Sport: Spot Fest – 18.12.2022 -Centro de Convenciones de Puerto Rico


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Auf der Urban Life Expo in San Juan (Puerto Rico) stellten nicht nur Hersteller von Sportbekleidung, Accessoires, Fitnesscenter, Vereine und Schulen aus, es gab auch Liveperformances – und da die Organisatoren und Espiritu Pro Wrestling Dojo sich gut kennen, war es selbstverständlich, dass man mehr Tickets verkaufen und auf das Dojo und die Arbeit aufmerksam machen wollte. Gleichzeitig war es der Abschluss eines aufregenden Wrestlingjahres, für das Dojo, das sich immer weiter entwickelt und größer, bekannter und wichtiger wird und nun auch endlich mehr Möglichkeiten hat, da Corona überwunden ist; aber auch für die Wrestler selbst, die in diesem Jahr persönlich neue Wege beschritten, Throne errungen und Titel geholt hatten. Das Spot Fest hatte „nur“ drei Kämpfe, aufgrund der Umstände war aber auch kein stundenlanges, ausführliches Event möglich. Doch diese Begegnungen hatten es in sich, nicht zuletzt, weil man Pedro Portillo III auf den Plan rief, der 2022 einen verdienten Karriereschub hingelegt hatte.

In der großen Halle wird neben dem Ring Basketball gespielt, Besucher laufen hin und her, kommen und gehen, werfen einen kurzen Blick zum Ring, verweilen aus Faszination oder – das muss man auch so sagen – purer Fleischeslust bei so viel nackter, durchtrainierter Haut. Den Anfang machen Reckless Harry William und El Gentil. Ersterer scheinbar immer wütend und im Ring zum Hulk mutierend, zweiterer wie eine graue Eminenz, etwas Ehrwürdiges ausstrahlend. Das Vorgeplänkel fehlt, man hat keine Zeit, scheinbar muss alles in 30 Minuten fertig sein. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die beiden sogleich aggressiv aufeinander losstürmen. Es ist aber kein sinnloses Ringen und Prügeln, man sieht traditionelle Moves, als wolle man dem Publikum jeden möglichen, kunstvollen, hart trainierten Move zeigen. Gian Carlos ist der Referee, scheinbar nur Statist in einem Schauspiel. Nun gut, in den Ring zurück, El Gentil steht außerhalb der Seile, beide wirken bereits nach zwei Minuten angeschlagen. Als er zurück in den Ring steigen will, tritt William auf das Seil, Männer können den Schmerz sehr gut nachempfingen. Das bringt den schwarz-gelben Wrestler zu Fall und beendet seine Übermacht im Ring, William macht weiter, Schläge, er konzentriert sich sehr auf den Kopf. Schade: Man hört dieses Mal das Klatschen der Handfläche auf die Brust´nicht, es wird nichts ausgelebt, wer diesen Kampf als ersten Wrestlingkampf seines Lebens sieht, wird in der Vermutung bestärkt, Wrestling sei Show. Und das ist falsch. Das ist der Nachteil, wenn man irrsinnig unter Zeitdruck steht und der Hauptkampf die meiste Zeit in Anspruch nehmen soll. Die beiden Wrestler zeigen viel, keiner wirkt sonderlich zufrieden, wie ein Damoklesschwert schwebt eine unsichtbare Uhr über ihnen. El Gentil bäumt sich auf, kann sich aber gegen den übermächtigen Gegner nicht wehren. Schöne Aktion: William hält ihn lange kerzengerade kopfüber in die Luft, demonstriert Stärke, man erwartet wieder einen Squat, der aber ausbleibt. El Gentil wirkt wie ein kleiner, dummer, unerfahrener Schüler, nicht der Kämpfer, den man kennt. Noch einmal gehen sie aufeinander los, Close Line, ein Schlag, Schreie, ein Sprung vom Seil. Der Pinversuch scheitert, der zweite ebenso. In der Aufzeichnung fehlt dieses Mal der Kommentar, das ist das Event auch wirklich nicht wert, dafür werden besondere Szenen im Replay wiederholt. Als El Gentil auf dem obersten Seil in einer der Ringecken sitzt, verrutscht seine Maske, er kann sie gerade noch halten, doch dann wird sie von William heruntergerissen, der Kampf ist vorbei. Ein mittelmäßiger Showdown, der eine solche Szene gar nicht zu würdigen weiß. Man hat El Gentil demaskiert – kein Aufschrei der Fans, keine Show dazu, nichts. „Gib die Maske wieder her“, fordert der Referee und beugt sich über den am Boden liegenden Kämpfer, der sein Gesicht mit den Händen bedeckt. Wir wussten zwar, wer sich darunter verbirgt, aber am Ende sind wir alle Wrestlingfans, die um die brachiale Bedeutung einer Demaskierung wissen – und das wird uns genommen. Für mich der absolut falsche Zeitpunkt für diese Szene, das hätte man zu Hause zelebrieren müssen, wo so etwas auch wertgeschätzt wird. Eine hinkende Storyline, eine verschenkte Chance und ehrlich gesagt, wenn man EPW nicht kennen würde, würde man das als schlechte Laiendarbietung verdammen.

Als nächstes steht ein 6 Person Tag Team Match an. Alte Rivalitäten. Nathalya Perez, Hijo del Enigma, Alfredo Melies gegen Edrax, Adam Riggs und Felix Aldea. Es wirkt chaotisch, wie alle aufeinander prallen. Man versteht nicht richtig, wer eingewechselt ist und wer nicht, aber immerhin kann Nathalya Perez zeigen, dass Wrestling auch ein Frauensport ist, der weiter geht als mit knappen Outfits, übertriebenem Make-Up spitze Schreie auszustoßen und aufzupassen, sich keinen Nagel abzubrechen. Hijo del Enigma nimmt sich gleich zwei Gegner vor, Perez ist verschwunden und Melies bearbeitet außerhalb des Rings Edrax – oder wird von ihm bearbeitet. Dann geht das Paar gemeinsam im Ring auf Riggs und Aldea los, es folgt ein Sprung nach draußen, man will etwas bieten, aber funktioniert das? Es ist fast würdelos, ein paar Zuschauer filmen und rufen die Namen ihrer Favoriten, andere werfen verstohlen belustigte Blicke zu dem Schauspiel. Die Kids mögen, was sie sehen. Aber was sehen sie eigentlich? Pinversuche von Perez, sie kämpft gegen Riggs, der ihr scheinbar nicht viel entgegenzusetzen hat. Es ist ihr Auftritt, bis Edrax in den Ring stürmt und sie an den Haaren packt. Natürlich lässt Enigma das nicht zu und wir sehen ein paar wirklich schöne Moves. Es geht schnell, jeder darf noch mal gegen jeden ran, Melies mit dem obligatorischen Frog Splash, der alles beendet. Nett, aber fast schon würdelos.

Die Uhr für die Aufnahme zeigt noch acht Minuten. Klar, die großen Entrances der vier Stars an diesem Nachmittag entfallen in der Aufnahme. Wenn man die kurzen Ausschnitte von Portillo und Mendoza sieht, wie sie zum Ring laufen, wirkt es wie ein Termin: 16 Uhr San Juan, 18 Uhr Hatillo, 20 Uhr Guyanabo (lassen wir mal die Machbarkeit dessen außer Acht) für ein paar Dollar, die das schwärmende weibliche Publikum ihnen vor die Füße wirft oder in den Hosenbund stopft in der vergeblichen Hoffnung auf… naja, nicht jeder steht auf tanzende Chippendales, manchmal müssen es verschwitzte Kämpfer sein. Portillo ist immerhin derjenige, der zu Beginn ein bisschen zieht und das Publikum bei Laune hält. Er und Mendoza sind schon die Bekannteren und kleine Helden. Die Gesichter starrten im Sommer von Plakaten in ganz Puerto Rico, als LAWE das Summerfest bewarb, Portillo wurde dort Champion, Mendoza machte sich blutüberströmt zum unsterblichen GOAT. Nun kämpfen sie in einer Messehalle, zwar vor mehr Publikum als der Rest, aber vor Rufen, Lachen, Gerede, dem Quietschen der Schuhe der Basketballspieler, wabernder Musik aus dem Hintergrund. Das sind die Kämpfe, mit denen man beginnt, als kleiner Wrestlingschüler, der von der Karriere bei der WWE träumt, von Ruhm, Ehre und Geld, und nun anfängt, einen der ersten öffentlichen Kämpfe hat, für die es kein Geld gibt, aber mit etwas Glück ein bisschen Applaus. Danach zieht man die Stiefel aus und fährt mit dem Bus in sein normales Leben zu seiner normalen Arbeit. Passiert eigentlich was im Ring? Ja. Schließlich stehen da der EPW Champion, der LAWE Champion, das EPW Monster und der GOAT und EPW CEO. Portillo brüllt Bruno an, das würde ich jetzt eher nicht tun, aber Portillo ist mutig, streckt ihm die Hand hin, streckt Androide die Hand hin, dann wieder Bruno, der sie schüttelt. Dann gehen Mendoza und Androide787 auf den Riesen los, Portillo flieht aus dem Ring. Lehrer und Schüler arbeiten ganz schön zusammen, haben aber keine Chance. Portillo schafft es immerhin, das Publikum miteinzubeziehen, dann rennt er um den Ring, steht mit Bruno alleine im Ring. Wir sehen, wie großartig Pedro Portillo III ist. Er wrestelt, zeigt seine Moves, kommuniziert mit dem Publikum, hat eine irrsinnige Mimik und Gestik parat, die eine kleine Story erzählt, eine Art David gegen Goliath. Doch dann rappeln sich Mendoza und Androide auf, die immer noch ein sehr gutes Tag Team abgeben würden, und ich muss ehrlich sagen, ich empfinde Mitleid für sie. Versteht mich nicht falsch, dieser Nachmittag ist richtig und wichtig und bedeutsam, um EPW und das Wrestling allgemein zu präsentieren, das ist mir bewusst. Gleichzeitig wirkt es aber wie die krasseste Degradierung der Geschichte, wie der krönende Abschluss eines so hoffnungsvollen Wrestlingjahres, das den verheerenden Folgen eines Hurrikans gleich tragisch unterging und Verwüstung hinterlassen hat, in der man alles langsam wieder aufbauen muss. Portillo also legt sich mit Mendoza und Androide an, verschwindet ängstlich aus dem Ring und sieht sich Bruno gegenüber, der ihn bearbeitet. Die beiden Verbliebenen sehen ihre Chance, es folgen mutige Sprünge aus dem Ring, Mendoza schafft es, den Schlag auf die Brust des LAWE Champs so laut anzubringen, dass man das Klatschen hört. Dann wird er Opfer von Bruno. Androide scheint furchtlos zu sein, prügelt auf den Hünen ein und bringt ihn zu Fall. Zurück im Ring, Mendoza, der klar macht, dass er den Gürtel möchte, Androide, der schließlich eine Ohrfeige von seinem Meister bekommt. Es ist schön, dass die beiden im Ring stehen und das Dojo präsentieren, ebenbürtig. Mendoza zeigt dann, wer er ist, gegen alle drei, bevor Androide wieder übernimmt. Und wieder stehen Lehrer und Schüler im Ring, Pinversuche, Mendoza verliert. Es ist das beste, was wir sehen, diese Szenen zwischen den beiden, wie ein Tanz, der kurzzeitig sogar die Umgebung vergessen lässt. Im Anschluss, aber nicht mehr in der Aufzeichnung zu sehen, fordert Mendoza Androide787 zu einem Titelmatch im Januar bei EPW heraus.

Das Spot Fest ist anders und wirkt wie die Darbietung der örtlichen Wrestlingschule im Bierzelt vor dem Boxkampf. Die meisten verstehen es nicht und sind nicht interessiert, nur einer ist interessant, weil der stadtbekannt ist, der Rest wird belächelt, bekommt mitleidigen Applaus und jeder sieht auf die Uhr, wann es vorbei ist. Aber das ist es, was man tun muss, Klinken putzen, sich zeigen, um Aufmerksamkeit ringen, sich vorstellen. Für einen Fan ist es sicherlich enttäuschend, für das Dojo und den Sport wichtig. Kein würdiger Abschluss für das Wrestlingjahr, aber ein notwendiger PR-Auftritt.

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