Als ich zu Jahresanfang auf dem Epitaph Konzert in Garching/Alz war, erzählte mir Gitarrist Cliff Jackson, dass sie im Herbst zusammen mit der Krautrock-Legende Jane und dem Hardrock-Kracher Fargo einen Konzertabend im Münchner Backstage spielen würden. Ein komplettes Hannoverpackage also. Hannover war in den 70ern ein regelrechter Schmelztiegel des Kraut- und Hardrocks. Bands wie Eloy, Epitaph, Jane, Dull Knife, Lady, Harlis, Scorpions, Accept oder deren Seitenableger, alle kamen aus der Leinestadt und vermischten sich des Öfteren auch untereinander. Da ich von allen drei Bands fast alle Platten mein Eigen nennen kann, die Band Jane als Fan seit den 80ern schon zigmal live gesehen habe, Fargo dagegen noch nie, obwohl ich „I’m a Loser“ als Diskjockey schon oft aufgelegt habe und den Song sehr gern mag, war der Termin natürlich Pflicht für mich.
Also an besagtem Freitag ins Backstage gepilgert und ab in die mittlere Halle der Location. Nach einem kurzen Plausch mit Epitaph-Gitarrist Heinz Glass am Merchandise-Stand gingen pünktlich um 20:00 Uhr die Hallenlichter aus und die Musiker von Fargo betraten die Bühne. Seit Anfang an dabei ist Bassist Peter Knorn, genannt Fargo-Peter. Fargo hatten zwischen ’79 und ’82 vier LPs veröffentlicht und 1984 nach einigen Wechseln im Line-Up den Namen in Victory geändert und damit als eine der wenigen deutschen Bands damals auch in Übersee einiges an Erfolg vorweisen können. Satte 36 Jahre später stiegen Fargo empor wie der Phönix aus der Asche und brachten ein neues Album namens Constellation an den Start. Jetzt also München und mit „Step back“ krachte auch gleich der Eröffnungstrack des neuen Albums aus den Boxen. Neben dem unverwüstlichen Peter Knorn standen Rückkehrer Peter Ladwig und Arnd Schulz an den Gitarren, und Nikolas Fritz von Mob Rules hinter der Schießbude auf der Bühne. Arnd Schulz war schon in den 70ern früher bei Harlis und Jane an den Saiten zu Gange. Sofort sprang der Funke von der Band zum Publikum über und die Band wurde reichlich abgefeiert. Wenn ein neues Album am Start ist, will erfahrungsgemäß jede Band das Teil auch live vorstellen. Das war auch hier der Fall, aber Fargo bedienten auch die alten Alben und so donnerte anschließend vom Wishig Well Debutalbum „Little Smile“ durch die Halle, ehe mit „Leave it“ wieder ein neuer Track zum Zuge kam. Dem aufmerksamen Beobachter dürfte schon zu Anfang der Plastikschlauch am Mikroständer von Peter Ladwig aufgefallen sein. Der Schlauch führte zu einer Talkbox, die den Gitarrensound mittels Luftmodulation in der Mundhöhle verändert. Die Gitarre singt dadurch sprichwörtlich. Spontan fällt einem dazu das sensationelle Livealbum Frampton comes alive ein, bei dem der ehemalige Humble Pie Gitarrist Peter Frampton die Talkbox zu hohen Weihen erhob und der breiten Masse bekannt machte. Im Falle Fargo konnte das natürlich nur eines bedeuten, und mein Wunsch wurde auch sofort danach erfüllt. Vom No Limit Album kam das unvermeidliche „I’m a Loser“ mit dem singenden Mittelteil an die Reihe, welches die Münchner auch mächtig mit Applaus bedachten. Fargo hatten sichtlich ihren Spaß an dieser Party und feuerten mit „Little Miss Mystery“ vom Frontpage Lover Album auch gleich den nächsten alten Kracher ab, ehe mit „Don’t talk“ und „Buzz Buzz“ wieder aktiv Werbung für die neue Constellation-LP gemacht wurde. Als vorletzter Track kam eine Coverversion an die Reihe, die fast ein jeder Rockfan kennt. Ursprünglich 1969 auf dem Debutalbum der Allman Brothers beheimatet, aber durch die Südstaatenrocker Molly Hatchet bekannt gemacht, donnerte nun „Dreams i’ll never see“ aus den Boxen, musikalisch eher an die Molly Hatchet Version angelehnt als an die Allmans. Den Track durfte Arnd Schulz mit seiner Stimme veredeln, was auch sehr gut klang. Das abschließende „Hard Attack“ vom F-Album rundete einen rundum gelungenen 50 Minuten Auftritt aus alten Krachern und neuen Songperlen ab, der den Gästen dieses Hannoverpackages sichtlich gefallen hat. Wollen wir hoffen, dass Fargo demnächst mal auf eine Headliner-Tour gehen und sich baldigst wieder in München sehen lassen.
Da alle drei Bands sich die selbe Backline teilten, dauerte der Umbau nicht lange und schon zehn Minuten später standen die alten Krautrocker von Epitaph auf der Bühne. Die hatte ich ja Anfang des Jahres schon live gesehen und dementsprechend freute ich mich auf dieses Wiedersehen. Mit Gitarrist Cliff Jackson und Basser Bernie Kolbe standen hier zwei Urgesteine und Bandgründer auf der Stage. Gitarrist Heinz Glass spielte schon von ’77 bis ’81 bei Epitaph. Der Jungspund im Team ist Carsten Steinkämper, der 2018 als Ersatz für den geschwächten Jim McGillivray fest in die Band kam und der mit Jackson und Kolbe auch schon bei Domain zeitweise getrommelt hatte. Der Vierer legte auch gleich los wie die Feuerwehr. Mit „Big City“, „Outside the Law“ und „Woman“ krachten gleich zu Anfang drei Songs aus ihrem 1974er Werk Outside the Law aus den Boxen, ehe mit „Windy City“ das neueste Album Long ago tomorrow bedient wurde. Wie schon zuvor bei Fargo sprang auch bei Epitaph sofort der Funke über und alle waren gut drauf. Mit „Crossroads“ ging es weit zurück in die Anfangstage, genauer gesagt bis ins Jahr 1972 zu ihrem zweiten Album Stop, look and listen. Dann war „Lost in America“ am Zug und hier wurden ebenfalls alte und neue Songs gleichwertig gefeiert. „Ride the Storm“ aus dem Jahre 2009 wurde gefolgt vom Titeltrack des zweiten Albums, „Stop, look and listen“, bevor mit „One of these Days“ wieder die Neuzeit bedient wurde. Genauer gesagt das 2016er Album Fire from the Soul. Als Zugaben wurden das neue „Standing like a Rock“ und das 82er „Ain’t no Liar“ vom Danger Man Album abgefeuert und beschlossen nach 65 Minuten einen prächtigen Auftritt. Wie schon zu Beginn des Jahres wurden Epitaph mit donnerndem Applaus bedacht, und das auch zu Recht. Bleibt zu hoffen, dass die Herren Jackson, Kolbe und Co. nicht müde werden, uns weiterhin mit frischem Material und Auftritten zu bedienen.
Als Headliner kamen jetzt die Krautrockpioniere Jane an die Reihe. Wenn jemand nach Bands aus dem Krautrockbereich gefragt wird, kommt fast immer Jane als Antwort. Da es von Jane mittlerweile sage und schreibe vier (!) Bands gleichen Namens gibt, hat ein Gericht vor Jahren entschieden, dass die unterschiedlichen Bands nur mit Namenszusatz werben und spielen dürfen. Die als Original-Nachfolger angesehene Formation war heute als Peter Panka’s Jane an der Reihe. Nachdem uns Jane-Gründer Peter Panka bereits 2007 verlassen hat und im August diesen Jahres auch Charly Maucher, ist von der alten Besetzung nur noch Gitarrist Klaus Walz dabei. Der war allerdings bei der Gründung noch nicht dabei, der war nämlich seinerzeit damit beschäftigt, Epitaph aus der Taufe zu heben. Auch nicht grad der Jüngste war Drummer Achim Poret, hat er doch 1974 schon auf dem Outside the Law Album von Epitaph mitgetrommelt. Das Epitaph Trio im heutigen Jane-Line-Up perfekt machte Bassist Bernie Kolbe, grad vorhin noch mit seiner Hauptband Epitaph zu Gange. Hat Bernie doch schon in den 90er Jahren zusammen mit Klaus Walz bei Jane die vier dicken Saiten gezupft. Nachdem Charly Maucher Ende August leider verstorben ist, musste für die bereits gebuchten Gigs ein gleichwertiger Ersatz her und Bernie kannte ja die Songs. Die beiden Jungspunde Corvin Bahn und Niklas Turmann vervollständigen das aktuelle Line-Up von Jane. Die beiden „Neulinge“ spielen aber auch schon seit zehn Jahren bei Jane und kamen von der Rockband Crystal Breed. Los geht’s gleich mal mit einem der Klassiker aus dem Jane-Katalog. „All my Friends“ vom legendären ’77er Livealbum Live at Home, das natürlich bei den Zuhörern bestens ankam. Jane blieben weit in der Vergangenheit und nach dem ’75er „Lady“ kam der Titeltrack ihres ’76er Albums Fire, Water, Earth & Air an die Reihe, ehe mit „Tomorrow“ aus dem Jahre 2006 die Neuzeit bedient wurde. Das Trio der alten Haudegen Walz/Kolbe/Porat stand souverän wie ein Fels in der Brandung auf der Bühne und ließ die Gäste jubeln. Keyboarder Corvin Bahn agierte leider etwas schüchtern und zurückhaltend hinter seiner Tastenburg. Da könnte etwas mehr kommen, mehr Schweineorgel, etwas mehr Progressivität. Gitarrist Niklas Turmann war für mich persönlich ein Fremdkörper, der nicht so recht ins Bandgefüge passte. Sein Gesang war nicht immer passend von der Stimmlage oder Intonation und gitarrentechnisch war mir da etwas zu viel Brimborium im Spiel. Ein guter halber Quadratmeter an Effektpedalen zu seinen Füßen sorgte bei einigen für Kopfschütteln. Etwas zu viel des Guten mochte man meinen, sah man bei Klaus Walz doch gar keins. Da es mittlerweile doch schon etwas spät am Abend war, passten die Textzeilen des kommenden Songs „Daytime“, einem ihrer größten Hits aus dem Jahre 1972, perfekt wie die Faust aufs Auge. „Daytime is not my time, Nighttime is the right time“ – und es war auch die richtige Zeit, um weitere Kracher aus ihrer glorreichen Vergangenheit abzufeuern, als Jane noch zur deutschen Speerspitze des Krautrocks/Deutschrocks zählte. Wieder vom Livea-Album kam „Windows“, welches nahtlos in „Spain“ vom Together-Album überging. Beim letzten Track blieb Jane im Jahre 1972 und brachte mit „Hangman“ die Halle zum Kochen. Jane wurden beim Abgang gebührend gefeiert und so dauerte es nicht lange, bis sie wieder zurück auf die Stage kamen, um mit der Mitsing-Hymne „So So Long“ nach gut 70 Minuten den heutigen Krautrockabend würdig zu beschließen.
Für das anwesende Publikum, welches ein Durchschnittsalter von gut über 40 Jahren hatte, war es eine vergnügliche Zeitreise zurück in ihre Jugendjahre, die mit Sicherheit eine Wiederholung verdient hätte. Die Überraschung des Abends war meines Erachtens der Auftritt von Fargo, die nach 36 Jahren Abstinenz auch mit den neuen Songs nahtlos an ihre erfolgreichen frühen Jahre anknüpften.
(↓Fotogalerie ↓)
Setlist: Jane
01 – All my Friends
02 – Lady
03 – Fire, Water, Earth & Air
04 – Tomorrow
05 – Daytime
06 – Windows / Spain
07 – Fly away
08 – Hangman
09 – So so long
Setlist: Epitaph
01 – Big City
02 – Outside the Law
03 – Woman
04 – Windy City
05 – Crossroads
06 – Lost in America
07 – Ride the Storm
08 – Stop, look and listen
09 – One of these Days
10 – Standing like a Rock
11 – Ain’t no Liar
Setlist: Fargo
01 – Step back
02 – Little Smile
03 – Leave it
04 – I’m a Loser
05 – Little Miss Mystery
06 – Don’t talk
07 – Buzz Buzz
08 – Dreams i’ll never see
09 – Hard Attack
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