1993 veröffentlichte Markus Winter seinen ersten Longplayer. Der damals 19-Jährige schaffte es mit seiner Band CRY sogar, einen Radiohit zu landen und enterte mit „Longing for Fire“ die Charts. Es folgten viele Alben, Bandprojekte und sogar das Hörspiellabel WinterZeit. Nun meldet sich der vielseitige Künstler mit einem neuen Album zurück.
Pale Horse heißt die neue Scheibe, wird in das Rock-Genre gerückt und beginnt total anders, als erwartet. Synthklänge, die einen sofort zurückwerfen in dunkle Tanzsäle mit Schwarzkitteln. Die kurzen Gitarreneinschübe lassen vermuten, dass man in eine rockige Richtung gehen wollte, sich dann aber doch umentschieden hat. Langweilige Nummer, die zwar ein nettes Riff hat, aber nicht hängenbleibt. Und warum denkt eigentlich jeder, es muss immer eine weibliche Singstimme geben? „Dancing Into Danger“ ist eher ein Tanzen in die Langeweile. „Original Sinner“ fängt da schon vielversprechender an mit wirklich guter Gitarrenarbeit. Auch hier würde ich Rock als ein zu weitgefasstes, optimistisches Genre bezeichnen. Es ist einfach kein Rock. Punkt. Warum darauf herumreiten? Nicht, um irgendwas schlecht zu reden, sondern um falsche Hoffnungen von Beginn an im Keim zu ersticken. Es ist einfach nicht, was man erwartet. Eine etwas härtere Popnummer, die aber durchaus gefällt. Dritter Song, dritte Überraschung? „Dark Light“. Da ist was, das gefällt. Das ist sogar rockig im Hintergrund, ansonsten etwas verträumt, fließend, schmaler Gesang mit zarter Stimme. Man skipt nicht weiter, man feiert das Lied aber auch nicht. Zack, nächste Klatsche: „Beginning Of An End“. Würde auch sehr gut zur Roten Hochzeit in Game of Thrones passen, textlich und musikalisch, es ist sanft, traurig, tragend, bricht ein kleines bisschen aus im Refrain. „Thunder Strike“ klingt härter, ist dann auch wieder etwas powervoller. Treibender Rhythmus, etwas gepresster Gesang. Es ist der fünfte von 17 Tracks – und die Lust auf das Album schwindet rapide, gleichzeitig bleibt eine gewisse Neugier, was denn noch so auf den Hörer wartet. Denn eines kann man WINTER nicht absprechen: Sie sind abwechslungsreich. „Face To Face“ wieder anders, danach ein Dio-Cover – Moment, was? Der Song heißt „Bride Of The Meadow“ und beginnt wie „Holy Diver“, geiles Riff, geklaut, aber gut, und dann ein geradezu schrecklich impotenter Gesang, der alles vernichtet. Hier schaltet man aus. Weitere zehn Songs? No way! Warum zerstört man sich selbst so?
„Sweet Desdemona“, ja, toll. Nicht der schlechteste Track auf dem Album, könnte auch fast eine nette rockigere Ballade sein. „Break Of Dawn“, „Wanna Know Why“ – reinhören! -, „A Million Days“, „Mercy“. Immer noch vier Songs übrig, einen habe ich absichtlich ausgelassen, den sparen wir uns bis zum Ende auf. Es sind Ansätze da, es sind Riffs da, rockige Elemente, es hat sich einer wirklich Gedanken gemacht und ist da mit Herzblut ins Studio, keine Frage. Aber WINTER ist einfach drüber. Zu viel von allem und zu wenig von einer Linie. „Fire Down Below“ wieder langweiliger, „Heart Of The Warrior“ erinnert and diese alten James Dean-Filme, jung, wild, frei, durch die Straßen tanzend, wütend, zerrissen in sich selbst. Und klar, das ist schon ein Schlachtruf „I fight for Rock’n’Roll“, kann man sich live gut vorstellen, wenn das Publikum diese Zeile einfach mal der Bühne entgegenbrüllt. Titeltrack „Pale Horse“ beginnt wie eine Rockhymne, driftet ab in irgendwas Goth-Rock-Balladeskes mit starkem Refrain – und fasst damit die Unentschlossenheit des gesamten Albums zusammen. „I Wanna Live“ bildet den Abschluss – leider muss man sagen: Endlich!
Aber einen Song sind wir noch schuldig, Song Nummer 10. „Mad World“. Dahinter verbirgt sich genau das. Ein Cover. Entweder macht man daraus eine schnulzig-traurige Heulnummer oder eine absolut abgefahrene Rocknummer, die alles an die Wand spielt. Aber sowas Triviales, Nichtssagendes mit weiblicher Backgroundstimme lässt man einfach mal stecken.
Das Cover in blau-schwarz-weiß gehalten zeigt jenes weiße Pferd mit Sensenmann. Auch das passende Bibelzitat Offenbarung 6, 8 ist eingearbeitet, da weiß man gleich, was kommt – und irgendwie auch nicht. Die Aufmachung die Vorschusslorbeeren lassen etwas ganz anderes vermuten. Die Facebookseite verspricht erstmal Rock und auch wenn das ein sehr weitgefasster Begriff ist, man hat doch Erwartungen von etwas mehr. Die Stimme ist gut, aber absolut nicht zum Genre passend, da fehlen Kraft, Härte und Wut. Hört man das Album durch, hat man den Eindruck eines Ein-Mann-Projekts, alles Synthies und reines Programming, keine Band, die da gespielt hat. Der Stilmix innerhalb der 17 Songs ist zu viel von allem. Ein bisschen weniger Mix, ein bisschen mehr gerade Linie, das hätte dem Album immens geholfen. Fast scheint es, als wollte der Musiker alles, was er an Können und Ideen hat, in einem einzigen Album zur Schau stellen. Sehr schade, denn es ist einiges wirklich Gutes dabei. Auf der Website fragt Winter selbst, welche Richtung es ist und sagt dann, dass er er es selbst nicht wisse, Musik, die er mag, von allem etwas. Das ist eine absolut treffende Beschreibung.
2/5
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WINTER – Pale Horse
Drakkar Entertainment / Soulfood
VÖ: 08.10.2021
CD: 16,99 €
Tracklist:
Dancing Into Danger
Original Sinner
Dark Light
Beginning Of An End
Thunder Strike
Face To Face
Bride Of The Meadow
Sweet Desdemona
Break Of Dawn
Mad World
Wanna Know Why
A Million Days
Mercy
Fire Down Below
Heart Of The Warrior
Pale Horse
I Wanna Live (Bonus Track)