Ausnahmemusiker, Percussionist der Extraklasse, Traumtrommler, kultureller Brückenbauer, Klangforscher, Rock-Rebell, Inspirator, Freejazz-Pionier, musikalischer Grenzgänger, globaler Netzwerker, Kosmopolit, Mann für alle Felle, Enfant Terrible der zeitgenössischen Musikszene … , das sind nur einige der Attribute, die dem Schlagzeuger Mani Neumeier zugeschrieben werden. Er gehört zu den besten Percussionsvirtuosen Europas, hat mit vielen namhaften Musiker/innen der Rock- und Jazzszene kooperiert und nicht zuletzt als Mastermind der Band „Guru Guru“ ein gutes Stück Rockgeschichte geschrieben. Seine Markenzeichen sind vor allem eine im sog. Krautrock eher seltene Kombination von erstklassigem handwerklichen Niveau mit einer würzigen Prise zappaeskem Humor und anarchisch-kreativem Lebensgefühl sowie kongenialen Verknüpfungen eines unbändigen musikalischen Freiheitsdrangs mit ebenso komplexen wie strengen rhythmischen Strukturen. Nicht zu vergessen sein besonderer Sinn für Grooves und einem ausgeprägten Jazz-Feeling. Oder seine Verdienste um die Entwicklung des Schlagzeugs als eigenständiges Soloinstrument. Was ihm auch International großen Respekt verschafft hat, namentlich im fernen Japan, wo er als Solist und mit seiner Band Guru Guru Kultstatus genießt. Der Autor Thomas Wehler ist mit Mani Neumeier bestens bekannt und skizziert hier dessen Lebensweg, kreatives Wirken und den personellen und zeitgeschichtlichen Kontext einer außergewöhnlichen Schlagwerker-Karriere. Ergänzt durch zahlreiche Fotos und eine sachkundige Einführung in Leben und Werk des Unikums Mani Neumeier vom Musikpublizisten Volker Rebell. (Quelle/Klappentext: Heupferd Musikverlag/Amazon)
Ich bin Krautrockfan, und wenn man den Krautrock mag, kommt man an Guru Guru nicht vorbei. Der gebürtige Münchner Mani Neumeier ist eines der Aushängeschilder dieser Musiksparte, und mit dem Elektrolurch (der übrigens in der Lüsterklemme neben dem Hauptzähler wohnt) ist er auf sehr vielen Krautrock-Best-of-Samplern vertreten. Man kennt besagten Lurch und eben auch seinen Schöpfer Mani Neumeier. Es ist also naheliegend, dass auch irgendwann ein Buchportrait über Mani erscheint. Der Musikpublizist Thomas Wehler, laut Klappentext mit ihm bestens bekannt, hat sich der Sache angenommen und ein optisch ansprechendes Buch geschrieben: Hardcover und vorn mit einem Bild vom Tausendsassa Mani in typischer Pose versehen, macht das sofort was her. Da ich selber seit den 80er Jahren Guru Guru Fan bin, fast alles an Vinyl vom Mani in meiner Sammlung stehen hab, Neumeier zigfach live gesehen und kennen gelernt habe, ist dieses Buch Pflichtlektüre für mich.
Los geht’s mit einer Einführung von Volker Rebell, die satte 21 (!) Seiten dauert. Dann erst beginnt das eigentliche Portrait. Schon während der ersten Seiten bin ich immer wieder über den Schreibstil und das extreme Durcheinander verwundert, das Thomas Wehler an den Tag legt. Viele kleine Kapitel oder Abschnitte lassen sehr oft einen chronologischen Kontext vermissen. Vieles ist, oder erscheint einfach wahllos dazwischengeschoben. Es liest sich nicht so fließend, wie man es von einer Biografie oder Portrait erwarten würde. Der eigenartige, teilweise extremst ins Intellektuelle rutschende Stil ist ein Geschwurbel, in dem man so manchen Satz zwei- oder dreimal lesen muss, bis man ihn kapiert. Was soll man zum Beispiel von einem solchen Satz halten? „Die Maschinerie des Vorscheins: in den massenkompatiblen Ausformungen der Rockmusik etablieren sich Virtuositätchiffren, mehr oder weniger symbolische oder andere Realisierungen des Kanons des Vorscheins, ehrliche Schwitzrocker beim schwitzenden Rockschwitzen, wieselflink wieselnde Finger des sinnbefreiten Endlosgenudels.“ (S. 99) Dieses angesprochene Endlosgenudel hat der Autor Thomas Wehler anscheinend zum Motto für dieses Buch erkoren. Zu oft kommen solch ähnliche Ketten- oder Endlossätze im Text vor. Dazwischen immer wieder Rechtschreibfehler, falsche oder vertauschte Buchstaben. Wenn man sich das Redigieren oder Lektorieren eines Textes ersparen will, dann bitte … das Ergebnis sieht man hier. Mit einer chronologischen Abfolge, einer durchgehenden Zeitachse wäre das Ganze einigermaßen lesbarer geworden. Leider sind immer wieder Textabschnitte dazwischengeschoben, die den Lesefluss durcheinander bringen. Bekannte Fakten werden irgendwie durcheinander oder falsch erwähnt. Als Beispiel nehmen wir ein Kapitel, dessen Überschrift lautet „Die ach so speziellen 1970er klingen langsam aus.“ Das Kapitel handelt also von den späten 70ern und im Text wird explizit die Münchner Band Out of Focus genannt (fehlt dann allerdings im Namensregister am Ende) – die sich bereits ca. 1974 nach den Recordings für ihr letztes Album auflösten. Muss man also jetzt nicht unbedingt kapieren.
Thomas Wehler „hat sich daneben unter seinem Künstlernamen Bdolf mit „dadaistischer“ Literatur und Perodika [sic!] einen Namen gemach.“ [sic!], heißt es auf Amazon in der Autorenbeschreibung. Hat Wehler das selber so geschrieben? Zu vermuten wäre es, da der Begriff Perodika sogar Google unbekannt ist und sich auch hier die Rechtschreibfehler durchsetzen. Vielleicht ist das aber auch eine speziell gewollte Form seines Dadaismus, den ich nicht kapiere.
Hat Thomas Wehler komplett ignoriert oder vergessen, wer die Zielgruppe eines Guru Guru/Mani Neumeier Buchs im Normalfall ist? Alte und neue Musikfans und im Speziellen Krautrockfans wollen kein pseudodadaistisches, intellektuelles Endlosgenudel lesen, sondern eine Story über den sehr volksnahen Musiker Mani Neumeier. Tja … ich selber kenne Mani Neumeier auch schon seit fast 40 Jahren persönlich und muss das nicht explizit überall erwähnen, was ich hiermit trotzdem mache.
Ich musste mich manchmal regelrecht durch diese Seiten quälen, damit ich es fertiglese. Dieses Buch hat in meiner Bewertung eigentlich null Punkte verdient. Lediglich einige Abschnitte am Ende, „Der Zeitapfel“, „Die Menschen“, „Die Lesetipps“ und „Die Discographie“, die ausführlich gehalten sind, lassen mich den einen Trostpunkt vergeben. Das Glossar hätte Wehler sich komplett sparen können. Wörter wie „Joint“, „Psychedelisch“ oder „Timing“ müssen nicht unbedingt einem Leser erklärt werden, insbesondere nicht der aufgeführte Begriff „VW-Bus“.
Eigentlich kann man sich dieses Buch komplett sparen…..
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Thomas Wehler – Mani Neumeier und der Guru Guru Groove. Ein Portrait
Heupferd Musik, 2021
204 Seiten
Hardcover: 24,00 €