Manchmal wird es Zeit für guten, schnörkellosen Metal. Ben Blutzukker aus Aschaffenburg hat mit seinem Einmannprojekt zur Gitarre gegriffen und sich dem Metal verschrieben. 2015 hat er sein Debüt Analog Blood, eine EP mit vier Songs, auf den Markt gebracht. Nun folgte Anfang Oktober 2017 die zweite EP. Fünf Songs belegen, dass es nicht viel braucht, um zu überzeugen. Keine sphärischen Laute, keine große Band, nur das klassische Trio bestehend aus Gitarre, Bass und Drums und natürlich eine gute Stimme.
Bereits Titeltrack „Riptide“ zeigt, wo der Hammer hängt. Es gibt gutes Gitarrengeschrabbel, tiefe Klänge und einen Rhythmus, der sofort ins Blut geht. Da bleiben die Headbanger auch nicht auf der Strecke, denn man kann – zuweilen zwar recht langsam – gut mitbangen und das Haupthaar schütteln. Die Stimme ist tief, ein bisschen rau, fast schon ein perfektes Klischee, gezeichnet von Zigaretten und Alkohol, wie manch Sänger immer behauptet. Zu diesem Song gibt es auch ein Video, das mit Legofiguren gedreht wurde. Richtig schick, wie ich finde, und damit auch mal was anderes als düstere Darstellungen in nebeligen Wäldern. Der zweite Song wurde „Stab by Stab“ betitelt und ist auch wieder recht tragend. Wer hier auf Power und Schnelligkeit steht, ist ein bisschen im falschen Genre. Zwar gibt es immer wieder schnellere Parts, im Allgemeinen geht es aber über ein passables Midtempo wenig hinaus. Zwischendurch kommt immer wieder die Gitarre zu Wort und klimpert kurzzeitig im Vordergrund. „Stab by Stab“ überzeugt mich dabei wenig, hat der Song zu viele Zäsuren und wirkt so erzwungen. Die Lyrics basieren auf einer Kurzgeschichte der Horrorinkone Bram Stoker. Das dazugehörige Video bietet den Text, ist jedoch nur mit Geduld zu hören, vor allem zu lesen.
Mit „Six sec sex“ liefert Blutzukker eine Hommage an die schwedische Band Illwill. Diese haben in ihrer nicht mal zweijährigen Bestehenszeit ein Album veröffentlicht und waren 1998 auch schon wieder verschwunden. Blutzukker hat sich diesen Song herausgesucht und dabei einiges der Kraft übernommen, die das Original geboten hat. Hier steigert sich das Tempo mal, insgesamt ein ruhiges Cover, aber in meinen Augen recht gut gelungen. Gibt dem Song einen Touch, der mehr in Richtung Heavy Metal geht als Illwills Orginal aus der Thrash-Schiene. In „Bloodlust“ geht es um Blutsauger, nach eigenen Angaben das Lieblingsthema des Musikers. Die Melodie ist treibend, erinnert ein bisschen an den Rhythmus galoppierender Pferde, was gegen Mitte des Liedes aber verblasst. Wann bin ich eigentlich fertig? Eine Frage, die Musiker und Menschen beschäftigt. Blutzukker hat den letzte Song „Loose Ends“ betitelt und sich mit diesem Thema befasst. Hier dominiert zu Beginn der Gesang, ehe dann irgendwann auch die volle Breite der Instrumente zu Wort kommt. Wieder eine Metalnummer, die sich hören lassen kann.
Ist die EP nun gut oder zu trivial? Schwer zu sagen. Man hört gar nicht mehr so viel reinen Heavy Metal und muss sich durch die Genres und Unterkategorien wühlen, die in meinen Augen zu inflationär geworden sind. Blutzukker verzichtet auf Umwege und Schnörkel. Vielleicht ist es auch dem Umstand geschuldet, dass er alles alleine macht und sich daher stärker auf einfachere Melodien konzentrieren muss. Schlecht ist das nicht, ganz im Gegenteil. Mit Riptide bekommt man eine Erholung in Sachen Metal auf die Ohren, weil er schön einfach gestrickt ist.
4/5
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Ben Blutzukker – Riptide
Independent, 2017
Mp3: 6,45 €
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Trackliste:
1. Riptide
2. Stab by Stab
3. Six Sec Sex (Illwill Cover)
4. Bloodlust
5. Loose Ends