Summer Breeze – Tag 1 – 16.08.2017


Night Demon

Der Name gibt Anlass zu Spekulationen. Welche Art Metal wird hier gleich performt? Gothic? Folk mit düsterem Touch? Black? Death? Nein, das Backdrop ist lesbar. Wer sich zuvor informierte, fand schnell die Homepage und die Erklärung: „New Wave of British Heavy Metal melded to distinctly American muscle and swagger, transcending musical trends and cutting across generational and genre-dividing lines.“ Auf der Facebookseite wird daraus schlicht: Metal. Für einen Wikipediaeintrag hat sich wohl noch niemand die Zeit genommen. Derart vorgebildet hieß es abwarten. Vor halbwegs gefülltem Platz geht es nahezu thrashig los. Schnell wandelt sich der Sound, wird manchmal ruhiger und bedient sich anderer Stilmittel. Dabei sind die Übergänge fließend und dem Ohr gefällig.
Was Sänger und Bassist Jarvis Leatherby von sich gibt, ist volltönender Gesang, der tatsächlich an Britpop erinnert und gut mit der Musik harmoniert. Letzterer wird immer wieder Raum gegeben, so dass sich insbesondere Gitarrist Armand John Anthony hervortun kann. Drummer Dusty Squires kommt ebenfalls nicht zu kurz, auch wenn er keine Alleingänge wagt. So dauert es nicht lange, bis sich die Zuschauer deutlicher regen und den Kaliforniern (genauer aus Ventura) zeigen, dass sie ganz gut ankommen. Mag sein, dass es einigen nicht hart oder konsequent genug ist, aber gerade die Mischung und Wechsel geben dieser Band Charakter. So folgt auf ein rockiges Gitarrenintro Metal im Mittelteil und schleicht dann aus. Eine Ballade wird von eingespieltem Regen eingeleitet, ein anderes Lied mit Flöten, Glocken und Sprüchen vom Band. Der Versuch, damit Atmosphäre zu erzeugen, misslingt leider. Vielleicht liegt es daran, dass es noch hell ist oder daran, dass weder lateinische Riten noch Erläuterungen zu Satan Metaler sonderlich berühren. Da hilft auch nicht der leibhaftige Tod auf der Bühne. Die Musik ist trotzdem hörenswert.
Erst seit ca. sechs Jahren existierend ist Night Demon vom Können her bemerkenswert, aber an der Bühnenpräsenz könnte noch gearbeitet werden. Angefangen damit, dass sich Jarvis Leatherby erst vor dem vorletzten Lied ein paar Worte mehr an das Publikum abringt, die über die simple Ansage der Titel hinausgehen.

Kontinuum

Fünf in schwarz gekleidete, sonst recht bieder aussehende Typen betreten eine schmucklose Bühne. Ansatzlos rocken sie los und schon im ersten Lied zeigt sich Sänger (außerdem Gründer und Gitarrist) Birgir Thorgeirsson variantenreich. Der wohlklingende Standardgesang wird einmal mit einem Scream, öfter mit einem länger gehaltenen Ton und gegen Ende sogar mit einem Echoeffekt ergänzt. Das Publikum scheint irritiert und es gibt nur vereinzelt Applaus. Einige verlassen den Platz, viele warten ab oder stellen sich auf eine chillige dreiviertel Stunde mit nicht so energetischer Musik ein. Sogar die Instrumentalparts halten das Level, einzig Mitbegründer und Schlagzeuger Kristján Einar Guðmundsson ist hin und wieder deutlicher herauszuhören. Das verwundert, sind doch mit Ingi Þór Pálsson und Thorlakur „Laki“ Thor Gudmundsson zwei weitere Gitarristen sowie Bassist Engilbert Hauksson auf der Bühne (letzterer spielt mit den beiden Kontinuumgründern noch bei Potentiam), die sicher mehr an die Saiten hauen könnten. Austoben darf sich offensichtlich niemand. Kurz bevor die Hälfte der Spielzeit vorbei ist, wird das Publikum auf Englisch informiert, dass die Band aus Island komme und es hier ziemlich heiß sei. Vielleicht der Grund, warum sich die Fünf kaum bewegen. Die ausdauernde Rastawindmühle, die schon länger zu der Musik abgeht, zieht zeitweise mehr Blicke der Umstehenden auf sich als die Nichtaktionen der Band. Es folgt ein Stück mit deutlich mehr sphärischen Anteilen, bei dem sogar der bangende Rastamann aus dem Takt kommt. Sicher können die Mannen von Kontinuum nichts dafür, aber die teilweise sehr unangenehmen Rückkopplungen bei den Echoeffekten vertreiben weitere Zuhörer. Nun scheint der Zeitpunkt für mehr Ansprache und was liegt näher als sich zuzuprosten? Leider ist selbst auf das „Skál!“ die Reaktion eher dürftig. Dafür wird es nun etwas härter und die Stimme aggressiver – für einen Song.
„How are you doing? Are you hot?“ zu fragen war überflüssig, da sogar die vordersten Reihen nicht wirklich abfeiern. Muss ja auch nicht sein. Die folgende Ballade in (höchstwahrscheinlich) isländischer Sprache hat etwas Mystisches, Verklärendes und kann still genossen werden. Mit dem letzten Lied klingt dieses Konzert aus wie es begonnen hat, und die Menge zerstreut sich ähnlich ziellos, wie sie sich eingefunden hatte. Ein Blick auf die Werdegänge der Drei, die noch bei anderen Gruppen spielen, überrascht. Sie sind nicht nur bei Potentiam, sondern waren schon in anderen Black, Death, Doom, Thrash Bands, womit sie das skandinavische Klischee erfüllten. Hiervon haben sie sich weg entwickelt und für das, was sie bei Kontinuum machen, finden sich Bezeichnungen wie Ambient bzw. Post Rock oder Rock Wave. Insbesondere in ihrer Heimat sprechen sie damit eine breite Fangemeinde an. Unübersehbar ist allerdings, dass die Musik so brav ist wie die Interpreten aussehen.

In Extremo

Es ist noch hell und wird es bleiben, als die Sieben die T-Stage (das Zelt gibt es nicht mehr) in Beschlag nehmen. Um diese Zeit wird es keine Pyrotechnik geben, dafür sicher am Donnerstag gegen Mitternacht auf der Summer Stage (ehemals Pain Stage). Es ist der dritte von sechs Surprising Acts, die gar nicht mehr so überraschend sind. Die meisten wissen schon seit Stunden Bescheid und das ist auch den Künstlern klar. Schon frühzeitig war zu beobachten, wie sich der Platz füllte, was bei dieser fast zwanzig Jahre existierenden, erfolgreichen Mittelalter-Metal Formation nicht wundert. Am Anfang gibt es „Wind“. Ein Stück, das nicht nur durch Van Langes (Sebastian Oliver Lange)  harte Gitarrenriffs, sondern auch durch die Sackpfeifen, gespielt von Yellow Pfeiffer (Boris Pfeiffer) und Flex Dem Biegsamen (Marco Ernst-Felix Zorzytzky), anspricht. Der gut gewählte Opener begeistert bis weit in die hinteren Reihen und gibt das Charakteristische dieser Band wieder – alte und neue Instrumente gekonnt vereint. Der Aufforderung von Sänger Das letzte Einhorn (Michael Robert Rhein), alle Hände sehen zu wollen, wird von einer großen Mehrheit kurz nachgekommen. Generell ist das Publikum sehr reaktiv. Im Laufe der Darbietung sind die Arme oft und lange oben, wird gewunken, geklatscht und gesprungen, wenn es passt oder gefordert wird. Nachdem erklärt wurde, dass bei diesem Überraschungsauftritt die „alten Kamellen“ zum Besten gegeben werden, steigt die Stimmung um ein weiteres Quäntchen und es wird von den anwesenden Hardcorefans „In Extremo“ skandiert.
Übergangslos wird zu dem rasanten „Hiemali Tempore“ abgerockt. Es geht um Glücksspiel, Trinken, den Geiz der Reichen, die Freigiebigkeit der Armen und das alles auf Latein. Während „Herr Mannelig“ von einer Bergtrollin einen Heiratsantrag bekommt, sind die ersten Stagediver zu sehen. Wie die Trollin schaffen sie es selten bis an ihr Ziel. Außer das Ziel war es, ein paar Meter in irgendeine Richtung getragen zu werden. Anschließend folgt das erste „verrockte“ Stück der Band überhaupt: „Ai Vis Lo Lop“. Hiermit wird dem Verstorbenen Entdecker, Förderer und Produzenten Michael „T“ Trengert gedacht. Beim nächsten Lied, „Vinner Och Frande“ (Verwandte und Freunde), soll mit dem „lautesten Applaus“ und dem „geilsten Schrei“ der Arbeit von Crew und anderen Helfern Tribut gezollt werden. Gelingt. Überhaupt ist Das letzte Einhorn von der Stimmung sehr angetan. Sie sei schön von oben zu sehen und er hofft, dass das die nächsten Tage so weitergehen möge. Seinem Postulat: „Das ist eine Party!“, wird recht gegeben. Die Ballade „Rotes Haar“ kühlt die Gemüter etwas ab und erlaubt es Schlagzeuger Specki T.D. (Florian Speckardt) es ruhiger angehen zu lassen. Zu einem späteren Zeitpunkt wird er einen seiner Sticks fallen lassen, was bei der Klasse des Musikers ein absoluter Ausnahmefall ist und nur zeigt, dass er trotz seines Könnens fehlbar ist. Absolute Profis und Virtuosen an ihren Instrumenten sind sie alle. Die gesamte Bandbreite an Tonerzeugern aufzuzählen, würde zu weit führen, darum nur eine kleine Aufzählung: Piccoloflöte, Mundharmonika, Trumscheit, Schalmei, Drehleier, Hackbrett, Harfe und so einiges mehr.
Natürlich kommen bei einem Konzert nicht alle zum Einsatz, aber die meisten. So wurde die Harfe nicht nur beim zweiten „Merseburger Zauberspruch“ (zur Heilung eines gebrochenen Pferdebeins) von Dr. Pymonte (André Strugala) gezupft, ist da aber besonders deutlich. Ebenso immer vertreten, aber während „Omnia sol Temperat“ herausstechend, Bassist Die Lutter (Kay Lutter). Der letzte Song ist der „Spielmannsfluch“, der nach den ersten Tönen bejubelt wird und die Meute ein weiteres Mal, vielleicht sogar noch etwas mehr, abgehen lässt.

Powerwolf

Powerwolf existiert seit 2003 und ihre Grundeinstellung von damals hat sich nicht geändert. Ein weiteres Mal durften die schon weit vor Showbeginn vor die Bühne strömenden Massen eine Heavy Metal Messe erwarten. Zwar bezeichnen sich die Musiker als spirituell und nicht religiös, bedienen sich aber gerne entsprechender Symbole oder Handlungen. Dies allerdings eher auf satirische Art und Weise, was einen bedeutenden Teil des Flairs ausmacht. Sänger Attila Dorn hat eine klassische Ausbildung, eine deutliche Bühnenpräsenz und ändert wenig in seinen Ansagen. Dafür gibt es davon eine Menge und sein „Vielen Dankeschön!“, das er mehrmals bringt, verliert seinen Charme selbst nach Jahren kaum. Flankiert wird er von Charles (Bass, Rhythmusgitarre) und Matthew Greywolf (Lead- und Rhythmusgitarre), die sich und ihre Mähnen gerne in Szene setzen, bangen, hierhin und dorthin laufen oder springen. Dazu noch Bewegung in der Mimik und die beiden sind ein gutes Mittel gegen Langeweile, selbst wenn der Ton mal ausfallen sollte. Aus Gründen der Berufswahl eher statisch, Drummer Roel van Helden. Ähnlich ergeht es dem Herrn an der Orgel oder besser, dem Keyboard, Falk Maria Schlegel, mit dem Unterschied, dass er dem Publikum ordentlich einheizt, wenn er gerade keine Tasten drücken muss. Töne seines Wirkungsgeräts werden eingespielt und die Zuschauer spenden Vorschussjubel. In aller Ruhe wird erst das Schlagzeug besetzt, dann läuft der Rest auf die Bühne. Mit „Blessed and Possessed“ starten die Wölfe durch. Power Metal mit Klangfülle, gut akzentuiert und mit über weite Strecken dominierendem Gesang. Auch bei dieser Band, Schwankungen in der Lautstärke. Summer Breeze Besucher waren das bisher bei den großen Bühnen gewohnt. Die neue T-Stage übernimmt diese Tradition, zumindest bis jetzt, und es sind ab und an Rufe nach mehr Lautstärke aus den hinteren Reihen zu hören.
Attila beginnt Stimmung zu machen, indem er Hände und Stimmen fordert, fragt, ob das Publikum da ist und das „Ja“ lauter hören will. Weiter geht es mit der üblichen Erklärung dazu, dass eine gemeinsame Heavy-Metal Messe gefeiert wird und es folgt die Frage: „Wollt ihr unsere Heavy-Metal Army sein?“
Diesmal scheint das gebrüllte „Ja“ laut genug, denn statt mehr zu fordern, schiebt er die Bedingung hinterher, es solle alles friedlich bleiben.
Die friedliche Armee hört sich nun „Army Of The Night“ an und feiert sich irgendwie selbst mit erhobenen Fäusten und vor allem Pommesgabeln. Nun wird die Erläuterung deutlicher, denn es geht um den Kampf für die gemeinsame Musik, die wir alle täglich verteidigen müssen. Heute sind wir aber unter uns und können gemeinsam genießen. „Amen and Attack“. Neben zum Himmel geschickten Feuerstößen schwenkt Falk die schwarze Fahne mit dem PW Zeichen und wird von der Menge gefeiert. Die neue Bühne wird thematisiert und die meisten der Anwesenden sehen es als eine Verbesserung gegenüber dem Zelt. Der bei keinem Auftritt fehlende Weihrauch wird genutzt, um die neue Spielstätte zu segnen. Dabei erhält sie auch gleich einen Spitznamen: Mr. T. Der nächste Song sei so alt, dass Attila befürchtet, den Text nicht mehr zu können, also wird gemeinsam mit den Willigen vor der Bühne geübt. Nicht alles, nur das „Woho“ aus dem Refrain, aber es scheint das Gedächtnis des Sängers ausreichend aufzufrischen. Natürlich wird auch während „Kiss of the Cobra King“ mitgesungen und es sind erstaunlich viele, die das meistern. Hiernach etwas ausgepowert fällt die Replik auf „Seid ihr wild?“ offenbar nicht laut genug aus, denn es folgt die Unterstellung: „Wenn das wild ist, müsst ihr heute aber früh ins Bett.“ Diesmal ist der Schrei lauter und geht in „Sacred and Wild“ über. Als nächstes wird die Crowd daran erinnert, dass das Summer Breeze Geburtstag hat und es reicht das Wort „Happy…“ um ein Ständchen einzuleiten. Es sind zwar nicht so viele Kehlen, wie bei vorherigen Gelegenheiten mitzusingen, aus denen der Geburtstagswunsch erschallt, aber es zeigt deutlich, wie gut der Metalpriester die Leute im Griff hat, obwohl ihn ein großer Teil noch nicht kennt. Jedes Mal, wenn er diese Frage stelle, würde sich nur die Hälfte melden, so auch bei dieser Gelegenheit, wie er schmunzelnd bemerkt.
Nach weiteren Übungen wird zu recht gelobt, wie gut es klappt und der Grund dafür in der frühen Stunde des ersten Festivalabends gefunden: „Die Leute sind noch frisch!“ Das Backdrop wird gedropt und es zeigt sich ein älteres dahinter. Ein gekrönter schwarzer Wolf blickt aus rotem Hintergrund herab.´Wenige Lieder später kommen die Klassiker, auf die schon viele gewartet zu haben scheinen: „Resurrection By Erection“, „Werwolfs of Armenia“, „All we need is Blood“ und „Sanctified with Dynamite“. Immer wieder mit ein paar Worten eingeleitet, so z.B. mit der Frage, wer zeltete schon letzte Nacht hier, wer spielt auch gerne mit dem Feuer und ähnlich Passendem. Dabei wird zurecht der schöne Abend erwähnt und gutes Wetter für die weiteren Tage gewünscht. Mit dem ebenfalls schon oft vernommenen „Meine sehr verehrte Gemeinde“ wird der letzte Song angekündigt. Die Messe sei zu Ende, Mr. T gesegnet und das wäre ohne das Publikum nicht möglich gewesen.
„We drink your Blood“ tönt über das Gelände, die Gläubigen zelebrieren auf althergebrachte Weise, aber mit überdurchschnittlichem Engagement und werden zum Schluss zu recht belohnt: „Summer Breeze! Ihr seid in das Rudel aufgenommen!“

 

Wir danken unserem Gastredakteur für den Beitrag und die Fotos!

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