Wir schreiben das Jahr 1964, als sich ein paar junge Teenager der Robert E. Lee High School dazu entschieden haben, eine Band zu gründen. Ronnie Van Zant übernahm den Gesang, Allen Collins und Gary Rossington bedienten die Gitarren, Larry Junstrom den Bass und Robert „Bob“ Burns saß an der Schießbude. Zu Beginn wurden nach der Schule, typisch für die Zeit, Stones Lieder gecovert und im Carport gejammt. Dabei sollte es jedoch nicht bleiben. Nachdem die Jungs aus Jacksonville, Florida fünf Jahre unter diversen Namen u.a. My Backyard, The One Percent oder The Noble Five die lokale Clubszene langsam und stetig eroberten, entschieden sie sich 1969, als Hommage an ihren verhassten Sportlehrer Leonard Skinner, der diese aufgrund ihrer Haarlänge und Verstößen gegen die Kleiderordnung ihrer Schule schikaniert hat, sich einfach nach diesem zu benennen. Mit dem Austausch der Vokale in Y’s ein Jahr drauf und der Knochentour als Vorgruppe bei diversen Bands avancierte die Truppe um ihren Sänger Ronnie Van Zant zu einer der größten Gruppen Jacksonvilles und erweiterten ihr Spielgebiet.
Bei einem Gig in Atlanta 1972 wurde ein gewisser Al Kooper, ein ehemaliger Mitstreiter von Bob Dylan, und Gründer vom Blues Project und Blood, Sweat and Tears auf die Truppe aufmerksam und entschied sich dafür, sie direkt bei seinem Label Sounds of the South unter Vertrag zu nehmen und ihr Debüt zu produzieren – die Distribution übernahm MCA. Das war der Moment, auf den Lynyrd Skynyrd gewartet hat. Das ewige Perfektionieren und Tüfteln im „Hell House“, einem Farmhaus bei Green Cove Springs, hatte sich gelohnt. Kurz vor den Aufnahmesessions in Georgia hat sich der Bassist Leon Wilkeson dafür entschieden, wieder Eiscreme zu sortieren, anstatt der potentiellen Karriere eines Rockstars zu frönen. Glücklicherweise kannte die Band den Strawberry Alarm Clock Gitarristen Ed King, der für Wilkeson einsprang und dessen Bassparts bei einem Großteil der Songs übernehmen konnte – die restlichen Parts übernahm der Komponist Al Kooper selbst. Aber, gut für Leon, kommt er für die nächste Platte zurück und King, nun fest bei der Band, wechselt wieder zurück zur Gitarre wodurch sich der legendäre Gitarrensound der Three Guitar Army etablierte, aber das ist eine andere Geschichte. Fürs Coverphoto war Wilkeson schon wieder zurück, obwohl er auf der Platte nicht zu hören ist.
„I ain’t the One“ beginnt mit einem ganz trockenem Gitarrenriff, welches von einem fetzigen Lick unterlegt ist und dem Let’s-Go-Pfiff des Sängers. Lyrisch ist der Ansatz bei „It ain’t me“ von Bob Dylan. Langfristige Bindung passt dem lyrischen Ich nicht und er macht sich wieder auf die Reise, sobald es um Hochzeit oder Kinder geht. Dazu passend der Southern Rock Road-Trip Stil der Nummer. Die Keyboards im Hintergrund unterstützen das schöne Zwischenspiel der Rhythmussektion und den Gitarristen und geben einen ersten Eindruck, auf was man sich gefasst machen kann. Thematisch bleibts beim Reisen und auch wieder beim Verlassen einer Frau. „Tuesday’s gone“, später genial und etwas kräftiger von Metallica auf ihrer Garage INC. gecovert, ist deutlich gefühlvoller und kritischer im Bezug auf die Trennung und Veränderung. Schematisch dominieren hier die Tasten den Mittelteil, den Beginn und das Ende des Stücks die Gitarren. Kooper erzeugt mit einem Mellotron den Sound von Streichern, um die ganze Geschichte dramatischer zu gestalten. An der Schießbude sitzt Robert Nix von der Atlanta Rhythm Section, anstelle des Originaldrummers Bob Burns. Genug Ballade … „Gimme Three Steps“ greift den Sound der ersten Nummer wieder auf. Hier sticht der Bass hervor, der einen soliden Klangteppich für Rossington und Collins bietet, auf dem diese sich ausspielen können. Der Protagonist in den Lyrics muss ein ganz schön schlimmer Finger gewesen sein – es geht wieder ums schöne Geschlecht. Linda Lous Ehemann ist nicht einverstanden mit dessen Verhalten und zielt mit seiner 44er auf den Schuft. Der Song basiert auf einer wahren Begebenheit mit dem involvierten Ronnie Van Zant, die sich in einer Bar in Jacksonville ereignet hat. Den Abschluss der A-Seite macht das Highlight „Simple Man“ mit einer der schönsten Botschaften überhaupt. Die Beckenschläge, die dem Single-Note-Pickings des Intros eine gewisse Dramatik verleihen, erzeugen schon eine einzigartige Stimmung. Das moralische Mutter-Sohn Gespräch, wie man sein Leben gestalten soll und nach welchen Werten man leben soll (sei korrekt, sei glücklich, liebe und heirate, glaube an Gott), wird von dem sehr dynamischen Sound der Band kräftig untermalt, so dass der Song der Zuhörer einfach mitreißt. Al Kooper wollte die Nummer zu Beginn nicht aufs Album nehmen. Das wäre ein riesiger Fehler gewesen. Also haben die Jungs ihn einfach des Studios verwiesen und gesagt, er soll wiederkommen, wenn die Nummer fertig ist. Gute Entscheidung, denn der Song avancierte zu einem der erfolgreichsten und berühmtesten Songs von Skynyrd.
Das Entree zur B-Seite, „Things goin‘ on“ nimmt das Tempo von vorher raus und lässt sich zwischen Laidback-Sound und Western-Film einordnen. Der sich wiederholende Klavierpart von Billy Powell gibt einem das Gefühl, an der Bar eines Saloons zu sitzen. Der Sound wird immer amerikanischer und gipfelt bei „Mississippi Kid“. Der Song klingt so, als würde Ronnie van Zant mit seinen Freunden abends auf der Veranda beisammen sitzen und nach und nach werden die Instrumente rausgeholt. Die von Steve Katz, seinerzeit mit Kooper bei Blues Project und auch bei Blood, Sweat and Tears gespielte Mundharmonika und Koopers Mandoline ergänzen das Klangbild eines Abends in den amerikanischen Südstaaten. Apropos Südstaaten – jetzt fehlt nur noch der Booze und den gibt’s bei „Poison Whiskey“. Er bewegt sich im gleichen Fahrwasser wie die rockigen Nummern auf ersten Seite. Rifflastiges, abwechselndes Gitarrenspiel von Collins und Rossington liefert die Bühne für die coole Stimme Van Zants. „Play Free Bird“ ist ein Konzertjoke seit jeher, aber es ist auch einfach eine geniale Nummer. Die Vogelsounds der Slidegitarre und das Wahnsinnssolo zum Ende machen den Song „Free Bird“ zum Meilenstein. Mit der Freiheit eines Vogels hätten wir jetzt auch alles stereotypisch Amerikanische abhakt. Wie schon „Simple Man“ besticht „Free Bird“ durch seinen dramatischen, dynamischen Aufbau, der zum Ende in absoluter Ekstase gipfelt, die eigentlich nur als Verschnaufpause für den Frontmann bei Live-Auftritten eingeplant wurde. Mit dieser Energie beendet man das Album!
Über die Genialität dieses Debütalbums müssen wir gar nicht lange diskutieren, aber auch historisch gesehen ist es interessant, wie hier die Country Rock Entwicklung seit den Byrds oder der Nitty Gritty Dirt Band nochmal ordentlich verschärft wird. Sie treffen den vorherrschenden Zeitgeist genau auf den Punkt und kombinieren den Freiheits- und Heimatsound der USA mit progressiven Elementen. Jetzt weiß man nicht nur, wie gut sich das anhören kann, sondern auch wie man die Band mit den vielen Y’s eigentlich richtig ausspricht.
(Pronounced ‚Lĕh-’nérd ‚Skin-’nérd)
A1 – I ain’t the one
A2 – Tuesday’s gone
A3 – Gimme three Steps
A4 – Simple Man
B1 – Things goin‘ on
B2 – Mississippi Kid
B3 – Poison Whiskey
B4 – Free Bird
Ronnie Van Zant – Vocals
Gary Rossington – Guitars
Allen Collins – Guitars
Bob Burns – Drums
Billy Powell – Keyboards
Ed King – Bass
Al Kooper – Bass, Mandoline
Steve Katz – Harmonica
