Wenn es nur Piano, Gitarre, Schlagzeug und Geige gibt, wird der fehlende Gesangt mit einer scheinbar gigantischen und teils eher übertriebenen Lightshow kompensiert. An diesem Abend ist mir das hin und wieder zu viel, aber im Großen und Ganzen weiß ich doch sehr zu schätzen, was da geboten wird.
Manches erinnert an die 1980er Jahre, die Gitarren sind ein wahrer Genuss und man hört sehr gerne zu. Ansagen gibt ekeine, dafür mal ein gesprochenes Intro, das mit Flammen im Hintergrund etwas Höllisches an sich hat und es geht passenderweise auch ums „Beast“. Die Darbietung hat plötzlich einen Musicalcharakter und der Sänger bringt den Text so genial rüber, dass ich plötzlich eine Gänsehaut bekomme. Auch wenn ich nicht hinsehe kann ich fühlen, was er singt und erzählen möchte. Wundervolle und beeindruckende Darbietung. Zwischendurch hört man die Streicher, die alle etwas drauf haben, und die Bühne entwickelt sich durch die Lichtffekte zu einem wahren Vorhof der Hölle, wie man ihn sich eben vorstellt.
Da ich wie gesagt nicht wusste, was mich erwartet, bin ich sehr überracht und überaus begeistert. vor mir stehen plötzlich grandiose – und wieder andere – Sänger, die nicht einfach nur normale Rocknummern ins Publikum schmettern, sondern gekonnt ein Musical aufführen. Immer wieder übernehmen die Gitarren die Führung, was ziemlich mitreißt. Der Chor kommt auf die Bühne in langsamen und angemessenen Schritten – ebenso würdevoll verschwindet er auch wieder.
Während mich die Sängerin, die nun da vorne steht, nicht durch ihre übertriebende und unpassende Gestik überzeugen kann, packt sie mich aber mit ihrer fantastischen Stimme, die wirklich durch Mark und Bein geht. Die Violinistin, die folgt, fasziniert durch die Performance, da sie über die Bühne fliegt und scheinbar fehlerfrei ihre Parts spielt. Zusammen mit Gitarre klingt die ebenso toll wie solo und löst Begeisterungsstürme aus. Immer wieder wird das Publikum zum Mitklatschen aufgefordert, kommt dem aber nur kurz nach. Die Backgroundsängerinnen setzen ihre Körper perfekt in Szene und ich kriege nur mit, dass der für mich namenlose Schwarzhaarige wieder singt. Etwas rau, aber ziemlich gut. Ehrlich gesagt verliere ich recht schnell den Überblick, wie viele Musiker nun definitiv dabei sind. aber das ist sowieso egal, denn es zählt nut die Darbietung und die ist perfekt. Man scheint auf einer Reise durch Genres und Zeit zu sein. Immer wieder Neues, immer wieder Anderes. Zwischendurch gibt es Klassik, die ebenso kraftvoll ist und alles andere als deplatziert wirkt. Rock und Klassik vertrage sich eben doch super.
Schön sind auch die stillen Songs, bei denen es nur die Sängerin mit einer wirklich starken Stimme gibt und dazu eine leise Gitarre. Das Licht ist gedimmt, ein leichtes Blau, das sehr schön passt. Dadurch hört man aber umso genauer, dass ein Rockerpapa seine beiden Kinder anschreit, sie hätten ihm den ganzen Abend versaut. Dabei schiebt er sie hinaus. Die beiden sehen für ein solches Konzert zu jung aus – von der Uhrzeit mal ganz zu schweigen.
Wer im Brachground singt, bekommt auch mal seinen großen Auftritt als Fronter. Das hat etwas Faires an sich und zeigt gleichzeitig, welche Klasse dort aufgefahren wurde. Eine Blonde klingt sehr nach Doro und sieht ihr auch ähnlich und die Feuersäulen im Hintergrund verstärken den Eindruck noch mehr.
Choreographisch scheint man recht einfallslos gewesen zu sein. Jede Frau macht die gleichen Bewegungen in fast jeder Szene und wirft den Kopf auf die gleiche Weise nach links, rechts und vorne. Hinschauen muss man deswegen nicht mehr, denn das wird irgendwann doch langweilig.
Dafür steht dann eine der tollsten Stimmen auf der Bühne, die ich je gehört habe. Tief, rau und mit einer absoluten Gänsehautgarantie. Ein bisschen hat der Sänger was vom großartigen Tom Waits. Nur vom Klavier begleitet im blauroten Licht und schließlich mit etwas Schlagzeug und im Gitarre im Hintergrund, leuchten Sterne auf. Romantik pur, ohne dabei kitschig zu sein. Sehr positiv ist auch, dass er eigentlich gar nicht performt, sondern nur dasteht und singt. Aber er muss auch gar nichts anderes machen, denn er brilliert mit seiner Stimme und ich frage mich, wo ich ganze CD von ihm herkriegen könnte. Es fehlen wirklich nur noch die Feuerzeuge und dass ER IHR einen Antrag macht. Da sagt jede Frau sofort ja.
Wiederum gibt eine kurze Tanzeinlage, dann jagt die Violine wieder los, begleitet von Klavier, Gitarre und Drums. Passend zur Musik steigen Feuersäulen auf. Es scheint wie das grande finale. Die Halle tobt. Kaum einer kann sich auf dem Sitz halten, und es ist stark, als der Sänger sagt: Ich liebe Deutschland! Danach wird der erste Teil der Mannschaft vorgestellt und bejubelt. Es ware schließlich tolle Auftritte und ein unvergessliches Konzerterlebnis. Dann folgt wieder eine Ballade, die mir das Wasser in die Augen treibt.
Es folgte eine perfekte Carl Orff Adaption. Die Lichter bilden ein Inferno. es wäre ein toller Abschluss, aber noch ist es nicht vorbei. Wir bleiben bei Feuer und Klassik, Grieg kommt unbeschreiblich mitreißen adaptiert. Schnell und langsam im Wechsel mit herrlich kreischenden Gitarren. Großartig wie es nicht besser sein könnte, perfekter Rock mit harten Tönen und Klassik verbunden, die alles ist, aber nicht langweilig oder zahm. Man spürt schließlich sogar die Bässe, die durch Mark und Bein gehen – und es scheint, als wollten sie nie aufhören.
Es ist eine halbe Stunde her, dass die erste Hälfte der Mitwirkenden vorgestellt wurde, nun ist der rest dran und wird ebenso bejubelt.
Da während des gesamten Konzerts Ansagen fehlen, fällt es teilweise schwer, dem Ablauf zu folgen. Man weiß nicht, ob noch etwas kommt oder ob es das jetzt schon gewesen ist – immerhin wurde schon mehr als zwei Stunden ohne Pause gespielt. Aber man freut sich auch darüber, dass es noch weitergeht, dass rasantes Klavierspiel ertönt, das dem Kenner sofort die Namen verschiedener Komponisten ins Gedächtnis ruft. Der Pianist ist einmaligt, jagt über die Tasten, gibt alles, laut, leise, schnell, langsam, wieder ransat. Es ist ein meisterliches Spiel.
Schließlich wird die Nationalhymne angespielt, leider steht aber niemand auf. Zu sehr schämt sich der Deutsche seines Landes und seiner Staatszugehörigkeit. Es folgt nun wirklich das große Finale. alle stehen auf der Bühne, singen, spielen, tanzen. Feuer schießt noch mal an die Hallendecke und im Hintergrund werden zig Bilder gezeigt, die sich immer wieder abwechseln.
Es war ein unvergesslicher Abend mit tollen Musikern und einem atemberaubenden Konzert. Wer nicht bei einem der wenigen Termine in Deutschland dabei sein konnte, hat definitiv was verpasst.