Motörhead – Live im Zenith München – 21.11.2015


Die Fahnen vor dem Zenith zeigen die Französische Flagge und stehen auf Halbmast. Viele Besucher werfen einen Blick nach oben und sehen schnell wieder weg. Angst? Vielleicht. Ein bisschen kann man die Unruhe spüren und auch das Sicherheitspersonal wirkt angespannt. Für diesen Abend sind schärfere Kontrolle geplant, was bei den Besuchern nicht auf Unmut stößt. Nur die Wartezeit lässt einige in der Schlange maulen. Wir werden abgetastet, müssen sogar unsere Jacken öffnen. Paris hat etwas verändert.

20151121_201312Im Zenith ist die Stimmung trotzdem gut. Schließlich ist man zum Feiern hier und möchte Saxon und Motörhead sehen – für Girls School sind viele viel zu spät dran gewesen. Von einem guten Platz aus, warten wir auf Saxon, die englischen Heavy-Metal-Rocker, die seit fast 40 Jahren Musik machen. Peter „Biff“ Byford schwenkt auf kurz darauf seine Mähne auf der Bühne und schmettert dem Publikum seine Lyrics entgegen. Gewohnt schnelles Tempo vermischt mit guten und leicht eingängigen Riffs, die das Publikum erfreuen. Obwohl man stellenweise dichtgedrängt aneinander steht, lassen es sich die Metalheads nicht nehmen, eifrig zu headbangen und das Haupthaar zu schütteln. Biff erzählt ein bisschen zwischen den Songs, spricht immer wieder das Publikum direkt an und wundert sich über eine Jacke, die aus den ersten Reihen auf die Bühne geworfen wird. Da einen Tag zuvor bereits ein Konzert in München stattfand, möchte der Bandleader natürlich das Publikum ein bisschen kitzeln. „Seid ihr lauter als die gestern?“, fragt er und natürlich möchte man diese Herausforderung annehmen. Aber der Jubel ist verhalten. Es fehlt die brachiale Publikumsstimme, die das Zenith zum Beben bringt. Seltsam, denn Saxon liefern eine gute Show, bekannte Nummern und sind nun wirklich kein unbeliebter Act. Auch beim abschließenden Video für Facebook zeigen sich Anwesen ein bisschen zurückhaltender. Über die Gründe kann man nur spekulieren.

Nach etwa einer Stunde Konzertdauert der Briten, beginnt das Warten auf den Hauptact. Die Halle ist brechend voll, das Konzert war lange im Vorfeld restlos ausverkauft. Allerdings geht der Umbau erstaunlich schnell von statten. Etwa eine halbe Stunde dauert das emsige Treiben auf der Bühne an. Zwischendurch hört man immer wieder verhaltene „Motörhead“ oder „Lemmy“-Skandierung, die aber schnell wieder abflachen. Es ist und bleibt eine etwas seltsame Stimmung, die mir zuweilen Angst macht.20151121_212521

Endlich geht das Licht aus, der Jubel setzt ein, die Arme fliegen nach oben, nicht wenige mit dem gezückten Smartphone, dass das Traversenhighlight in Action filmen soll. Ein Bomber ist über die Bühne aufgebaut – und der setzt sich nun unter Motorengeräuschen in Bewegung, hebt und senkt sich, gleitet nach vorne und zurück, die Schnauze in den Himmel reckend. Wenige Tage zuvor in anderer anderen Stadt trug er die französische Flagge, an diesem Abend jedoch nicht. Er flackert mit den Lichtern und begeistert das Publikum. Man merkt kaum, dass die Band nach vorne kommt und auch schon beginnt.

20151121_220004Natürlich weiß man, dass das Zenith nicht gerade den perfekten Sound hat und macht von vornherein Abstiche. Doch teilweise ist der Soundbrei eine einzige laute Masse, in der man sich fragt, warum Lemmy denn nicht singt? Er singt, man hört es nur nicht immer heraus. Der Beifall ist groß, die Halle feiert und muss leider bald feststellen: Die Sorge um Fronter Lemmy Kilmister scheint begründet zu sein. Er wirkt teilweise fahrig, schwach und hat stark abgenommen. Sein Rickenbacher schlachtet wie gewohnt die Riffs ab und schallt durch die Halle. Seine Stimme ist auch bei den Ansagen dünn, er nuschelt, wirkt schwach und kaum verstehbar. Die Soli von Philip „Wizzö“ Campbell und Mikkey Dee ziehen sich in die Länge, weil Lemmy anscheinend die Auszeiten dringend braucht. Was Lemmy über die Songs erzählt, entzieht sich meiner Kenntnis. Manchmal verstehe ich eine Jahreszahl, manchmal einen kurzen Fetzen seiner Ansage. Lemmy ist eher ein Schatten seiner selbst als der alte Rock’n’Roller von früher.
Nach einer Stunde reicht es dann auch. Natürlich weiß man, dass es noch Zugaben geben wird, aber man weiß genauso, dass eine Stunde keine sonderlich lange Zeit für den Headliner ist, wenn bereits der Supportact eine Stunde lang auf der Bühne stehen durfte.

20151121_222949Als Zugabe gibt es „Lemmy“-Rufe, einen schickem Blues, den man selten von Motörhead hört und der Mikkey Dee an die Bühnenfront treibt. Dort sitzt er dann mit einer Gitarre in der Hand und spielt, während Lemmy zwischen den Lyrics eine Mundharmonika erklingen lässt. Den Abschluss bildet „Overkill“, denn ohne dieses Lied wäre es kein Motörhead-Konzert. Der Bomber fliegt noch einmal hin und her, schwenkt nach rechts und links, begleitet von Fluggeräuschen und einer großen Lightshow. Ein starker Abschluss.

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Das Fazit fällt gemischt aus. Es ist Lemmy und deswegen ist jedes Konzert einfach gut. Solange der alte Rocker dort oben auf der Bühne steht, wird der Rock’n’Roll niemals sterben – auch wenn die legendäre Begrüßung „We are Motörhead, we play Rock’n’Roll!“ erst am Ende und mit schwacher Stimme kommt. Aber Lemmy ist weder der Jüngste noch der Gesündeste und man merkt ihm deutlich an, dass er alles andere fit ist. Aus rein konzerttechnischer Betrachtung muss man sagen, dass das Konzert eher mittelmäßig war und ein bisschen die Kraft und Puste gefehlt haben. Aus Stimmungs- und nostalgischer Sicht war es eben Lemmy und deswegen super!

Paris wird nicht verbalisiert. Im Hinausgehen höre ich einen Mann sagen „We survived!“, was aber alles bedeuten kann. Lemmy selbst hat sich wenige Tage zuvor im Merkur dazu geäußert.

4/5

Setlist:

01 – Bomber
02 – Stay clean
03 – Metropolis
04 – When the Sky comes looking for you
05 – Over the Top
06 – Guitar Solo
07 – The Chase is better than the Catch
08 – Lost Woman Blues
09 – Rock it
10 – Orgasmotron11 – Doctor Rock   (w. Drum Solo)
12 – Just ‚cos you got the Power
13 – No Class
14 – Ace of Spades

15 – Whorehouse Blues  (Acoustic)
16 – Overkill

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