Rockavaria – Tag 3 – 29.05.2016


Das Wetter meint es nicht gut mit den Festivals in diesem Jahr. Als wir ankommen, wird gerade die Arena geräumt. Vor den Eingängen zum Stadion herrscht Chaos und viel Unmut. Alle warten darauf, durchgelassen zu werden, aber die Security schüttelt nur den Kopf. Als einer von ihnen kurz eine Ansage mit einem Megaphon macht, schauen sich die Anwesenden nur fragend an: Niemand hat auch nur ein Wort verstanden. Alle fluchen, meckern, es wird gedrängelt, geschubst und viel diskutiert. Durch Zufall bekomme ich mit, dass wir auf die Tribünen gelassen werden. Warum kann man das nicht deutlicher kommunizieren? Warum stehen an den Eingängen nur stumme Securitymitarbeiter, die den Kopf schütteln, niemanden durchlassen und nicht sagen: Leute, geht bitte zu den Tribünen. Die Security ist wie im vergangenen Jahr auch unterer Durchschnitt.

Als wir uns endlich zu den Tribünen gekämpft und hingesetzt haben, erfahren wir auch den Grund: Die Arena wird wegen einer Unwetterwarnung geräumt. Auf der Seebühne wurde vorübergehend der Betrieb eingestellt. Dennoch sehen wir, dass immer wieder Fans in die Arena laufen und noch einige Tausend unten stehen, von der Menge her in etwa die Anwesenden des ersten Tages, naja, vielleicht die Hälfte davon. Die Leinwände sind runtergelassen und zeigen genauso wie die Stadionbildschirme nur an, dass es eine Unwetterwarnung gibt. Auf der Bühne steht eine Band, die Musik macht oder Soundbrei oder Soundcheck? Es ist nicht klar, ob man wieder auf die Tribüne kommt, wenn man einmal rausgeht, um sich etwas zu trinken zu holen. Ach ja, die Getränke. Eine gute Möglichkeit zu Abzocke und Betrug. Wir waren am Tag zuvor an einem Stand mit Eistee. 0,5l Tetrapacks. Wenn der voll ist und ich echt sauer bin und den mit voller Wucht jemanden an den Kopf werfe, dann tut ihm das weh. Wenn ich das gleiche mit einer PET-Flasche mache, breche ich ihm die Nase. Stimmt, wir sind hier alle superaggressiv auf einem Pseudometalfestival! Am Sonntag bekommen wir die Tetrapacks nicht mehr ausgehändigt, was ziemlich bescheiden ist. Wir fanden es gerade praktisch mit einem verschließbaren Behältnis trinken zu können, wann wir wollten. Bei den Bechern ist das nicht möglich. Aber gut, der Stand kann nichts dafür, es ist eine Anweisung wegen der Verletzungsgefahr. Wir bekommen zum gleichen Preis einen Becher plus 1 € Pfand. Meine Begleitung schaut skeptisch und fragt schließlich, was das für Becher seien. 0,4l, so die Antwort. Den beiden Standlern fällt gar nicht auf, dass sie dabei ein riesen Geschäft machen. Man zahlt nun für 0,4l das gleiche wie für einen halben Liter am Tag zuvor. Das ist schlichtweg Betrug, denn auf dem Schild steht immer noch, dass man 0,5l ausgehändigt bekäme. Nach kurzer Diskussion bekommen wir das Angebot, schnell etwas abzutrinken und dann den Rest draufgeschüttet zu bekommen. Uns fällt das auf, anderen auch? Vermutlich nicht, aber so macht man das eben. Betrügen bei den ohnehin hohen Getränkepreisen. Wir müssen schnell trinken, gezwungenermaßen, und bekommen dann mit einer Miene den Rest draufgeschüttet, dass ich wirklich gerne den Inhalt des Bechers in die unverschämten Gesichter der beiden Frauen schleudern würde. Mir ist – damals wie heute – egal, ob das die Verantwortung der Verkäufer oder der Orga ist (die ja wohl die Regelung erlassen hat?), ich finde es eine absolute Frechheit und kreide es dem Rockavaria in Gesamtheit an!

Jedenfalls wird die Arena geräumt und es türmen sich in der Ferne dunkle Wolken. Auf unseren Facebookpost hin meldet sich eine Rollstuhlfahrerin, die eine berechtigte Frage aufwirft: „Und was machen die Rollstuhlfahrer? 😉 sich vom Blitz treffen lassen?“ Ja, was machen die denn eigentlich? Nicht nur, dass sie mal wieder in eine Ecke auf ein Podest gedrängt wurden, das ein Miterleben der Konzerte fast unmöglich macht. Stage 1 ist kaum zu sehen und Stage 2 dafür schon, aber weit weg. Sie sind angewiesen auf die Leinwände, die gerade nicht funktionieren. Toll.
Nachdem der Innenraum immer noch voller Festivalbesucher ist, fragt man sich langsam, was passiert, wenn wirklich ein Unwetter losbricht? Gar nichts vermutlich. Die Security sieht es nicht ein, den Innenraum konsequent zu räumen – immerhin bekommen diejenigen, die unten geblieben sind, etwas von den Konzerten mit. Nun muss man lobend erwähnen, dass man auf die überdachte, und wie man hofft sichere, Tribüne darf. Dafür ein großes Lob an die Orga. Allerdings fragt man sich auch langsam, warum das RAV nicht sowieso freie Platzwahl anbietet zum gleichen Preis. Wer in die Arena will, geht ohnehin runter und wer nicht will, der sucht sich einen Platz. Das würde einiges vereinfachen in meinen Augen.

Ghost auf dem Rockavaria. Foto: MaSch
Ghost auf dem Rockavaria.
Foto: MaSch

Gegen 17 Uhr fangen Ghost an. Seit 2009 machen die namenlosen Ghule Musik. Der Sänger ist mittlerweile der dritte, aber er hat es drauf. Überhaupt glänzen die Schweden mit Abwechslung in ihren Songs, Power, unterschiedlichen Rhythmen und einer Menge musikalischen Feinheiten. Den Grammy haben sie in diesem Jahr nicht umsonst gewonnen. Die Show ist gut. Die Bandmitglieder sind maskiert, tragen umgedrehte Kreuze und Habitat. Die Anonymität wird gewahrt. Die Ansagen versteht man nicht unbedingt, auch gibt es hier und da Parts, die nicht deutlich auf der Tribüne ankommen. Dennoch macht es Spaß, die Formation zu sehen. Kein Einheitsbrei, keine billige Nachahmung. Weiter so!

Mit Slayer kommt einer der „Big Four“ auf die Bühne und soll das Stadion zum Kochen bringen – und bitte auch das schlechte Wetter vertreiben. Mittlerweile werden die Leinwände wieder eingesetzt. Nachdem im vergangenen Jahr bereits Metallica auf dem RAV war, wurden in diesem Jahr Slayer und Anthrax rekrutiert. Letztere waren übrigens die Band, von der wir nichts mitbekommen haben, weil wir nicht in die Arena durften und der Informationsfluss … naja. Jetzt fehlen auf dem RAV nur noch Megadeath. Von Slayer ist man harten Hau-Drauf-Metal gewohnt und genau das bringen die Amerikaner. In der Arena und auf der Tribüne werden ordentlich die Köpfe geschüttelt und die Stimmung steigt. Vor der Bühne wird gefeiert. Die Band hat nicht nur ihre Fans mitgebracht, sondern profitiert auch vom Headliner des Tages, der den besucherreichsten Tag beschert. Es wird ordentlich geprügelt und geschrien und endlich kommt auch ein bisschen Festivalgefühl auf, das bisher gefehlt hatte. Slayer haben bereits am frühen Abend mehr Publikum versammelt, als jeder andere Act der vergangenen zwei Tage.

Sabaton auf dem Rockavaria. Foto: MaSch
Sabaton auf dem Rockavaria.
Foto: MaSch

Dann tönen Europe durch das Stadion. Slayer ist zu Ende und Sabaton haben noch nicht angefangen. An diesem Tag geht der Zeitplan flöten und es wird immer wieder zwischen den Auftritten Musik vom Band abgespielt. Vielleicht haben sich die Veranstalter aber auch nur die Kritik zu Herzen genommen, die es an den ersten beiden Tagen auf Facebook gab. Wenigstens fünf Minuten wurden erbeten, um vor die andere Bühne zu laufen und sich dort einen Platz zu suchen – wie das eben auf großen Festivals so ist. Dann kommen aber endlich die richtigen Schweden. Wie gewohnt mit dem aufgebauten Panzer und entsprechenden Lichteffekten, rollen Sabaton auf dem RAV ein. Sie werden gefeiert und glänzen mit Powermetal und dem Ruf nach Bier (auf Deutsch!). Mittlerweile schüttet es wie aus Eimern, aber das ist den meisten egal. Sie harren aus in den Nässe. Die Seebühne hat wieder ihr Programm unterbrechen müssen. Das Wetter macht dort einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Trotzdem können dort alle Bands spielen. Immer wieder schießen Feuersäulen vor Sabaton hoch, es ist ein fulminantes Metalfest und Joakim Broden mag gar nicht gehen. Nun ja, man mag ihn auch nicht so recht gehen lassen, aber jetzt kommen Iron Maiden und dagegen kommen selbst Sabaton nicht an, die derzeit mit ihnen auf Tour sind.

Iron Maiden auf dem Rockavaria. Foto: MaSch
Iron Maiden auf dem Rockavaria.
Foto: MaSch

Die Arena ist voll und immer noch strömen Fans die Treppen hinunter durch den strömenden Regen. 2015 hatte man sich gefragt, wie das Lineup zu toppen wäre. Nur mit Iron Maiden. Und die kommen wirklich! Ich hatte mich unbändig auf die Gruppe gefreut und nachdem das Lineup sonst sehr bescheiden ist, hab ich immerhin 140 € für Iggy Pop und eben die Eiserne Jungfrau bezahlt. Aber es dauert. Die Bühne war immer wieder vom Wasser befreit worden, es regnet weiter, wenngleich auch nicht so stark. Immer wieder ertönt „Maiden, Maiden“, der Ruf nach der Band, die Geld in die Kassen

Die Show von Iron Maiden auf dem Rockavaria. Foto: MaSch
Die Show von Iron Maiden auf dem Rockavaria.
Foto: MaSch

spült. Endlich wird die Bühne dunkel und auf den Bildschirmen folgt man durch einen Dschungel der Ed Force One. Es geht los – und die größte Konzert-Enttäuschung aller Zeiten beginnt. Mir schlägt ein mieser Soundbrei entgegen, viel zu laut, schlecht ausgesteuert und nicht mal einen Cent wert. Da stehen Iron Maiden, hüpfen über die Bühne und wir sitzen da und starren entsetzt nach vorne. Manche halten sich die Ohren zu,

Es gibt viel zu sehen. Foto: MaSch
Es gibt viel zu sehen.
Foto: MaSch

manche gehen, wenige lassen sich davon nicht beeinflussen und stehen trotzdem rum und schwingen die Hände. Wer auch immer für den Mist verantwortlich ist, spielt das komplette Konzert über an den Reglern und verstellt immer wieder alles. 20 Sekunden ist der Sound mal richtig gut. 20 SEKUNDEN! Ich habe 140 € bezahlt, um 20 Sekunden Iron Maiden zu hören. Geile Scheiße! Am liebsten würde ich gehen, aber die Hoffnung, dass es besser wird, lässt mich sitzen bleiben – und die Unmöglichkeit, sich durchzudrängeln. Ich bekomme Kopfschmerzen, die Ohren tun weh, meine Laune ist so weit im Keller, dass es tiefer gar nicht mehr geht. Ich glaube, Bruce Dickinson macht ganz nette Ansagen, aber ich verstehe sie nicht. Es kommt nur ein Dröhnen an. Ich glaube, dass die Musik von Maiden echt geil ist, aber ich höre nur lauten, übersteuerten Bass und Gesang. Ein Brummen und Dröhnen, naja, immerhin passt das zum kurzen Auftritt von Eddie und dem Teufel, ahh, das muss „666“ sein.

Ehrlich gesagt bin ich megaenttäuscht. Vom Festival, von Maiden, von allem. Ich hatte mich fast ein dreiviertel Jahr auf diese Band gefreut und dann das. Mir ist egal, wer dafür verantwortlich ist, es ist eine bodenlose Frechheit. Aber in den Zeitungen wird später alles hochgejubelt. Von Journalisten, die in ihrem Geschriebenen zeigen, dass sie keine Ahnung haben. Von Schreiberlingen, die alles hochjubeln, weil die Zeitung die Veranstaltung gesponsert hat. Kritik? Kritik wird laut auf Facebook und Co, aber genauso ignoriert wie im Jahr zuvor. Selbst Veranstalter von anderen Festivals, Konzerten und Parties bezweifeln, dass es ein drittes RAV geben wird. Doch das RAV selbst kündigt sein Fortbestehen an. Womit? Mit Guns’n’Roses und Rammstein? Viel mehr könnt ihr nicht mehr bringen, wenn ihr irgendwas toppen wollt. Aber nun ja, schlechter kann es auch nicht mehr werden.

Nun kann man sich fragen, warum man trotzdem hingeht. Eben wegen Iron Maiden und weil es doch ein Münchner Festival ist und man sein lokales Festival einfach unterstützt. Immerhin gab es ein paar Verbesserungen gegenüber dem Vorjahr. Aber ich kann mich nicht den Stimmen anschließen, die sagen, dass die Orga eben noch lernen muss. Letztes Jahr durfte ich nicht in die fast leere Olympiahalle zu Limp Bizkit, weil die Security null Überblick hatte. Dieses Jahr habe ich Soundbrei bei Iron Maiden. Nein, die Orga muss nichts lernen. Das sind nicht die ersten Festivals, die sie machen, das sind angeblich erfahrene Leute! Mal sehen, was 2017 kommt. Vermutlich wird wieder mit nur einer Band gelockt und die Infos fehlen bis kurz vor Festivalstart. Oder?

 

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