Buch: Carla Berling – Was nicht glücklich macht, kann weg


Bei Billie muss alles geregelt sein. Sie hat Prinzipien, einen festen Tagesablauf und genießt den Ruhestand zusammen mit ihrem Mann. Doch dann ruft Jonas an, nach Jahren, und bittet darum, sich um den Enkel zu kümmern. Natürlich sagt Billie ja und hofft, wieder mehr am Leben ihres Sohnes teilhaben zu können …

Carla Berling weiß, wie sie Kölner Lokalkolorit einfängt, sich über Konventionen hinwegsetzt und alten, verstaubten Prinzipien und Moralvorstellen den Kampf ansagt. Mit ihrer neuen Komödie nimmt sie vor allem den Kleinstadtmief auf’s Korn. Protagonistin Billie kennt das Leben nicht anders. Sie mag ihr Haus in der spießigen Siedlung und auch wenn ihr die Nachbarn manchmal ganz schön auf den Keks gehen, ihr gefällt es. Doch als sie Knall auf Fall ihre Sachen packen und mit ihrem Mann Thilo nach Köln in das Haus ihres Sohnes ziehen muss, ändert sich ihr Leben schlagartig. Die Großstadt pfeift auf Konventionen und verstaubte Ansichten. Da hält man zusammen, feiert, steht morgens einfach vor der Tür und verlangt einen Kaffee und überfällt einen abends zum gemeinsamen Grillen. Diese Offenheit und plötzliche Nähe fällt Billie schwer – und dann weiß der bunte Freundeskreis ihres Sohnes noch so viel mehr über sein Leben als sie selbst. Das nagt.

Der Leser kann die Zerrissenheit der Hauptfigur gut nachvollziehen. Schnell findet er sich ein in das dargestellte Leben und diesen plötzlichen Umbruch und fragt sich: Wie würde ich denn reagieren? Es werden unterschiedliche Menschen und Charakterzüge dargestellt, dass sich jeder irgendwo wiederfinden kann. Egal, ob es nun die spießige und prüde Billie ist oder eine der Kölner Frohnaturen, die sie aus ihrem Trott herausreißen und zeigen, dass das Leben so viel mehr zu bieten hat als alten Muff. Neben all der Aufbruchstimmung, die mit viel Humor beschrieben wird und einen immer wieder schmunzeln lässt, ist da aber noch die ernste Seite, die bei Berling auch nicht zu kurz kommt. Da schwelen alte Konflikte, viel Unausgesprochenes, das jahrelang die verschiedenen Figuren belastet und begleitet hat. Bald wird klar, dass durch das Schweigen so viel wichtige Lebenszeit vergeudet worden ist, die man nicht mehr zurückholen kann. Wie bereits in den letzten Romanen, verweist die Autorin auf die Wichtigkeit der Kommunikation und macht deutlich, dass alles so viel schlimmer erscheint, wenn man es nicht ausspricht. Mit dieser klaren Botschaft gibt es nicht nur für die Akteure einen Neubeginn, sondern auch für den Leser einen Denkanstoß, den er vielleicht in sein eigenes Leben integrieren kann, denn: Was nicht glücklich macht, kann weg – und Platz machen wir das Leben, für das es nie zu spät ist und man nie zu alt wird.

Ein gelungener Roman mit einer gesunden Mischung aus Humor und Tiefgang. Das perfekte Geschenk und ein kleiner, versteckter Ratgeber für die nicht so einfachen zwischenmenschlichen Beziehung. Einzig der Schluss zieht sich ein bisschen und ist am Ende zu übertrieben, aber das kann man verschmerzen.

4/5

Carla Berling – Was nicht glücklich macht, kann weg
Heyne Verlag, 2021
288 Seiten
Taschenbuch: 10,99 €

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