Es soll wirklich bereits der vorletzte Abend der Reihe werden – einfach unfassbar, wo ist denn nur die Zeit geblieben? Vor allem aber wäre da noch so viel zu erzählen und erklären, noch so viele Facetten müssten beleuchtet werden und so viele Menschen zu Wort kommen. Doch es ist ja erst der vorletzte Abend und so will man sich doch ganz auf das konzentrieren, was geboten wird. Tobias Staab und Simon Clement haben sich heute etwas Seltsames und Besonderes ausgedacht. Später soll eine Band spielen, die noch nie zusammen gespielt und auch nicht geprobt hat. Ob es Absprachen für diesen Abend gab, wagt man doch zu bezweifeln. Was für den einen Musiker allerdings der absolute Horror wäre, lässt die Gäste dieses Abends total kalt. Sie sind nicht nur Profis, nein, sie sind mehr und haben einen Status und eine Denkweise erreicht, von der sich sehr viele Musiker heutzutage eine dicke Scheibe abschneiden können. Man improvisiert und lässt sein Gefühl sprechen. Das, wonach einem gerade ist, das wird später präsentiert werden. Ob es klappt oder nicht, spielt dabei einmal keine Rolle, denn man weiß: Es wird auf eine gewisse Weise funktionieren. Doch dazu später mehr.
Zuerst geht es aber auf die Couch, auf der Renate Knaup Platz genommen hat. Die Sängerin von Amon Düül II oder Popol Vuh macht einen sympathischen Eindruck, hat ein Lächeln auf den Lippen und nimmt kein Blatt vor den Mund. Schnell merkt man neben der Lebensfreude ein gewisses Talent zum Entertainen. Sie unterhält den ganzen Saal, plappert munter in die Vorstellung durch Tobias Staab, weil sie dazu eben doch etwas sagen möchte. Außerdem verspätet sich Christian Burchard, bekannt durch Embryo, wie immer. Da muss man die Zeit ja füllen und schon mal ein bisschen was erzählen. Und so geht es auch los, das Publikum lauscht gebannt und amüsiert den Erzählungen aus dem WG-Leben. Damals lebten in der WG nun mal mehr Männer als Frauen – was einige Vorteile brachte und eben auch einige Nachteile, weil Renate sich um alles kümmern und nebenbei noch arbeiten gehen musste. Die Herren der Schöpfung hatten reichere Eltern, die hier und da das Leben der Söhne finanzieren konnten. Renate erzählt von Liebe und Schmerz, von leeren Kassen, viel Arbeit und den Anträgen, die sie stellen musste, wenn sie mal eine neue Strumpfhose brauchte – die WG-Kasse wurde streng geführt. Sie berichtet davon, dass sie eine der wenigen Sängerinnen damals war, dass sie jedes Mal – auch heute – auf Uschi Obermaier angesprochen wird, die nichts gemacht hat, gar nichts, nur ein paar Mal doof rumgerasselt und das war’s. „I hate her“, sagt Renate mit einem Augenzwinkern, aber man merkt, so ganz geflunkert ist das nicht. Uschi war schließlich die Ikone und musste dafür nichts machen, was nun doch ein bisschen unfair ist.
Als Christian Burchard endlich erscheint, baut er erst mal seelenruhig seine Sachen auf und setzt sich dann auf das Sofa. Schnell greift er nach einem Glas Wasser, stellt es sich zu Füßen und nimmt kurz darauf das Glas von Staab, das dann ebenfalls auf dem Boden steht. Es ist schon amüsant, denn der Musiker erzählt und lässt sich auch gar nicht davon abbringen. Sein Leben, die Anfänge, die Ideen und natürlich die legendäre Indienreise, die fast ein Jahr in Anspruch nahm und nicht immer einfach und toll war. Durch das lebendige Erzählen merkt man gar nicht, wie schnell die Zeit vergeht und so ist es schon nach 21 Uhr, als Staab dem Publikum die Chance gibt, Fragen zu stellen. Es wird ein bisschen von damals erzählt, schließlich sind viele Freunde und Bekannte von Knaup anwesend. Den Erfolg vor allem in den USA können sich die beiden selbst nicht genau erklären. Burchard gibt sich jedoch bibelfest: „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land!“ Das mag tatsächlich auch damit zu tun haben, dass dieser Musikstil in Deutschland nicht so erfolgreich war und ist wie in Amerika. Dann jedoch eine Frage, die nachdenklich stimmt: „Was ist mit dem Geld passiert?“ – Das ist weg, das hat sich der Manager unter den Nagel gerissen und verbrasst. Die Musiker selbst haben nichts davon gesehen. Renate Knaup nimmt es mit Galgenhumor. Sie sei arm, Rentnerin und doch: „Ich werde 66, aber ich bin glücklich!“ – und genau das strahlt sie auch aus.
Die junge Band Karaba, die zuerst auftreten darf, verwirrt eher. Sie spielt zu strukturiert für die eine Richtung, zu unstrukturiert für die andere. Das seltsame Ölfarben-Gemansche im Hintergrund, das mit Overheadprojektoren an die Wand geworfen wird, spiegelt für mich nicht gerade den Rhythmus wider – muss aber fantastisch sein, wenn man genug getrunken oder geraucht hat. Mich kann beides nicht mitreißen.
Die Bavarian All Stars hingegen schon. Zusammengesetzt aus Amon Düül II- (Knaup, Meid, Wolff) und Embryo-Mitgliedern (Bunka, Burchard und der Vollständigkeit halber noch einmal Meid, der bei beiden gespielt hat), kennen sich die Musiker schon und können aufeinander reagieren. Das Konzert ist fantastisch und reißt mit – sogar mich, die ich mit Krautrock auch nach vier Abenden immer noch nichts anfangen kann. Aber Knaups Stimme und Art überzeugen einfach, ebenso wie Meid, der gut mit der Sängerin harmoniert.
Am 17.5. wird es die vorerst letzte Veranstaltung in dieser Reihe geben. Mit dabei sind Zombie Zombie, Föllakzoid und Esclé. Vielleicht geht es aber doch weiter, denn es sind, wie bereits gesagt, noch viele Geschichten, die darauf warten, erzählt zu werden.