Versengold
Wie zu vermuten wird der Auftritt der sieben Folkmusiker bereits von einer größeren Menge erwartet. Dabei handelt es sich nicht nur um wohlmeinend Interessierte, sondern klar um eine Gruppe, die sich auf die Party freut, die die Bremer inszenieren werden. Wer um diese Zeit hier ist, ist das nicht zufällig. Versengold ist eindeutig eine gute Wahl als Opener des heutigen Tages.
Sogleich heißt es „Hoch die Krüge“ und fast das ganze Publikum stemmt mit, auch wenn viele nichts in der Hand haben. Es folgen weitere Lieder für die gute Laune. Bei „Paules Beichte“ dürfen die Zuschauer mitsingen und haben sich damit eine Runde Hüpfen verdient. Einige nutzen die Erlaubnis und springen einfach bis zum Ende des Konzerts durch.
Macht aber nichts, denn alle, die wollen, erhalten von Malte „Snorre“ Hoyer eine Totalabsolution für Wollust und Völlerei für den gesamten Freitag auf dem Breeze. Wollen muss der Einzelne schon, denn der Wille zählt oder doch eher der Glaube?
Musikalisch eher mittelalterlich tönend und fast ohne E-Instrumente muten die Lieder auf einem Metalfestival eher exotisch an. Die Texte können auch als ungewöhnlich bezeichnet werden, aber Metaler sind nicht nur sehr tolerant, sie wollen einfach feiern und das kann mit Versengold eigentlich jeder.
Grailknights
Von der Bühne gähnt der schwarze Schlund eines Totenschädels, der den Eingang zur Burg Grailskull bildet. Unter Donnergrollen betritt Dr. Skull die Bühne, verhöhnt das Publikum mit Gesten und schwenkt den von ihm geraubten, ziemlich großen heiligen Gral.
Per Einspielung werden die fünf Auserwählten, die Grailknights, vorgestellt, deren Quest es sein wird, im Laufe des Konzerts die Reliquie wieder zu beschaffen.
Alle Fünf sind in schwarze, definierte Muskeln vortäuschende „Rüstungen“ gekleidet. Einzig Schlagzeuger Lord Drumcules fehlen ein paar Teile. Jeder hat eine gemalte Maske im Gesicht und Umhang, Wappen, Schurzumrandung sowie Applikation an den Unterarmen sind in derselben Farbe gehalten.
„Danke für den muskulösen Empfang!“, grüßt Sänger Sir Optimus Prime die fortan als Battlechoir bezeichneten Hilfsgralsritter zu seinen Füßen.
Los geht die Mission zu Melodic Death / Power Metal, so ganz lässt sich das nicht sagen, aber es geht gut ins Ohr, die Arme und die Beine. Immer wieder putscht man sich gegenseitig auf, zeigt die Muskeln, fordert die der Battlesquire zu sehen und schlägt sich so durch das kurzweilige Programm bis doch eine Pause nötig wird. In der wird von der rosa Bierversorgungsstute Zapfbeauty oder kurz Zapfi, ein Fässchen Bier gebracht, welches an ein paar Zuschauer verteilt wird. Es folgen weitere musikalische Machenschaften zu denen sich Teile der Battlesquire verausgaben, singen, auf Kommando die Muskeln zeigen und einfach ihren Spaß haben. Ein Höhepunkt dabei: Grailrobic. Zu an die 80er erinnernden Riffs werden Übungen absolviert, die, wie sollte es anders sein, die Mukkis besser zur Geltung bringen sollen. Der Sprung der in die Knie gegangenen Battlesquire wird als „Mächtig!“, gelobt und es geht weiter.
Dr. Skull erscheint ein weiteres Mal. Die Quest war irgendwie recht einfach: rocken und warten. Ein Kampf in Zeitlupe entbrennt und, wie sollte es anders sein, die Grailknights, die feige in Überzahl auf ihren Widersacher losgehen, gewinnen zu Klängen aus dem Soundtrack von Conan – Der Barbar.
Es wird mit einem sehr gut ankommenden Superheldenmedley gefeiert und Sir Optimus Prime teilt seine Weisheit: „Posen bei jeglicher Gelegenheit! In der Bahn, auf dem Klo, beim Beischlaf…“
Die Schlacht ist geschlagen, der Gral kann in Sicherheit verbracht werden, aber nicht ohne dass er auf die Anwesenden erhoben wird.
Diese feiern die Gralsritter für ihre Tat, die Musik und die Show mit lange anhaltendem Applaus.
Um nicht mit Kritik zu sparen, warum hat der in Blau gehaltene Gitarrist Earl Quake ein farblich passendes Instrument und der Rest nicht?
Feuerschwanz
Die nächste Band an diesem Freitagmittag sieht sich ebenfalls eher früheren Jahrhunderten verbunden und spielt eine Mischung aus Mittelalter, Rock, Folk, Comedy- und Trinkliedern. Das halbe Dutzend Musikschaffender aus Erlangen bezeichnet sich selbst als Haufen und reist mit zwei entsprechend zurechtgemachten sogenannten Miezen, die als Tänzerinnen fungieren.
Das Partyvolk, welches schon die beiden Bands davor gefeiert hat, sammelt sich erneut und es sind offensichtlich mehr geworden.
Während die Miezen mit Flaggen auftreten und die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wird die Frage gestellt: „Was wäre, wenn das Ende naht?“, und Möglichkeiten aufgezählt. Schnell ist klar, Met und Miezen soll es geben, das Motto der Band, die nun auftritt.
Hauptmann Feuerschwanz, Sänger und Namensgeber des Haufens, grüßt und schon beginnt die wilde Fahrt!
Fast jedes Lied wird schauspielerisch oder anderweitig aufgepeppt. So darf z.B. eine Zuschauerin hinter eine Burgattrappe, um dann befreit zu werden, vier andere fahren in kleinen Schlauchbooten über die Menge, diese wird geteilt und darf einen Gesangswettstreit abhalten oder ein riesiger Kriegshammer in Fassform wird geschwungen. Die Huldigung des Gitarristen Hans Platz (Hans der Aufrechte) wird angekündigt und zelebriert, was, laut Text, die einzige Bezahlung ist, die er zu erwarten hat. Sein Solo war wieder ein musikalisches Highlight, wohingegen sonst die Musik zwar gut, aber meist weniger wichtig als die Aussagen in den Liedern empfunden wird.
Trotzdem ist die Stimmung nicht so gut, wie sie auf anderen Gigs des Haufens empfunden wurde. Eingefleischten Fans fehlt der eine oder andere Klassiker, was nicht zuletzt an der begrenzten Zeit liegt. Es könnte aber auch sein, dass mehr Raum für weniger partyfördernde Lieder eingeräumt wurde. Viele Songs haben durchaus ernsthafte Aussagen, die meist witzig oder anzüglich versteckt sind und im Met abzusaufen drohen. Könnte es sein, dass der Haufen erwachsen werden will? Ist die Aussage des Hauptmanns: „Wir meinen das durchaus ernst mit dem Spaß“, doppelt ironisch?
Deadlock
Die fünf aus Deutschland kommenden Deadlockmusiker haben nach den drei vorangegangen Bands ein schweres Erbe, denn sie treten weder in Kostümen vorangegangener Epochen auf, noch animieren sie zu mehr Alkoholkonsum. Wenn eine übergeordnete Botschaft aus ihren Texten gelesen werden soll, dann die für eine vegane Lebensweise.
Ihr Stil ist auf diverse Weise sehr abwechslungsreich. Größtenteils melodischer Death Metal, wird mit Anleihen aus verwandten Richtungen erweitert und auch mal etwas mehr gespielt als für einen normalen Song nötig gewesen wäre. Der Wechsel zwischen den beiden Stimmen, der aussagekräftigen von Margie Gerlitz und der des growlenden John Gahlert, erweitert die Bandbreite ebenfalls.
Zu Anfang scheint es technische Probleme zu geben. Die Gitarren verschwimmen zu einem Einheitsrauschen und die Sängerin ist kaum zu verstehen. Das bessert sich und Deadlock kann sich entfalten.
Das gilt nicht, wenn sie das Wort an die Zuschauer richtet. Sie versucht zu animieren, will Schreie hören, erst nach Geschlecht getrennt, dann alle. Für den Schlagzeuger Werner Riedl erwartet sie ebenfalls Mitleid, denn der könne nicht mehr, obwohl er gar nicht so aussieht. Dann bittet sie das SB-Team vor der Bühne ein weiteres Mal den Schlauch zu holen und das Publikum zu erfrischen, ebenfalls für den Drummer, der sich noch immer nicht wehren kann.
So winkt auch nur das vordere Drittel auf Aufforderung zurück, der Rest hat wohl schon abgewunken, was eine unaufhörliche Schlange Gehender zu bestätigen scheint.
Arkona
Das Zelt ist schon gut gefüllt, aber das wird im Lauf des Konzerts noch besser und erreicht einen Stand, der den Einen oder Anderen aufgrund von Hitze, Enge und Luft nach draußen zwingt. Es sind nicht nur viele anwesend, die Kunst der sechs aus Moskau stammenden Performer wird offensichtlich von fast allen, teils ruhig, teils aktiv, genossen. Aufforderungen, zu klatschen oder die Fäuste zu erheben, werden nicht lange, aber immerhin befolgt. Eine Circlepit bildet sich quasi von alleine und Beifall wird fast bis in die hintersten Reihen gespendet.
Arkona gibt russischen, folkloristisch gefärbten Paganmetal zum Besten und kann dabei mit wuchtigen und sanften Tönen überzeugen. Zu den üblichen kommen Instrumente wie Flöten, Sackpfeifen, Maultrommeln und exotischeres wie Balalaika, Schalaika und Okarina. Diese Vielfalt wird gerne und oft genutzt, ist dabei abwechslungsreich und unterhält nicht selten rein instrumental, was mitunter den Reiz der Band ausmacht. Leider sind bei dem Auftritt nicht alle gleich gut zu hören und es geht etwas im rockigen Sound unter.
Prägnanter als die Musik ist, für die meisten, die Stimme von Sängerin Maria („Mascha“) ‚Scream‘ Archipowa, die, egal ob sie singt oder growlt, energiegeladen und authentisch wirkt.
Die Stimmung steigt beständig und Arkona trägt dem am Ende durch zwei Songs mit besonders treibendem Rhythmus Rechnung.
Das Wirken auf der Bühne spricht für sich selbst und begeistert die Masse.
Parasite Inc.
Der erste Blick auf die Bühne lässt etwas vermissen. Kein Backdrop und so wird der Auftritt leider vom Werbeslogan einer Zigarettenmarke überschattet. Parasite Inc. hat trotzdem schon ihre Zeichen gesetzt. Links und rechts auf der Stage prangen Aufsteller mit dem Logo der Band, im Kreis angeordneten Maschinenteilen und Totenschädeln.
Als die Aalener anfangen sind die Stehplätze in der ersten Reihe von den mitgereisten Fans belegt, viel mehr allerdings noch nicht.
Es geht wie erwartet rasant los und es ist klar, dass der Schwerpunkt momentan auf dem Death oder Metal und weniger auf Melodic liegt.
Sänger Kai Bigler ist erstaunlich gut zu verstehen und macht seine Sache generell so, dass es nichts zu beanstanden gibt.
Im weiteren Verlauf zeigt sich die Klasse des Leadgitarristen Dominik Sorg, der immer wieder verspielte Passagen und ein Solo beisteuert.
Die Performance wirkt insofern, dass sich der Platz vor der Bühne füllt. Der Vorteil des Standortes mit viel Durchgangsverkehr.
Das Programm geht weiter, die Frage: „Wollt ihr was Schnelleres?“, irritiert manchen, aber da schon von anderen „Ja!“ gebrüllt wurde, wird geliefert. Die Steigerung ist zwar nur minimal, aber zu merken, was den einen oder anderen zu beeindrucken scheint.
Gegen Ende formt sich die laut Kai Bigler „Erste Wall of Death ever bei Parasite Inc!“
Bei den Abschiedsworten antwortet das Publikum mit Pommesgabeln bis in die letzte Reihe.
Zugabe-Rufe können aufgrund des straffen Zeitplans nicht berücksichtigt werden.
Obscura
Eine weitere Death Metal Gruppe, diesmal aus Landshut und mit dem Zusatz: Technical. Dieser bezieht sich auf die Komplexität der Musik, die durch Progressiv Rock oder gar Jazz beeinflusst werden kann. Das lässt sich bei Obscura wunderbar nachvollziehen, die ständig anspruchsvolle Elemente einbauen und so nie langweilig werden.
Das nicht sehr zahlreiche Publikum scheint überwiegend zu wissen, was es erwartet. Die Vorstellung wird zumeist passiv verfolgt und nur nach instrumentalen Passagen, Soli oder zum Ende eines Songs wird geklatscht.
Die vier Akteure konzentrieren sich auf die Ausführung und es gibt keine Show oder ausgiebige Ankündigungen, was die Menge wenig zu stören scheint. Mittlerweile sind es ein paar mehr, obwohl einige schon wieder gegangen sind.
Gitarrist Rafael Trujillo hat die Ehre des Öfteren seine Kunst zu zeigen und es scheint, als habe er seinen eigenen Fanclub mitgebracht. Sänger Steffen Kümmerer sollte das nicht stören, denn sobald er die Faust mit den beiden ausgestreckten Fingern hebt, ist die breite Masse dabei.
Wieder eher ruhige Zuschauer, die einer handwerklich gekonnten und gelungenen Darbietung lauschen durften.
Bliksem
Bliksem sind fünf Leute aus Antwerpen, die beschlossen haben, Thrash Metal zu machen. Dabei gehen sie mit Tempowechseln, Mini- und richtigen Soli sowie gesangsfreien Parts gekonnt über die üblichen Grenzen hinaus.
Mit Freude am Spielen bringen sie eine Energie rüber, die das Publikum nicht kalt lässt. Sowohl die Gitarristen Toon Huet und Jeroen de Vries bekamen ihre Zeit, wie Schlagzeuger Rob Martin, der damit eines der wenigen Drumsoli (auch wenn es nur die kurze Einleitung eines Songs war) spielen durfte, die auf den kleineren Bühnen zu hören waren.
Leider war die Konkurrenz auf der Main Stage wohl zu stark oder die Summer Breeze Besucher hatten vermeintlich Besseres zu tun, denn es waren nicht viele, die Sängerin Peggy Meeussen mit ihrem inneren Feuer beeindrucken konnte.
Winterstorm
Die fünf Power Metaler von Winterstorm kommen aus Bayreuth, was der fränkische Akzent, der manchmal zu vernehmen ist, belegt. Ihr Fanclub scheint zum Sturm auf die Bühne geblasen zu haben. Es ist ein Open Air Festival und vor der Stage genug Freiraum.
Eingeleitet wird der Gig von Klavier und künstlichen Töne, dann ein paar Worte, die damit enden, dass der Wintersturm entfacht wird.
Jubel brandet auf als die Band auftritt. Es wird gemeinsam geklatscht und sich gegenseitig gefeiert. Dann eine kurze, gelungene a capella Einlage, bevor es richtig beginnt.
Druckvolle wechseln sich mit etwas langsameren Passagen ab, in denen sich Sänger Alexander Schirmer zu Wort meldet.
In die Musik fließen einige weitere Einflüsse aus z.B. Folk und Mittelaltermusik ein, so interpretieren sie ein weiteres Mal den Saltarello. Irgendwie fehlt es allerdings am letzten Schliff, das meiste klingt zu glatt, zu kommerziell. Ein Eindruck, der momentan aber egal ist, denn er wird sicher nicht von dem geneigten Publikum geteilt. So war es unmöglich, dass keine Stimmung aufkommt und es wird ein gelungener Abend. Dabei ist es völlig nebensächlich, dass es endlich dunkel genug für die Lightshow ist.