Die Schweden sind wieder los. Fatal Casualties haben vor kurzem ihr neues Album Filter auf den Markt gebracht. Das Elektronik Projekt von Stefan Ljungdahl und Ivan Hirvonen ist eigentlich keine Neuentdeckung, denn angefangen hat alles 1986 in Stockholm. Aber wie bei so vielen Bands, gab es auch bei Fatal Casualties eine Pause. Diese dauerte mal eben 19 Jahre, von 1991 bis 2010. Zwei Jahre später kam dann die Debüt-EP Paria auf den Markt. Somit ist Filter das zweite Album nach dem 2014 erschienen Longplayer Psalm. Was erwartet den Hörenden?
Nun, es ist gar nicht so einfach. Viele verlangen von einem Elektronik Projekt eine gewisse Härte, die sich mit Synthesizer und viel Wums durch Mark und Bein prescht. Bei Fatal Casualties ist das etwas anders. Für manchen mag das langweilig sein, andere aber hören gerade aus diesem Grund genauer hin. „Home from home“ ist ein ruhiger Song mit unspektakulärem Intro und schwerfälligem Gesang. Der Rhythmus wiegt sich langsam hin und her, je länger man zuhört, desto mehr kann man eine gewisse wachsende Bedrohlichkeit in dem Song erkennen.
Der zweite Song ist auf Schwedisch, was einen nicht abschrecken sollte. „Jag Är Inte Rädd För Dig, Men Jag Är Rädd För Vad Du Gör Med Mig“ heißt ungefähr „Ich habe keine Angst vor dir, aber ich habe Angst vor dem, was du mir antust“, wenn mich meine sehr spärlichen Schwedischkenntnisse und ein Übersetzungsprogramm nicht ganz verlassen haben. Ein rhythmisches Trommeln zieht sich durch das gesamte Lied, gemischt mit Synthies, die stellenweise so verzerrt sind, dass sie leidend klingen (ja, Musik muss man manchmal fühlen und nicht nur hören). Deutlich erkennbar ist das ebenfalls verzerrt gesungene „Please do remember“. Lasst euren Gedanken zum Song mal freien Lauf beim Reinhören.
Durch geschickten Einsatz von Synthies kann man sich ein bisschen in die Situation des Ertrinkens, an das Abdriften unter Wasser hineinversetzen. Wie Wellen, die über einem zusammenschlagen, verknüpfen sich Sound und Gesang.
„Saga“ ist ein bisschen wie eine Hommage an die Märchenwelt. Wenn wir lachten, liebten, uns nahe fühlten oder unsere Herzen brachen. Wenn man auf den Text achtet und sich an die Märchen seiner Kindheit zurückerinnert, fühlt man wirklich all das. Die Musik imitiert einen Herzschlag, etwas Mystisches, das Bedrohliche. Eine gute Nummer, mit oder ohne Text.
Kennt ihr das Anschwellen des Lärms, wenn ein Hubschrauber sich nähert? Wenn er stehenbliebt und kreist? Dieses Geräusch wird nachgemacht und versetzt einen mitten in ein Schlachtfeld voller Fragen, Traurigkeit, Wunden und Tod. Plötzlich setzt ein Getrommel ein, das nur noch stärker an kriegsähnliche Situationen erinnert. Der Song „Cornelius names“ wühlt ein bisschen auf.
„Kramp“ bringt dann mal wieder etwas Leben in die Scheibe, ist schneller, musikalisch nicht ganz so düster, aber stark durchzogen von Verzerrtheit – sowohl der Stimme als auch des Synthiesounds.
Auffällig ist, dass immer wieder Schwedischer und Englischer Text miteinander kombiniert werden, teilweise ist sogar ein Satzteil auf Schwedisch, der andere auf Englisch. Das hilft zwar stellenweise sehr beim Verstehen der Texte, da man so doch immerhin die Bedeutung eines kleinen Teils erkennt. Manchmal ist es aber irritierend. Auch bei „Homo Erectus“ ist das nicht anders.
„Unknown Place“ hat dann wieder so einen beruhigenden, einlullenden Rhythmus. Auch der Gesang geht in die Richtung.
„Springer“ lässt mich jetzt doch einen bösen Satz sagen: Man weiß zwischenzeitlich nicht, ob die weibliche Stimme einfach nur einen schlechten Orgasmus hat, abgestochen wird oder vom Hochhaus springt. Textlich geht es um schwarze Löcher, Dämonen, Ängste, Engel und darum, dass sie einen holen. Ja, dann passt natürlich das Gestöhne wieder, aber trotzdem. Wenn man einen Text hauptsächlich auf Schwedisch hat und sich also absichtlich damit beschäftigen muss, ist es schwierig, dem Ganzen noch etwas abzugewinnen. Musikalisch zieht es einfach nicht mehr. Auch nicht der letzte Song, „Alphyddan“, der zwar superruhig ist, aber einen hässlichen Ton drinnen hat, der mich sofort an eine unangenehme Zahnbehandlung erinnert und mich dann Kopfhörer, Lautsprecher und Laptop nach Störungen absuchen lässt.
Ach ja, Fatal Casualties. Nicht schlecht, nicht gut, gewöhnungsbedürftig. Mir wird Filter irgendwann zu langweilig und eintönig, weil ich auch nicht mehr in die Songs reinkomme. Mich irritiert der ständige Wechsel zwischen Verstehen und Nichtverstehen der Texte, das geht den schwedischen Hörern jetzt nicht so, klar. Es gibt Feinheiten in jedem Song, viel Tiefe, viel Gutes. Daher die subjektive Meinung: definitiv nicht meins! Und die objektive Sicht: Ein ganz brauchbares, langsames Elektronik-Album.
3/5
—
Fatal Casualties – Filter
Seja Records, 2016
CD: 12 €
Seja Records bei Bandcamp