CD: Andrea Berg – Seelenbeben


Wandeln wir einmal den Text von Die Ärzte Schrei nach Liebe ein bisschen ab: „Zwischen Metal und den Onkelz spielt Andrea Bergs LP“! Wow, was machen wir mit Schlager? Na, ganz einfach, wir geben der Schlagerqueen Andrea Berg nach der Echonominierung auch mal eine Chance und vielleicht kriegen wir dann auch „Lust auf pures Leben“, wie die Berg in ihrem ersten Song. Die Scheibe Seelenbeben sorgt zwar fast dafür, dass ich aus meiner Wohnung fliege, weil hier überhaupt keine Schlagerfans wohnen, aber ich setze mich mal durch, gleiches Recht für alle!

Andrea Berg ist ja jetzt kein kleines Schlagersternchen, das halbnackt durch alle Fernsehshows turnt und nebenbei playback in die Kamera grinst. Nein, man kann sie schon als Schlagerqueen bezeichnen. Ihre Erfolge, zahlreiche Chartplatzierungen und Auszeichnungen sprechen für sich. Ihre letzten acht Alben haben es auf Platz 1 geschafft und seit 1992, wo alles mit Du bist frei begann, ist es das 15. Album von Berg. Auch im DACH-Areal ist sie erfolgreich, in Österreich schafften es die letzten sieben Alben auf die 1, die Schweiz ist in ihrer Begeisterung etwas langsamer, da finden wir gerade mal die letzten beiden Longplayer an der Spitze. Sieben Echos stehen im Schrank, 2017 mit Seelenbeben könnte ein neuer Award bei ihr einziehen.

Nun ist es eben Schlager, es gibt nicht diese tiefgründigen, nachdenklichen Texte, nicht die musikalischen Härten, Drums, Bass, Riffs, die man nie vergisst. Es sind langweilige, aber eingängige Popnummern – die großteils wie bei den letzten Alben auch schon von Dieter Bohlen geschrieben wurden. Die Texte handeln von Liebe, Liebeskummer, Liebesbeweisen, Liebe hier und Liebe da. Es ist diese heile Schlagerwelt, die vielleicht mal ein bisschen Herzschmerz bei besungenen Trennungen durchmacht, aber ansonsten recht oberflächlich ist. Die Texte sind übrigens von Andrea Berg selbst geschrieben. Viele Wiederholungen, beispielsweise besteht „Das hat die Welt noch nie gesehen“ gefühlt nur aus diesem einen Satz und ja, ich wünsche mir innerlich, dass ich das auch nie gehört hätte. Aber die Interpretin bedient ihr Publikum und macht das ganz gut.

Ich bin früher in meiner Discozeit jedes Wochenende mit heller Begeisterung auf eine Schlagerparty gegangen. Man kann also nicht sagen, dass ich nichts mit dem Sound an sich am Hut habe, im Gegenteil. Aber ich frage mich, ob vor 15 Jahren die Texte auch so seicht waren und jeder Song gleich geklungen hat. Ich meine, nein, aber vielleicht hat der DJ auch in die Trickkiste gegriffen und eher Schlager aus den 1980ern aufgelegt. Um nicht alles schlecht zu reden: Auch Seelenbeben bietet Abwechslung. Beim ersten Hören der Platte ist mir das nicht ganz so bewusst geworden, nun beim Rezensieren tritt es deutlich hervor. Ohne es vorher zu wissen, kann man eindeutig sagen, welche Musik aus Bohlens Feder stammt, und was René Baumann (a.k.a. DJ Bobo) und Co entworfen haben. Bohlen ist immer gleich, poppig, langweilig. Die anderen haben mal eine schöne Ballade – „Sternenträumer“ – und ein bisschen Abwechslung in den Songs. Bei Bohlen bleibt es immer gleich. „Märchenschloss“ kann genauso von Vanessa Mai oder Helene Fischer sein. Welche Schlagerdame da nun singt, wäre wirklich egal und austauschbar. Nein, das ist nicht bei allen Songs so!

Ein Fazit am Schluss: Schlagerfans werden die Scheibe lieben! Andrea Berg in Hochform mit der ersten Scheibe auf dem eigenen Label. 14 Songs voller Liebe, triefend vor kitschig-romantischem Gefühlsgedöns, das garantiert nicht wankt, nicht schmerzt, nicht denkt. Ich gestehe Seelenbeben wirkliches Potential zu und das begründet auch die gute Bewertung. Subjektiv ist mir die Scheibe zu langweilig, zu eintönig, zu rosarot, netter Schlagerpop zum Gähnen.

4/5

Andrea Berg – Seelenbeben
Bergrecords, 2016
CD: 12,99 €

Tracklisting:
Lust auf pures Leben
Ich werde lächeln, wenn du gehst
Das hat die Welt noch nie gesehen
Sternenträumer
Seelenbeben
Diese Nacht ist jede Sünde wert
Du bist das Feuer
Drachenreiter
Solang die Erde sich dreht
Märchenschloss
Schlaflose Nächste
Es muss ja nicht für immer sein
Lass mich in Flammen stehen
Wunderland

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