Film: Sein letztes Rennen


Paul Averhoff war ein legendärer Marathonläufer, der mittlerweile in die Jahre gekommen und um den es ruhig geworden ist. Seine Frau Margot hat ihm stets treu zur Seite gestanden. Doch nun sind die besten Jahre vorüber, das Alter hat Spuren hinterlassen und bald merkt das Ehepaar, dass es alleine nicht mehr geht – auch wenn die beiden mit aller Macht versuchen, sich gegen die Tochter zu wehren, die sie schließlich in ein trostloses Altenheim abschiebt, das den Bewohnern ein Leben vorschreibt, das diese gar nicht führen wollen. Basteln sollen sie, singen und das mittelmäßige Kantinenessen herunterwürgen. Paul will sich damit nicht abfinden und noch einmal das Leben spüren …

Paul Averhoff wird gespielt von Dieter Hallervorden, den man aus lustigen Sketchen kennt und mit dem Generationen von Fernsehzuschauern gelacht haben. Legendär ist „Palim, palim“, die „Flasche Pommes“ und einiges anderes, an das man sich gerne erinnert und das immer noch ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Nun aber spielt Hallervorden Paul Averhoff, einen ehemaligen erfolgreichen Marathonläufer, der sich so gar nicht an das kalte und triste Leben im Altenheim gewöhnen kann. Er will nicht alt sein, er will nicht in diesem Heim leben, in dem ihm sämtlicher Lebensmut gewaltsam entrissen werden soll. Er will nicht basteln, jeden Tag dämliche Kastanienmännchen für das Herbstfest – und dann etwas anderes für das Frühlingsfest, etwas für das Sommerfest, wieder etwas für das Herbstfest. Schnell wird klar, dass hier nicht mehr gelebt wird, dass die Bewohner nur noch vor sich hinvegetieren und auf den Tod warten. Niemand lacht, niemand hat Freude an diesem Ort.  Doch damit findet sich Paul nicht ab, möchte es noch einmal wissen, noch einmal einen Marathon laufen, das Leben spüren. Der alte Man beginnt zu trainieren und muss feststellen, dass niemand an ihn glaubt – und niemand mehr weiß, wer er ist. Auch seine Frau ist zu Beginn skeptisch, hält dann aber doch zu ihm, stoppt seine Zeiten bei den einsamen Runden durch den Park.

Für seine Tochter ist er verrückt, der Psychologe findet, er ist irgendwie dement. Da rastet Averhoff auf und verschwindet aus dem Heim. Die Eltern finden Unterschlupf bei der Tochter, die mit ihrem Leben selbst nicht klarkommt und ihrem Vater die Schuld dafür gibt. Schließlich will er doch immer im Mittelpunkt stehen und sie einfach nicht ihr Leben leben lassen!

Als Margot stirbt, bricht für Paul eine Welt zusammen. Die Frau an seiner Seite, seine Lebenspartnerin, Freundin, Vertraute, sein Gegenstück ist nicht mehr da. Er versinkt in der Trauer und bricht das Training ab, das ihm sowieso verboten worden ist. Doch ein Pfleger und ein Mitbewohner helfen ihm, bringen ihn wieder auf die Beine und so rückt der große Tag näher: Der Marathon. Was an diesem Tag geschieht und wie sehr die Teilnahme Averhoffs das Leben im Heim verändert, muss man gesehen haben.

Es ist ein unendlich trauriger Film, der nachdenklich stimmt. Das Altenheim ist ein trister Ort, der wenig Lebensfreude birgt und die Bewohner entmündigt. Ein festgefahrener Tagesablauf, macht aus Menschen, die einfach nur keinen Haushalt mehr alleine führen können, debile Lebewesen, die Dinge tun müssen, mit denen sie früher nie etwas zu tun hatten. Es sind Erwachsene in einem Kindergartenprogramm. Über allem schwebt der Tod, das Wissen, dass es nicht mehr ein halbes Leben dauern wird, bis alles vorbei ist – das Wissen, dass man viele Menschen schon verloren hat. Paul verliert seine Frau und ist alleine mit seiner Trauer, seine Tochter trauert selbst und kann für den Vater nicht da sein, kann nicht mit ihm reden, obwohl er doch jemanden bräuchte. Umgekehrt ist es nicht anders, aber die Tochter, gespielt von Heike Makatsch, mag die alten Geschichten und Erinnerungen nicht hören, weil diese zu sehr schmerzen.

Vielleicht ist es übertrieben, dass ein alter Mann noch einmal einen Marathon laufen will, dennoch liegt viel Symbolkraft dahinter. Einen Marathon laufen, ein ganzes Leben kann als Strecke angesehen werden, das Laufen hat etwas befreiendes, man lässt etwas hinter sich. Oder es ist genau der Grenzpunkt, der die Hürden, den weiten Weg aus dem gewohnten Leben beschreibt, wenn man sich selbst plötzlich eingestehen muss, dass man alt ist, dass es nicht mehr so geht wie früher. Ins Altenheim zu gehen ist eine Schwelle, deren Überschreiten meist viel Überwindung kostet. Es ist ein Abschied und ein Anfang. Manchmal ist es auch nur das Ende. Aber der Lauf von Averhoff macht Hoffnung, allen Bewohnern, die sich plötzlich verändern und merken: Alt sein bedeutet nicht, dass es vorbei ist. Vorbei ist es erst, wenn man wirklich tot ist.

Fazit: Ein wundervoller, melancholischer und berührender Film, bei dem man die Taschentücher nicht allzu weit weglegen sollte. Toll gespielt von Hallervorden, den man hier einmal ganz anders, ganz ernst erlebt.

5/5

Sein letztes Rennen
Universum Film 2013
Regie: Peter Hinterthür
Darsteller: Dieter Hallervorden, Tatja Seibt, Heike Makatsch, Frederick Lau, Katrin Sass
Dauer: 110 Minuten
DVD: 12,99 €
Blu-ray: 14,99 €
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