Den meisten wird der Name Rodriguez auf Anhieb gar nichts sagen … außer vielleicht, man hat den oscarprämierten Dokumentarfilm „Searching for Sugar Man“ des Regisseurs Malik Bendjelloul im Gedächtnis. Darin geht es um zwei südafrikanische Musikfans auf den Spuren des Folkmusikers Sixto Rodriguez. Der hatte Anfang der 70er Jahre zwei erfolglose LPs aufgenommen und sich dann angesichts des Misserfolges ins Privatleben zurückgezogen, während seine Platten in Südafrika und Australien Kultstatus erreichten.
Ich persönlich kenne die Musik von Rodriguez bereits seit 1984, als ich „Sugar Man“ in einem Münchner Club das erste Mal hörte und lieben lernte. Als mir meine bessere Hälfte dann vor Monaten erzählte, dass eben jener besagte Rodriguez ein paar Konzerte in Europa spielen würde, was es klar, dass ich ihn live sehen MUSSTE. Der nahest liegende Termin war ca. 40 Kilometer hinter Linz, also rund 300 Kilometer entfernt.
Harvest of Art Festival sollte der Event heißen, und als ich erfuhr, dass auch Element of Crime und Glen Hansard dort auftreten sollten, freute ich mich tierisch auf den Tag. Hatte ich doch EOC schon einige Male live erleben dürfen und auch alle Platten von ihnen im Regal.
Wir reisten gemütlich an besagtem Samstag an und stellten schon bei Ankunft in der Nähe der Burg Clam fest, dass alles ziemlich perfekt durchorganisiert war. Polizei und Feuerwehr sorgten für ein reibungsloses Parkprozedere, komplett ohne Stress. Der kurze Fußmarsch bis zur Burg, zu deren Mauern das Festivalgelände lag, war in ca. 10 Minuten geschafft. Malerisch fügte sich das Gelände des Open Airs zwischen ein paar Häuser und der Burg oben in die Landschaft ein. Genügend Essens- und Trinkstände waren rundrum vorhanden. Die Leute lagen und saßen in bester Hippie-Manier im Gras, oder standen vor der recht großen Bühne, auf der bereits der erste Act Me and Marie vorbei war, die wir aufgrund des vorherigen Hotel-Eincheckens in Linz verpasst haben.
Kurz nach unserer Ankunft kamen aber schon Dispatch auf die Bühne. Dispatch, eine Independent Band aus Boston, Massachusetts, spielten eine Melange aus Rock, Folk und Reggae, teilweise mit knackiger Instrumentierung, teilweise akustisch. Besonders hervorzuheben ist, dass die Musiker zwischendurch ihre Instrumente tauschten und wechselnd sangen. Das hatte Hand und Fuß und klang gut.
Der Umbau zwischen den Bands dauerte relativ kurz, so dass nach ca. 25 Minuten die Musiker von Glen Hansard die Stage enterten. Glen wer ??? Der Name wird wiederum den wenigsten was sagen … es sei denn, sie halten sich den Musik-Film „The Commitments“ von 1991 vor Augen. Eine Gruppe von Jugendlichen gründen eine Band und versuchen den Soul nach Dublin zu bringen. Der rothaarige Lockenkopf Outspan Foster wird drin dargestellt von eben jenem Glen Hansard. Hansard ließ in großer Besetzung von sieben Mitmusikern ein Feuerwerk an Folkmelodien vom Stapel, das von der mittlerweile recht großen Menge vor der Bühne begeistert aufgenommen wurde. Nach 1,5 Stunden wurde Hansard jubelnd von den Zuschauern verabschiedet.
Endlich war’s soweit … der legendäre „Sugar Man“ Sixto Diaz Rodriguez wurde auf die Bühne geführt. Gebrechlich wirkte er, was auch seinem Alter von 73 geschuldet ist. Setlist ist keine zu finden, aber fast jeder Song wurde von den tausenden Anwesenden textsicher mitgesungen. „Rich Folks Hoax“, „Like Janis“, „Inner City Blues“, „Forget it“, „Establishment Blues“, „Crucify your Mind“, „I wonder“, „Jane S. Piddy“ und eben das unvergleichliche „Sugar Man“ … alle seine (mittlerweile) bekannten Hits wurden dargeboten und die Menge tobte vor Begeisterung. Begleitet wurde Rodriguez von drei Mitstreitern an Gitarre, Bass und Schlagzeug. Von zart bis hart bot das Quartett alles auf. Für Erheiterung seitens Rodriguez sorgte ein hochgehaltenes Plakat „Happy Birthday“ … hatte der Mann doch am kommenden Tag seinen 74. Geburtstag. Für mich persönlich wurde ein kleiner Traum wahr … wollte ich doch „Sugar Man„ seit über 30 Jahren einmal live erleben. Vielen Leuten ging es anscheinend genauso wie mir, man sah allerorts leuchtende Augen und mitsingende Münder.
Dunkel wurde es mittlerweile, die Beleuchtung der Burg und des Festivalgeländes sorgte für eine wunderbare Stimmung. Hier war einfach alles stimmig, hier klappte alles vollstens entspannt. Das Essen war gut und die Getränke reichlich vorhanden.
Sven Regener, vielen bekannt durch seine Romane um den Herrn Lehmann enterte nun mit seinen Mitstreitern von Element of Crime die Bühne. Man merkte es sofort, dass EOC seit ihrer Umstellung auf deutsche Texte eine riesige Fangemeinde im deutschsprachigen Raum gewonnen hatten. Die ersten vier LPs (1986-89) waren ja noch allesamt auf Englisch eingesungen. Die Platten der Band erreichen mittlerweile alle einstellige Chartpositionen, und deswegen kannten viele der Leute auch alle Texte und sangen mit. Rock- und Popmusik mit Trompete … normalerweise ja etwas ungewohnt, aber hier passte das alles perfekt zusammen. Regeners teilweise etwas nuschelnder Gesang mit der ungewöhnlichen textlichen Phrasierung wurde begeistert aufgenommen, alle bekannten Songs wurden dargeboten. Nach knapp zwei Stunden war’s aber auch dann vorbei. Jubelstürme begleiteten die Band von der Bühne, aber nicht ohne so einige Zugaben. Falls ich für dieses Festival ein Haar in der Suppe suchen müsste, dann wär’s einzig und allein die Tatsache, dass drei meiner Lieblingslieder „Don’t you smile“, „Nervous and blue“ und „Murder in your eyes“ von den ersten EOC-LPs nicht gespielt wurden…..aber was soll’s.
Der kleine Fußmarsch zurück zum Auto wurde etwas flotter angepackt als bei der Ankunft, wollten wir doch den üblichen Dauerstau aus den Parkplätzen etwas zuvorkommen. Aber siehe da … nix war’s mit Stau und Hektik. Ein Auto nach dem anderen fuhr gemächlich und ohne Eile gemütlich vom Parkplatz und verschwand in die Nacht. Eben perfekt durchorganisiert. Für uns ging ein wunderbarer Tag zu Ende. Hotel gut, Musik gut, Essen gut, Wetter perfekt. Was will man mehr ?
Falls das Programm der Burg Clam im kommenden Jahr wieder so ansprechend sein sollte wie 2016, werden wir uns sicher wieder auf den Weg nach Oberösterreich machen. Eine wahre Bereicherung in der Festivallandschaft.