Am Donnerstag, dem ersten „richtigen“ Festivaltag, öffnen Breezestage und Summerstage ihre Tore. Beide haben eine kleine Feinheit, eine Drehscheibe in der Mitte. Ja, das muss man mögen, als Musiker und als Zuschauer. Einige mosern ein wenig, später wird behauptet, ein Musiker hätte sich fein auf die Fresse gelegt, ich weiß nur nicht, wann das wer wie geschafft haben soll und finde auch im Nachhinein darüber keine Infos. Vermutlich ein Gerücht, gestreut von den Leuten, die den Drehteller doof fanden. Naja, es gibt keine Main und Pain Stage mehr, sondern eben eine fette Hauptbühne mit Drehteller, die auf der einen Seite die Summerstage ist und wenn sie sich dreht eine neue Band auf der Breezestage präsentiert. Doof? Jain. Wer vorne steht, steht da eben und hat den besten Platz. Wer Band 1 vorne stehen will und Band 2 total scheiße findet, muss sich durch die Masse wühlen. Wer erst zu Band 4 kommt, kann sich nach vorne durchprügeln – kein Festival ohne blaue Flecken, oder? Aber doch, ja, so genial ist das mit der Drehbühne nicht. Man steht viel statischer rum, hat eben einen guten oder einen beschissenen Platz – und irgendwann ist jeder Platz beschissen, weil Hunger, Pipi, Durst, andere Band.
Aber gut, wir meckern nicht, sondern verpassen erstmal gepflegt den Auftritt von Firkin, The New Roses, Fit for an Autopsy und bekommen nur Bruchteile von Erdling und While She Sleeps mit.
Erdling stehen mit ihrem Dark Wave Set auf der Camel Stage. Man kann einen guten Platz ergattern, aber man merkt, die Leute sind da, es ist voller. Vielen ist die Gruppe noch unbekannt, sie erinnern ein bisschen an Eisbrecher und NDH Größen, aber was sie machen, gefällt den Anwesenden, die das honorieren. While She Sleeps werden mit Sprechchören gefeiert. Der Auftritt ist rund und auch wenn ich ihn nicht ganz gesehen habe, es wurde viel geboten.
Dann folgte die spannende Frage: Was nun? Warten auf Miss May I oder schnell rüber zu Oceans Ate Alaska, die ich nicht mal kenne, oder gleich rüber zu Fight The Fight – die ich auch nicht kenne und bis zu deren Beginn einige Zeit verstreichen würde. Ach, warten wir einfach mal und beobachten die Reaktionen auf die neue Stage. Und da ist auch schon ein bisschen Unmut und Getümmel, wobei der Platz noch gar nicht brechend voll ist. Miss May I haben die Arschkarte schlechthin gezogen und verdienen vollstes Mitleid: Bei der Anreise geht das komplette Equipment verloren, der Auftritt droht ins Wasser zu fallen. Es ist faszinierend, dass die Bands zusammenhalten und Instrumente und Co ausleihen, damit die Truppe doch auf die Bühne gehen kann. Das verdient Respekt und großen Dank an alle, die daran beteiligt waren. Miss May I danken das mit einem tollen Metalcoreauftritt, der hier und da nicht komplett rund läuft, was aber zu verzeihen ist aufgrund der Vorgeschichte. Nur deshalb bleibe ich auch stehen, sonst wäre ich mal rumgetigert zu Fight The Fight und rechtzeitig bei Within The Ruins aufgetaucht. Von denen kriege ich aber nur noch ein bisschen was mit, wieder gepflegten Metalcore, bei dem ich erstmal den Sänger suche. Als ich ankomme, höre ich ihn, sehe aber nicht, wer da singt und das irritiert mich, denn bei dem Gesang müsste man deutlich mitbekommen, wer ins Mikro brüllt. Nun ja, man sollte seine Augen manchmal auch nach unten richten. Sänger Tim Goergen steht mehrfach im Fotograben und kuschelt mit den Fans. Recht coole Sache, die honoriert wird. Whiteshaple kriege ich dann auch noch mit. Krasser Deathcore, der weder Köpfe noch Füße stillhalten lässt. Die Menge geht ab wie Schmidts Katze, mir ist es irgendwann ein bisschen zu viel. Aber was nun? Ehrlich gesagt interessieren mich die kommenden Bands erstmal weniger. Kurz überall reinhören muss also reichen und wird den einzelnen Acts sicherlich überhaupt nicht gerecht. TesseracT sind mir zu soft und sphärisch. Da fehlt mir die Power und ich suche manchmal die weibliche Stimme, denn Sänger Daniel Tompkins singt relativ hoch. Obituary werden gefeiert wie heimkehrende Helden. Die Haare fliegen, die Hände sind in der Luft und die Stimmung ist großartig. Sicherlich auch absolut berechtigt. Besser gefallen mir die Österreicher Black Inhale, die mir bis dato auch kein Begriff waren, aber dafür geht man ja auf ein Festival: Um neue Bands kennenzulernen. Ganz guter Metal im vorwiegenden Midtempo mit charismatischem Sänger. Irgendjemand hat mir gesagt: Geh zu Turbobier! Wieder Österreicher, aber dieses Mal Punk. Oh Mann, das erinnert mich an alte Zeiten, als ich noch WIZO gehört habe, da war ich … naja, viele Jahre jünger und hab das gefeiert. Turbobier hauen ihre Texte im Wiener Akzent raus – und ich bleibe hängen. Obwohl ich vorher keinen Song kannte, singe ich irgendwann die eingängigeren Passagen mit. Scheiße, das Konzept funktioniert – auch wenn ein Außenstehender die Einhörner und den Konfettiregen sicherlich seltsam findet. Ach, und noch was: Turbobier meets Helene Fischer. Mit „Arbeitslos“, dem Cover des Kotzliedes „Atemlos“, haben sie mir einen schrecklichen Ohrwurm verpasst. Ich hasse euch 😉
Decapitated mag ich nur auf Platte, hab ich festgestellt. CD in den Player und die Füße hoch – oder putzen oder joggen, egal. Hauptsache nie wieder live. Das liegt nicht an der Band, die ist gut und liefert ab, aber die Fans drehen wirklich durch. Man muss sich in Acht nehmen vor herumfliegenden Bechern, Armen, Köpfen, Füßen, Körpern. Die Crowdsurfer haben wohl Jahrestreffen und lassen sich in Massen Richtung Bühne tragen. Naja, nur mit dem Ankommen klappt es nicht immer. Der Moment ist gekommen, wo ich mich definitiv zurückziehe und das Geschehen von weitem höre und betrachte. Als nächstes geht es zu Megadeath, aber bis die anfangen, dauert es zwei Stunden. Also warten, essen, trinken und vor allem die Füße ein bisschen schonen. Die müssen schließlich noch ein paar Tage durchhalten. Megadeath brettern einfach mal drauf los. Nicht umsonst sind sie ein Teil der „Big Four“ und der Sound geht in Ohr und Blut. Das Publikum tobt, jubelt, singt mit, tanzt und ist nicht mehr zu halten. Da werden auch die Textpatzer schnell verziehen. Was die Fans weniger gut finden, ist der vorzeitige Schluss. Vielleicht den ein oder anderen Song dann doch etwas zu schnell gespielt. Die Masse macht einen zwar irre, aber trotzdem ist mein erstes Megadeathkonzert absolut genial. Die „Großen“ zu sehen macht einfach Spaß und ist ein Haken auf der Must-See-Liste. Nile haben es da schwerer, werden aber auch herzlich willkommen geheißen und abgefeiert. Der erste „richtige“ Tag kommt super an. Das Lineup passt und für manche würde es jetzt schon reichen, aber es kommt ja noch was. Moonspell wurden von einer eingefleischten Fangemeinde sehnsüchtig erwartet. Manche zittern ein bisschen und sehen immer wieder auf die Uhr, um noch Amon Amarth sehen zu können. Aber es ist halt Moonspell und die will man dann doch nicht komplett verpassen. Der weibliche Gesang bei „Raven Claws“ kommt vom Band, was die Menge wohlwollend hinnimmt. Es geht einmal quer durch die Alben der Band, auch wenn die neueren Songs eher spärlich vertreten sind. Aber wen stört das schon? Ein bisschen hallen Amon Amarth herüber. Bestes Vikingerbühnenbild präsentiert sich den Zuschauern, die mal wieder durchdrehen. Obwohl man die Band ja schon einen Tag zuvor sehen konnte, ist es brechend voll vor der Hauptbühne. Das Gedränge ist enorm, die Stimmung auf dem Höhepunkt. Nun gibt es auch endlich Feuer und die obligatorische Pyroshow. Sogar ein Gast ist dabei, keine Geringere als Rockröhre Doro Pesch! Die vergnügt sich auf der Bühne und gibt ihr Bestes. Passt ziemlich gut rein. Wer aufmerksam die Show verfolgt – was ich nicht mal komplett getan habe -, fühlt sich irgendwann erschlagen von den ganzen Effekten, Backdropwechseln, Feuerschriften und Verkleidungen. Es scheint, als wolle Amon Amarth komplett alles auffahren, was sie jemals gezeigt hatten. Stört das? Ja und nein, die meisten ignorieren es und feiern einfach den besten Auftritt der Band überhaupt. Da kann dann auch In Extremo nichts mehr toppen. Die fangen erst mal später an, feiern aber ihr tausendstes (!) Konzert und haben dafür alle Hits und ebenfalls reichlich Pyroshow im Gepäck. Auch hier offenbart sich ein Special Guest, Kreator Frontmann Mille Petrozza. Die Menge singt mit und auch wenn es nicht mehr ganz so voll ist wie beim vorangehenden Act, ist die Stimmung fabelhaft. Beendet wird das Ganze wohl mit einem Feuerwerk, doch das kriege ich schon nicht mehr mit, sondern nur im Nachhinein erzählt.
Was für ein geiler Tag! Tolle Bands, tolle Auftritte und Festivalstimmung vom Feinsten. Dass es bis 3:15 Uhr weitergeht, ist eine feine Sache, aber für mich definitiv zu viel.