Sechs Leute fahren mit einem Boot in einen Kanaltunnel hinein. Nur einer von ihnen kommt wieder heraus, bewusstlos und mit Erinnerungslücken. Was geschehen ist, kann nicht geklärt werden, aber der kleine Ort Standedge ist seitdem von dem tragischen Ereignis überschattet. Und dann nimmt der überlebende Matthew Kontakt zu einem Schriftsteller auf, der ein Buch über das Verschwinden seiner Frau geschrieben hat. Haben die Verschwundenen eine Verbindung zueinander, die jahrelang verborgen blieb?
Die Gruppe aus sechs Leuten, die sich aus der Schulzeit kennen, ist in Standedge sehr beliebt, das wird auch dem Leser bald klar. Als Robin, der Autor, in dem kleinen Ort kommt, trifft er auf eine Wand von Schweigen und Ablehnung, wird selbst verdächtigt, überfallen und findet sich Fragen gegenüber, auf die es keine Antwort zu geben scheint. Fesselnd berichtet Chris McGeorge von dem kleinen Ort, beschreibt seine Bewohner, charakterisiert sie mit scharfen Worten. Bald schon fühlt man sich selbst wie ein Eindringling, der zusammen mit Robin nach Standedge gekommen ist, um die Wahrheit herauszufinden. Man wird das Gefühl der Beklemmung nicht los und immer weiter in ein Netz aus Ungereimtheiten und Lügen verstrickt.
McGeorge baut unheimlich viel Spannung auf und gerade dann, wenn man nach der Lösung sucht, sich denkt, dass es jetzt aber mal weitergehen muss in der Geschichte, hat er einen weiteren Dreh parat, der wieder die volle Aufmerksamkeit auf sich zieht und mehr Fragen aufwirft, als beantwortet. Er selber gibt an, ein großer Fan von Agatha Christie und Sir Arthur Conan Doyle zu sein und das merkt man dieser Geschichte auch an. Das Offensichtliche bleibt dem Leser als Randnotiz nicht in Erinnerung, es gibt zahlreiche Verwicklungen und am Ende fügt sich aus vielen kleinen Puzzlestückchen ein großes Bild zusammen. Klasse konstruiert und spannend bis zur letzten Seite.
5/5
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Chris McGregor – Der Tunnel. Nur einer kommt zurück
Knaur, 2020
352 Seiten
Taschenbuch: 14,99 €