Summer Breeze – Tag 2 – 18.08.2016


Toxpack

15 Jahre aggressive Kunst, verkündet das Backdrop unübersehbar von der Main Stage. Die handvoll Berliner von Toxpack wirken gar nicht so, aber ein tiefer Blick lässt vermuten, die Aggressionen kommen eher von dem, womit sich die Texte beschäftigen. Insbesondere „Nichts hören, sehen, sagen“ ist eine klare Aussage gegen Rechts und dagegen, vor dem die Augen zu schließen, was an diesem, mittlerweile viel zu breiten Rand passiert. Im dazugehörigen Video wird die Band von Stephan Weidner (Boehse Onkelz) unterstützt.
Musikalisch und textlich ist die Nähe zu den Onkelz präsent, Abweichungen davon können deutlich herausgehört werden und sind gefällig, allerdings selten.
Sänger Daniel „Schulle“ Schulz versucht die Aggrohaltung auf der Bühne zu verkörpern, es fällt aber schwer, ihm das abzunehmen. Die Interaktion mit dem – sicher auch uhrzeitbedingt – spärlichen Publikum fällt schwer. Im Laufe der Zeit taut es etwas auf.
Ein kurzer Wortwechsel zeigt, dass die Herren durchaus Humor haben: „Wo ist mein Bier?“, will Schulle wissen und bekommt von seiner Band zu hören: „Du bist auf einem Rockkonzert, du brauchst kein Bier!“ Vorzeitig ernüchtert: „Okay, wo ist mein Wasser?“
Gegen Ende lässt er es sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen: „Punkrock, Hardcore, Metal, wir bewegen uns in verschiedenen Szenen“, und leitet damit den Song „cultus interruptus“ ein, bei dem es darum geht, Schulter an Schulter für kulturelle Freiheit zu stehen, auch indem mit Regeln, Gesetzen und Kulturen gebrochen wird.

Lord of the Lost

Als die fünf Darkrocker von Lord of the Lost in ihrem Dirty-Goth-Look auftreten, werden sie von einer, für diese Zeit, überraschend großen Menge erwartet. Es wundert somit nicht, dass viele gleich zu den harten, ein wenig an industriell erinnernden, Tönen abgehen.
Die Akteure danken es mit einer Aufführung, die ihnen leicht von der Hand zu gehen scheint. Besonders zu bemerken, wenn dem einen oder anderen Musiker Raum gegeben wird und z.B. eine Gitarre gekonnt kreischt.
Andere Aktivitäten neben der reinen Musik gibt es wenige, aber sie werden dankbar aufgenommen. Hierbei fällt besonders positiv die Art von Sänger Chris Harms auf, das Publikum anzusprechen. Er verzichtet auf Kraftausdrücke und fragt eher als dass er befiehlt: „Darf ich eure Hörner sehen?“, oder „Könnt ihr klatschen?“ Den Ansinnen wird von überdurchschnittlich vielen nachgekommen.
Hier und da tanzen Fans im üblichen Gothicstil, während andere mit ausgestreckten Armen auf der Stelle hüpfen. Das Stimmungslevel ist deutlich gestiegen und die erste Wasserfontäne des Tages hat daran nur einen geringen Anteil.
Ein richtiger Höhepunkt ist das Cover von „Everybody (Backstreets Back)“ der Backstreet Boys. Mit breiten Grinsen, ungläubigem Kopfschütteln und anderen Reaktionen wird diese gelungene Metaladaption gefeiert.
Zum Schluss wird mit dem Partyhit „La Bomba“ das nächste Highlight gezündet und das Publikum kocht über, was zu einer, von Chris Harms so betitelten, Polonaise of Death führt.
Als Abschluss lässt er es sich nicht nehmen, in die Menge zu hechten und nachdem es ihm reicht zu fragen: „Könnt ihr mich jetzt runter lassen?“
Einziger Wermutstropfen dieser mehr als gelungenen Performance ist der Umstand, dass sich der Sänger mit seinen Künsten zurückgehalten hat. Von Kennerinnen und Kennern der Band wurde es als schade empfunden, dass Chris Harms eigentlich nur geshoutet hat, statt, wie selten ein wenig durch kam, klar zu singen. Es hätte den auch so schon überragend Laune machenden Auftritt sicher um eine weitere Komponente bereichert.

Heart of a Coward

Im Hintergrund prangt das Logo der Band bestehend aus den übereinander geschriebenen Anfangsbuchstaben der einzelnen Wörter des Namens und von diesem umrahmt. Es fehlt ein S und das Chaos wäre vollendet.
Die fünf Progressive Metaler aus dem Großraum London lassen sich etwas Zeit, bevor sie die Bühne betreten. Ein Teil des Publikums meint, zu lange gewartet zu haben und beginnt sie hervor zu rufen, applaudiert dann aber auch bei ihrem erscheinen.
Der Sound ist grundsätzlich hart, wird allerdings gekonnte durch höhere Töne, Tempowechsel und ähnliches ergänzt. Ansätze von musikalischen Alleingängen werden recht schnell abgefangen, was bedauerlich ist.
Ebenso angenehm unstet zeigt sich Sänger Jamie Graham, der growlt, singt und shoutet, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Außerdem versucht er die Menge zum Schreien oder generell mehr Aktion zu bewegen, als dem allgemeinen entspannten Zunicken.
Am deutlichsten geht das Publikum mit, wenn es „I don’t give a fuck“ mitgrölen kann.
Generell sind die Reaktionen eher verhalten und ein dünner aber beständiger Menschenstrom verlässt das Zelt.
Vielleicht hört die Band deshalb ein paar Minuten früher auf. Einige wenige rufen nach einer Zugabe, die breite Masse geht.
Eigentlich schade, denn handwerklich war der Auftritt gut, sogar hörenswert, auch wenn der Verdacht besteht, sie hätten sich noch mehr Mühe geben können.

High Fighter

Musikalisch sind die Fünf von High Fighter zwischen Hardcorepunk und Stoner Doom anzusiedeln. Bei dem Auftritt, den sie auf dem Breeze zeigten, schien der Schwerpunkt eher auf ersterem zu liegen. Das hätte nicht sein müssen, denn die wenigen Stellen, an denen abgewichen wurde, waren interessant und ansprechend. Gesamt gesehen waren es insbesondere diese, die davon abhielten, die Band ungerechtfertigter Weise als eintönig abzutun.
Dies gilt ebenfalls für Sängerin Mona Miluski, die ihre Stimme in den üblichen Stilen nutzte und damit überzeugte.
Leider wurden ihre Mühen von den Zuschauern nur mäßig honoriert. Das könnte allerdings auch daran gelegen haben, dass sie, wenn sie das Publikum ansprach, etwas übermotiviert wirkte. Sie versuchte den ganzen Act über mehr Bewegung in die Menge zu bringen, wurde aber weitgehend ignoriert. Dabei half es auch nicht, wenn sie es mit der bösen Masche versuchte, denn die wirkte besonders aufgesetzt. Kommentar einer Zuschauerin: „Man kann sich vorstellen, wie sie das zu Hause vor dem Spiegel geübt hat.“
Der viele Nebel verbarg so einiges und sorgte dafür, dass die Beleuchtung nicht völlig umsonst war, aber das muss nicht an der Band gelegen haben.
Alles in allem ein Auftritt, der Potential nach oben hat und Vorfreude darauf schürt, wenn sich dieses entfaltet.

Iron Reagan

Die fünf aus Richmond stammenden Thrash Punker fangen an vor einer kleinen Gruppe zu spielen und zeigen von Anfang an, was Sache ist. Die Instrumente werden stark beansprucht und nur selten vom Konzept abgewichen.
Einem Teil der Anwesenden, die langsam mehr werden, scheint das so gut zu gefallen, dass ein Fingerzeig von Sänger Tony Foresta genügt und sie rennen vor der Bühne im Kreis. Der große Rest ist weniger deutlich begeistert und harrt der Dinge, die da vielleicht noch kommen.
Umsonst. Der Stil wird gnadenlos durchgezogen, nur selten schauen ein paar Noten mal über die von der Band gezogene Grenze und nur der harte Kern an Fans geht ab. Die allerdings richtig und die zweite Circlepit wird deutlich größer.

Exodus

Eine amerikanische Band mit bewegter Vergangenheit. In der aktuellen Besetzung sind nur noch zwei Gründungsmitglieder aktiv. Exodus gilt als ein Urgestein des Thrashmetal und genau das zeigten sie ein weiteres Mal auf dem Summer Breeze.
Das düster, futuristische Backdrop wird von Totenschädeln dominiert, die Zuschauer sammeln sich noch und der Platz könnte durchaus voller sein, als es mit den Klängen einer Akustikgitarre beginnt. Es kommt Feuerzeug-in-die-Luft-halte-Feeling auf, aber zu kurzum den Gedanken tatsächlich umzusetzen. Eine E-Gitarre setzt ein, los geht’s!
Neuere Songs wechseln sich mit Old School Metal ab und beide schaffen es nicht wirklich, das Publikum mitzureißen. Es scheint sich zwar keiner zu langweilen, aber die von Sänger Steve „Zetro“ Souza geforderte große Circlepit bleibt überschaubar. Zumindest anfangs. Im Laufe der Zeit wächst sie und pausiert nur kur, als dem verstorbenen Motörhead Sänger Ian Fraser „Lemmy“ Kilmister „A Lesson In Violence“ gewidmet wird. Mit „fucking horns in the air“ und ohne an Geschwindigkeit zu verlieren.
Erwähnenswert, wie bei den meisten Bands mit Mitgliedern dieser Altersklasse, die Soli. Einfach großartig, was die Herren aus ihren Instrumenten holen!
Dies hindert das Publikum nicht daran, Zetros Wunsch nach der größten „Wall of Death ever seen“ nicht so ernst umzusetzen.
Ansonsten ist die Darbietung nicht besonders anders und die Trägheit der Zuschauer nachvollziehbar.

Insanity Alert

Das Bühnenbild zeigt einen in Pastellfarben gehaltenen Ausbruch aus einer Irrenanstalt samt geköpftem Toten zu Füßen der zentralen Figur, die noch den Kopf hält.
Nach Gepiepse, welches aus einem frühen Computerspiel stammen könnte, setzt ein Alarm ein und Sänger Heavy Kevy erscheint, in schon geöffneter Zwangsjacke, vor der Menge.
Dann haut der Rest der Band auf die Kacke bzw. die Instrumente ein und was herauskommt, ist entweder sehr schneller Thrash oder eine Warnung an die Zuschauer. Einige gehen schon, was sie hinterher bereut haben dürften, außer sie waren unterwegs in den Keller, um dort zu lachen.
Die Band, meist Niederländer Heavy Kevy, nimmt sich vor fast jedem Stück Zeit für ein paar Worte und andere Aktionen mit hohem Unterhaltungswert. Es ist deutlich zu sehen und zu spüren, dass sie gerade ordentlich Spaß haben.
So erklärt er die europäische Version des Thrash und damit auch ihr Motto wäre: „Alles kaputt in einer Minut’“ und beschreibt ihren Sound damit recht treffend. Oder erzählt, woher sie kommen, nämlich aus einem Ort mit vielen Bergen, vielen Studenten, wenig Geld und leider wenig Marihuana, kurz, aus Innsbruck.
Accessoires spielen eine besondere Rolle auf der Bühne, z.B. in Form von Schildern wie „Mosh“ oder dem doppelseitigen „fuck this shit / run to the pit“ und „this Dude“ als Hilfe, um zu erkennen, wer gerade sein Solo hat. Dazu ein riesiger Pappjoint, Krebsscherenhandschuhe und eine Spiralaugenbrille zu passender Gelegenheit. Mehrere Einspieler, wie ein Zitat aus The Evil Dead, Crab People Sound und mehr ermöglichen zusätzliche Schmunzler oder gar Lacher.
Zum Schluss lädt der Sänger noch zum gemeinsamen Trinken ein und erklärt, wer nichts hat, bekommt was, so geht das!
Ebenso ehrlich wie die Show witzig ist, kommt der Dank rüber, den er an das Publikum, das SB-Team und den Support von Heavy Metal im Allgemeinen richtet.
Während ein paar Begeisterte eine Polonaise starten, geht die Band in der Gewissheit, einen guten Job gemacht zu haben.

Tribulation

Vor dem Auftreten der vier Death Metaler aus Schweden hat sich nur wenig Publikum bereitgestellt. Das Intro, bestehend aus Klavier, Akustikgitarre und Orgeltönen, ist länger als üblich. Nach ihrem Erscheinen nehmen es die leicht nach Zombies aussehenden Musiker auf, und der Beginn ist getragen bevor es druckvoller wird.
Selbst wenn die Ansagen von Sänger Johannes Andersson gemacht werden, ist Jonathan Hultén mit seiner Gitarre weit öfter Mittelpunkt der Bühne. Schon sein Äußeres und das Auftreten machen ihn zum Blickfang und wenn er seinem Instrument mehr abverlangt als so viele andere, hat er auch alle Ohren bei sich.
Generell legt Tribulation sehr viel Wert auf eine lebendige Musik mit vielen Tempowechseln, Semi- oder normalen Soli- und vielen rein instrumentalen Parts, die zum Genießen einladen. Dabei wird der eine oder andere Stil gestreift, eventuell kurz gehalten, wobei die Stimme manchmal nicht ganz dazu zu passen scheint. Die Künstler leben sich aus und lassen die Zuschauer teilhaben. So Mancher lauscht fast schon andächtig und kommt schon alleine deswegen nicht auf die Idee, sich größerer körperlicher Aktivität zu widmen.
Darum ist es auch nicht verwunderlich, dass zwar gemosht, aber sonst keine Vorgrabenspiele veranstaltet werden.
Ein sehr gelungenes Konzert das diejenigen, die es gepackt hatte ein wenig wehmütig zurücklässt.

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