Er hätte der Jim Morrison unserer Zeit sein können. Ausgestattet mit einer unverwechselbaren Stimme und Charisma, stieg Mark Lanegan Anfang der Neunzigerjahre mit seiner Band The Screaming Trees zu einer der Topbands der Grunge-Ära auf. Um dann umso tiefer abzustürzen. Drogensucht, Obdachlosigkeit und Straßenkriminalität waren die Folge. Doch während viele seiner Freunde wie Kurt Cobain das Jahrzehnt nicht überlebten, gelang Lanegan die Rückkehr auf die Bühne. (Quelle: Klappentext: Heyne Hardcore/Amazon)
Besser kennen gelernt habe ich Mark Lanegan erst durch seine späteren Solo-Alben, insbesonders durch das 2012er Album Blues Funeral und dem darauf enthaltenen Song „Bleeding Muddy Water“. Sicherlich wusste ich bereits in den 90ern von den Screaming Trees, aber viele der damaligen Grunge-Bands gingen eigentlich ziemlich an mir vorüber, Persönliches vom Menschen Lanegan kannte ich erst recht nicht. Erst seine späten Alben mit ihrem düsteren rauchigen Sound schraubten den Künstler Mark Lanegan in meine Hirnwindungen. Nun also eine Autobiografie. Biografien gibt es ja sehr viele, von Leuten, die meinen so interessant zu sein, dass sich alle Welt für sie interessiert, als auch von Menschen, die was zu sagen haben. Schon der Buchdeckel machte das Buch für mich interessant. Lanegan in einer Macho-Pose a la „komm her und ich hau dir auf die Schnauze“ steht da herausfordernd da. Hardcover mit 448 Seiten, also ein ziemlicher Wälzer, der satt in der Hand liegt. Nun also mal schauen, was der Herr Lanegan zu sagen hat.
Bereits die ersten Zeilen deuten auf eine harte Kindheit und Jugend hin. Mit einfachen Worten und direkt geschrieben, nimmt uns Mark Lanegan mit auf eine Reise. Eine Reise, die sehr viele Leute vermutlich nicht überlebt hätten. Brutal und direkt erzählt Lanegan vom Aufstieg und Fall eines musikbesessenen Sängers im seinerzeit echten wilden Westen der USA, der einfach nur seinen Traum ausleben wollte. Das Aufkommen der Grunge Welle mit all den bekannten Namen und Personen, von denen viele mit ihm befreundet waren oder noch sind. Aber wie heißt es so schön? Nach dem Aufstieg kommt der Fall, und gefallen ist Mark Lanegan. Sehr tief gefallen, wie es eigentlich kaum noch tiefer runter geht. Sein Leben, seine Erfahrungen in den allertiefsten Niederungen beschreibt uns Lanegan in allerdeutlichsten Worten. Er hat so gut wie nichts ausgelassen. Alle möglichen Drogen eingeschmissen, Lug und Betrug, gebrochene Versprechen, Körperverletzung, Obdachlosigkeit … alles schonungslos offenbart. Lanegan wollte aus diesem Teufelskreislauf eigentlich nie so richtig raus, zu schön war der Zustand, wenn das Drogenlevel im Körper ausgeglichen hoch war. Gelegenheiten hatte er immer wieder genug, aber die Sucht war stärker. Der Dämon Heroin behielt die Oberhand über sein Leben. Einer nach dem anderen fiel der Teufelsdroge zum Opfer, der Suizid seines Kumpels Kurt Cobain, dem legendären Sänger und Gitarristen von Nirvana ist nur ein kleiner Puzzlestein, der in das gesamte, erschreckende Bild passt. Sein Leben, seine Reise ging weiter und unaufhaltsam nur in eine Richtung: Nach unten an den Grund. Aber es heißt auch: Du musst erst ganz unten sein, um wieder nach oben zu kommen. So wie der Sagenvogel Phoenix erst brennen muss, um aus seiner eigenen Asche wieder aufzustehen, so gelang es Mark Lanegan den Teufel zu besiegen. Lanegan war ganz unten an der Talsohle, noch weiter hätte seinen Tod bedeutet, aber Lanegan ist zurückgekommen. Er hat den Teufel besiegt. Seit einigen Jahren clean, lebt der heute 56jährige in Los Angeles und macht bessere Musik denn je, nach meinem Erachten. Seine schonungslosen Songtexte spiegeln sich auch wider in den ehrlichen harten Zeilen dieses Buches. Mit kompromisslosen Worten beschreibt er all das Dunkel dieser Welt. Man muss kein Grunge-Freund, kein Lanegan Fan sein, um dieses Buch zu lesen. Viel zu viele Musiker gingen bereits diesen Weg durch die Knochenmühle des Musikbusiness, wo all die unzähligen Fallstricke sie zu Boden brachten. Der Teufel wartet nur darauf, sie mit seinen Mittelchen in Empfang zu nehmen.
So manchen mögen Mark Lanegans Worte als Warnung diesen, anderen als Erklärung, warum es seinerzeit so und so lief. Ehrlich und brutal, so lässt sich dieses Buch am besten beschreiben. Eine schonungslos offene Beichte, wie ich sie selten zuvor gelesen habe, welche zu Recht meine volle Punktzahl verdient hat.
5 / 5
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Mark Lanegan – Alles Dunkel dieser Welt
Heyne Hardcore, 2021
448 Seiten
Hardcover: 24,00 €
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