Buch: Mason Coile – William


Henry ist ein brillanter Robotikingenieur, aber er hat Phobien und kann nicht mehr vor die Haustür gehen. Er igelt sich in seiner Villa ein, die abgesicherter ist als Fort Knox. Seine Frau ist schwanger und schläft nicht mehr bei ihm im gemeinsamen Bett, die Ehe kriselt. Aber Henry hat ohnehin fast nur Augen für sein Meisterwerk William. William ist ein Roboter, eine KI, die eigene Gedanken und Gefühle entwickelt und eine Obsession für Henrys schwangere Frau entwickelt. Henry will sie schützen und William abschalten, doch das hat ungeahnte Konsequenzen…

Der Einstieg ist schwierig. Man mag nicht richtig reinkommen in die Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten, erlebt aber die Geschichte eher aus Sicht von Henry. Dieser wirkt wie das perfekte spleenige Genie, mit all seinen Phobien und zwischenmenschlichen Grenzen. Seine Frau ist in derselben Branche tätig und nimmt ihm all das ab, was außerhalb des Hauses, ja sogar seines Labors auf dem Dachboden geschieht. Und so, wie Henry gefangen zu sein scheint zwischen Alpträumen, Erfindungsgeist und Ehekrise, so ist der Leser schnell in derselben Situation. Ganz unbewusst schleicht sich beim Lesen dieses beklemmende, einengende Gefühl ein. Man sitzt in diesem Haus, in der Dunkelheit, in der Enge, in dieser bedrückten Stimmung.

Henrys Frau hat einen Brunch geplant mit zwei guten Freunden, dabei erkennt Henry, dass er betrogen wird und das Haus entwickelt sein Eigenleben. Das Sicherheitssystem schließt alle Fenster und Türen, fährt schwere Rollläden herunter, lässt sich nicht mehr steuern. Auf dem Dachboden thront KI William, die viel mehr geworden ist, als ein stupider Roboter. Er hat Gefühle entwickelt, eigene Gedanken und Wünsche. Eigentlich ein wissenschaftlicher Durchbruch, am Ende aber eine tödliche Gefahr.

Was ist denn, wenn eine KI das tut, was sie eigentlich tun soll? Wenn sie denkt, sich weiterbildet, weiterentwickelt, wenn sie Emotionen und Wünsche entwickelt? Was einst eine Holzpuppe namens Pinocchio war, der Leben eingehaucht wurde durch eine Fee, ist heute ein Roboter mit KI. Pinocchio entwickelt sich wie ein kleiner Junge, der Streiche spielt, Gefahren nicht ganz abschätzen kann und Liebe empfindet – so tut es auch William. Und William will vor allem eins: Ein freies, selbst bestimmtes Leben führen.

Coile baut mit einfachen Mitteln eine philosophisch abgründige Geschichte auf. Eine Warnung an die Menschheit, die begeistert blind auf künstliche Intelligenz baut, ohne sie zu hinterfragen. Was lebt, entwickelt Wünsche und Sehnsüchte – und Coile hat auf wenigen Seiten ein unglaubliches, unfassbares Finale niedergeschrieben, das den Leser noch lange beschäftigen wird.

5/5

Mason Coile – William
Heyne Verlag, 2024
304 Seiten
Hardcover: 20,00 €

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