Coppelius
Als Opener auf der Pain Stage sollte nicht mit viel Publikum gerechnet werden, aber es wird im Laufe der Zeit mehr und, was viel wichtiger ist, die Menge ist begeistert.
Als der Butler Bastille erscheint, um letzte Handgriffe zu vollführen, bevor die anderen fünf Mitglieder sich befleißigen, dem Ereignis beizuwohnen, herrscht erwartungsvolle Stille. Nachdem die Berliner zu spielen begonnen haben, sind nicht nur die Kenner dieser Kammercorekapelle begeistert.
Es ist immer wieder faszinierend, was für ein harter Sound mit Kontrabass, Cello und Schlagzeug zu produzieren ist. Die beiden Klarinetten kontrapunktieren gekonnt und fertig ist ein musikalisches Erlebnis, welches seinesgleichen sucht. Dabei zeigen sie gemeinsam und auch bei Soli ihr spielerisches Können, wobei letztere bei der Kürze des Auftritts zu kurz kommen mussten. Neben der instrumentalen Klasse brilliert Coppelius dadurch, dass sie keinen festen Sänger haben. Die Stücke werden entweder von Bastille, dem Cellisten Graf Lindorf oder einem der Klarinettisten, Comte Caspar und Max Coppella interpretiert. Die verschiedenen Stimmen passend zu den Inhalten oder dem Sound des jeweiligen Lieds.
Hinzu kommt die sehenswerte Show. Die Herren treten in passender Kleidung auf, immerhin stammen sie eigenen Angaben nach allesamt aus dem 19. Jahrhundert. Heute, dem Anlass entsprechend, wurden die schwarzen Gehröcke und so weiter gewählt. Dazu die gerußten Augengläser, Zylinder und anderes Nötige fehlen natürlich nicht.
Bastille ist bei seinen Ansagen gewohnt unsicher, so irritiert ihn das Wort Pain (von Pain Stage) ein wenig und auch weiterhin sorgt er für Schmunzler und Lacher. Auch die anderen lassen sich etwas einfallen, so geht Caspar, wie bei jedem Auftritt, spielend durch die Menge, diesmal verfolgt von einem Zuschauer mit auf den Rücken geschnalltem Riesenpenis – wodurch immer zu sehen ist, wo sich die beiden gerade befinden. Graf Lindorf weicht humoristisch vom Text ab, was natürlich nur mit dem Lied Vertraute vernehmen. Ebenso sind die Applaus-, Solo- und Bitte Ruhe-Schilder im Einsatz.
Die Stimmung steigt beständig an, was eventuell damit zusammenhängt, dass bei diesem Konzert die besonders druckvollen Stücke deutlich überwiegen. Insbesondere „Risiko“ wird begeistert gefeiert und sorgt gegen Ende der Darbietung für Bewegung im Publikum.
Da Capo-Rufe branden auf, das Äquivalent zu Zugaberufen, können aber natürlich nicht berücksichtigt werden. Noch schnell ein Foto, gemeinsame Verbeugung und der übliche Abschluss mit einem von Bastille eingeleiteten und dem Publikum vollendeten „Coppelius … hilft!“
Es hat sich wieder gezeigt, dass Coppelius zu Recht als eine der besten und interessantesten Livebands Deutschlands gilt.
Beyond the Black
Beyond the Black ist, nach ihrer eigenen Aussage auf der Homepage, ihre, also Jennifer Habens Band. Dort wurden bis vor kurzem komplett neue Musiker gesucht. Die Bewerbungsfrist lief am 7.8.2016 ab. Schwierigkeiten irgendwelcher Art waren bei dem Auftritt nicht zu bemerken, aber die Band soll auf das nächste Level gehievt werden. Wir dürfen gespannt sein, ob damit „nur“ eine internationale Tour oder mehr gemeint ist.
Eingeleitet wird durch Schlagzeug und leicht sphärische Keyboardtöne, dann kommt das Mannheimer Sextett hinter dem Vorhang hervor. Zu Beginn klingt das, was unter Symphonic Metal eingeordnet wird, doch recht poppig und der E-Gitarrensound wirkt, als hätte er Alibifunktion. Die geübte und angenehme Stimme von Jennifer Haben steht deutlich im Vordergrund und wird immer wieder durch Growls des Gitarristen ergänzt. Hinzu kommen diverse Keyboardsounds, die passen, angenehm aufpeppen und für gelungene Überraschungen sorgen.
Es wird härter, die einzelnen Instrumente zeigen sich des Öfteren verspielt, bekommen Raum sich zu entfalten und es scheint immer mehr Zuschauern zu gefallen, die vorher wenig mit der Band anzufangen wussten. Diejenigen, die sich darauf eingelassen haben, feiern immer begeisterter, der Rest scheint zumindest mit dem zufrieden zu sein, was ihm geboten wird, denn es ist keine Abwanderung zu bemerken.
Ein Höhepunkt ist das Lemmy Kilmister gewidmete Motörhead Cover „Love Me Forever“. Jennifer spielt Klavier und singt, während alles andere schweigt. Auch ein Großteil der Menge, denn der Vortrag ist so gut, so anrührend, dass andächtig gelauscht wird.
Wenn man mit dieser Band warm geworden ist, hat man nichts falsch gemacht und kann gespannt sein, was die angekündigten Veränderungen in der Zukunft bringen.
Hell City
Heavy Metal scheint sich in den letzten Jahren in Belgien größerer Beliebtheit zu erfreuen. Eine Folge davon ist Hell City.
Die diesjährigen Summer Breeze Besucher scheinen leider nicht besonders interessiert an den Fünfen, die am frühen Nachmittag zeigen dürfen, was sie drauf haben.
Ein fulminantes Anspiel versandet in Stille. Sängerin Michelle Nivelle hat die Aufmerksamkeit der Anwesenden und das Spielen beginnt
Bei den ersten Liedern schwankt die Lautstärke des Gesangs, wobei nicht klar ist, ob es an der Technik oder der Gesangstechnik liegt.
Der Sound ist nichts Besonderes, aber gefällig. Wenn es schneller wird und später auch zu anderen Gelegenheiten, wird die Stimme geschmeidiger, was einen hörenswerten Kontrast ergibt.
Die Versuche, das Publikum zu animieren, wirken bemüht, sind aber von wenig Erfolg gekrönt. Michelle Nivelle wirkt etwas unsicher, was sich insbesondere bei den Schreien zeigt, die ziemlich aufgesetzt wirken.
Bei den instrumentalen Parts zeigt sich, dass die Musiker mehr drauf haben, sich aber nicht trauen, nicht wollen oder nicht dürfen.
Die Schwächen könnten den Umständen geschuldet sein und es dürfte kein Fehler sein, dieser Band eine zweite Chance zu geben.
Skálmöld
Das Zelt ist schon gut gefüllt, die Erwartungen wohl auch, als düstere Töne zu vernehmen sind. Eine Trommel und ein unverständlicher Chor stimmen das Publikum ein.
Das Sextett aus Island bietet einen durch diverse Einflüsse berührten Viking Metal dar.
Es überwiegt ein eher getragener, hämmernder Grundton, der von der Geschwindigkeit her an Marschmusik erinnert.
Das Tempo und damit die Stimmung variieren aber auch, Assoziationen Richtung Folk und Punk drängen sich auf und werden mit dem Keyboard wieder revidiert.
Björgvin Sigurðsson gibt zumeist einen ungewohnten Stakatogesang zum Besten und growlt nur zu besonderen Gelegenheiten.
Die Variationen sind nicht so deutlich, wie sie sein könnten und nehmen der Musik die Chance, der Eintönigkeit zu entfliehen.
Das Publikum scheint das wenig zu stören. Es wurde im Laufe des Auftritts zahlreicher und reagiert angemessen auf die wenigen Aufforderungen, die Hörner zu heben oder sich lautstark bemerkbar zu machen.
Subway to Sally
Die Musik von Subway to Sally zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. Rock, Metal, Folk. Deutsch, Englisch, Lateinisch, Gälisch. Mal ruhig, mal zum Moshen. Mit Schlagzeug, E-Gitarre, Akustikgitarre, Mandoline, Geyerleier, Renaissancelaute, Sackpfeife, Dudelsack, Schalmei, Barockoboe, Violine, Viola, Bass, Drehleier und anderem mehr. Laut Sänger Eric Fish (Eric-Uwe Hecht) sprechen sie neben der Metal- noch die Gothic-, Punk- und Folkfangemeinde an und sicher geht es in diversen Richtungen weit darüber hinaus.
Eine breite Grundlage also. Kein Wunder, dass sich schon frühzeitig Zuschauer vor der Main Stage sammeln, es sogar deutlich vor Beginn ziemlich voll wird.
Fanfarenstöße und Trommelschläge kündigen die sieben in und um Potsdam Beheimateten an, die sogleich in die Vollen gehen und mit „Falscher Heiland“ zum kollektiven „Halleluja“ aufrufen. Gut die Hälfte der Anwesenden ist sofort mit dabei, bei späteren Gelegenheiten werden es noch deutlich mehr sein, sowohl Personen als auch Beteiligte.
Eric spricht oft zu dem Publikum, es gibt Mitmachparts wie zum Beispiel das Mitzählen bei „Sieben“ und die Stimmung sollte eigentlich überkochen. Tut sie aber nicht. An den kurzen und nicht besonders heftigen Schauern liegt es nicht. Es sind auch nur wenige Leute gegangen, aber der Funke springt erst gegen Ende richtig über, so wird z.B. die mittendrin geforderte Circlepit nicht so groß wie gewünscht.
Das, obwohl das Konzert sehr kurzweilig ist. Zu der ohnehin wechselhaften Musik kommt bei passenden Songs ein kleiner Damenchor und es wird mit Feuer eingeheizt. Die Pyroshow wechselt in Form, Farbe und Frequenz bei den verschiedenen Liedern. Das einzig Konstante scheint Erics raue Stimme zu sein.
Ein frühzeitiger Abgang schafft Zeit für eine Zugabe, die natürlich gefordert wird. Es folgt der Song, der eigentlich nicht fehlen durfte, „Julia und die Räuber“. Die Resonanz des Publikums ist hoch und sie dürfen mitsingen. Erst wird es mit einem Einzelnen versucht, der sich aber nicht wirklich überwinden kann, dann schallt der Text aus tausenden Kehlen wider.
Steel Panther
Ein paar Hardcorefans dieser 80er Jahre Glamrockband sind sofort an ihrem Outfit zu erkennen. Dauerwelle, meist wohl eher Perücke, enge Hosen, bunt und am besten glitzernd erwarten sie den Auftritt der vier ähnlich gekleideten Amerikaner aus Los Angeles.
Unter Scheinwerfergewitter und eingespieltem Großkatzenfauchen startet das Konzert. Es ist, wie man sich die 80er vorstellt und das wundert nicht, ist Sänger, Gitarrist und Gründer Ralph Saenz (Michael Starr) doch Jahrgang 1965 und hat die Zeit bewusst miterlebt.
Etwas anders sind allerdings die Texte. Sie sind jenseits fast aller Gürtellinien und sollen wohl lustig sein. Z.B. scheint der Song „Fat Girl“ um den als Refrain genutzten Ausspruch „Thar she blows!“, dem traditionellen Ausruf der Wahlfänger gebaut worden zu sein.
Die Show startet so richtig als erklärt wird, in Deutschland wären die Girls sehr hübsch und leicht zu ficken. Außerdem würde die Band so gerne Titten sehen und wünscht sich das nun vom Publikum. Einige Mädels auf den Schultern irgendwelcher Personen kommen der Aufforderung nach und ziehen blank. Unter dem Jubel vieler wird dies auf dem Monitor gezeigt und der eine oder andere nimmt es als Aufforderung mal herzhaft zuzupacken.
Entsprechende Sichtungen ziehen sich durch den gesamten Auftritt, insbesondere als Mädels mit prägnanter Oberweite gebeten werden auf die Bühne zu kommen und zu performen. Das klappt so gut, dass die Länge der Stage ausgenutzt wird und geht über viele blanke Brüste, einem Girl nur noch im String, bis zu Knutschereien.
Nach einem weiteren Song wird das beendet und Ralph Saenz zeigt etwas Selbstironie. Sie würden keine Kondome benutzen, sie hätten ohnehin schon alle Krankheiten.
Noch schnell etwas zu Gesang und Musik. Beides kann als solide bezeichnet werden. Die klare, helle Stimme ist geübt und die spitzen Schreie gehen nicht über das Erträgliche hinaus. Die mit Jaguarflecken versehenen Gitarren können ebenfalls schreien, aber die nicht seltenen Solopassagen wirken eher dürftig, nutzen sie doch oft einfach nur Tonleitern.
Blues Pills
Das große Backdrop ist in Pastellfarben gehalten. Das Logo von Blues Pills wirkt, als wären ein Yin und Yang Symbol mit einer Lavalampe verschmolzen.
Ohne viel Vorspiel legen die vier aus Örebro stammenden Schweden los. Der Sound vereint Blues mit hartem Rock und sorgte dafür, dass diese vergleichsweise junge Band (gegründet 2011) sehr schnell bekannt wurde. Bassist Zack Anderson bezeichnet ihren Stil als Psychedelic-Soul und wenn die Zuschauerreaktion betrachtet wird, die eher chillen als moshen, kann dem nur schwer widersprochen werden.
Auch äußerlich tragen die Musiker dem Rechnung. Lange Haare sind auf diesem Festival Standard, aber auch ihr sonstiges Outfit erinnert an die Hippieära.
Die Soulstimme von Sängerin Elin Larsson allein könnte mit ihrer Anmut und Aussagekraft eine Band tragen, aber sie nimmt sich immer wieder zurück und die Musik tritt in den Vordergrund. Insbesondere Gitarrist Dorian Sorriaux zeigt dabei Fähigkeiten und Feingefühl, wie es selten zu sehen und zu hören ist.
Die Vier leben ihren Sound, Musik generell und bringen das deutlich rüber. Dabei entstehen teils sehr lange Stücke, die die meisten Zuhörer offensichtlich genießen können.
Dementsprechend ist es nicht nötig viele Worte an das Publikum zu richten oder sonstige Showelemente einzubauen.
Eine Beobachtung ergänzt das Bild recht gut. Auf der Bühne liegt, nicht nur bei diesem Auftritt, ein älter wirkender Teppich (in doppeltem Sinne), der aber ganz gut da liegt, weil Elin Larsson gerne barfuß auftritt. Sie trägt einen Catsuit und es drängt sich der Verdacht auf, sie würde das alles lieber noch purer erleben.