Sinnestäter ist ein deutsches Musikprojekt, das sich den härteren Klängen verschrieben hat und vor allem Wert auf gutes Songwriting legt. Kupka und Borm heißen die zwei Köpfe, die dahinter stecken, und haben im Februar ein Album präsentiert. Mit ihrem Debüt Dreht auf! führen sie sich gut ein in den deutschen Hardrock und ähneln stellenweisen alten Hasen wie Toxpack. Mal sehen, ob sie halten können, was sie versprechen.
„Dreht auf!“ rockt sofort richtig los und ist ein guter Einstieg in ein gitarrenlastiges Album. Kupka rotzt rau den Text ins Mikro und brüllt sich die Seele aus dem Leib. Die Chorelemente sorgen dafür, dass man schnell mitsingt. Hier wurde schon mal alles richtig gemacht. „Gefallene Würfel“ hat kleine musikalische Feinheiten eingebaut. Was noch recht chillig beginnt, geht im Refrain in den nächsten brüllenden Hasssong über – mit einer recht ruhigen Bridge. Die Wechsel in Rhythmus und Härte wird man noch öfter hören und an die muss man sich gewöhnen. „Frei und ohne Zwang“ beginnt mit Kirchenglocken, Imam-Gesang, christlichem Segen und einer gesprochenen moralischen Warnung an die Religionsfanatiker, die nichts anderes zu tun haben, als Krieg zu stiften. Hauptsächlich wird sich hier auf Christentum und Islam eingeschossen, was zwar recht logisch ist, da man hiervon am meisten mitbekommt in unseren Breitengraden, in meinen Augen aber etwas zu kurz gegriffen ist. Doch darum soll es mal nicht gehen. Textlich ist es ein aufrüttelnder Song, der vielen aus tiefstem Herzen sprechen dürfte. Gute Nummer. „Danke sagen“ beginnt mit Meeresrauschen und Gitarre. Eigentlich schön romantisch – so bleibt es dann auch. Eine Ballade auf der Platte muss ein, das wissen Sinnestäter auch. Mir fehlt hier allerdings das Element, das aus dem Song eine Rockballade macht. Sorry, Jungs, aber das hier ist mir zu trivial-poppig. „Geh allein“ wird dann wieder rockiger, kommt aber nicht mehr an die Härte, die man bei den ersten Songs hören konnte, ran. Hier verliert das Album an Power und man fragt sich, ob jetzt schon die Luft raus ist. „In dieser Welt“ ist auch wieder so ein trivialer Sound, radiotauglich, aber ohne Profil. Ähnlich ist „Alles ist so vertraut“, das mit ganz ruhigen Klaviertönen beginnt, eine Gitarre steigt ein, dann wird es etwas kraftvoller. Aber die Strophen sind ruhig. „Du und ich“ hat im Refrain ein bisschen geklaut von Wolle Petry. Warum nicht? Es wird zwar keine Schlagernummer, aber es erinnert stark an den Sound von Petry, beabsichtigt oder nicht, man muss sich drauf einlassen können. „Frauen der Männer“ wird wieder rockiger, endlich. Dafür erinnert eine kurze Sequenz an die Böhsen Onkelz „Entfache dieses Feuer“. Vielleicht hab ich den Song auch nur zu oft gehört. Es gibt auch hier wieder – das findet man in einigen Liedern – einen herrlichen Gitarrenpart, der gerne noch länger sein dürfte. „Rechte Hand des Teufels“ hat einen starken Anfang mit Mel Gibsons Schlachtruf nach Freiheit aus Braveheart. Hier lohnt es sich, mal auf den Text zu achten. Wieder herrliche Kritik an Gesellschaft, Religion und Weltanschauung. „Schleier im Nebel“ beginnt wie „Wieder mal nen Tag verschenkt“ und „Knockin‘ on Heaven’s Door“ mit trauriger Gitarre. Nerven die Vergleiche? Sorry, aber die drängen sich einfach auf. Hört euch mal den Beginn aller drei Songs an, ihr werdet merken, was ich meine. Den Song selbst könnte man auch alleine auf der Bühne performen, ein Spot auf die Akustische, im Publikum Feuerzeuge und Wunderkerzen, das ein oder andere Tränchen. Keine schlechte Nummer. Gehen wir mal wieder zum härteren Sound, denn „Zivilcourage“ powert zu Beginn ganz schön. Der Refrain wird wieder ruhiger, gefolgt von einem schönen Gitarrenpart, der an 80er Jahre Hardrock erinnert. Die letzte Nummer „F.E.H.“ zieht ebenfalls noch mal die harten Register. Der Gesang kommt dann lauernd und drückt den Text so richtig in den Hörgang. Auch hier gibt es wieder einen krassen Mix zwischen hart und zart, der einem einfach gefallen muss.
Vielleicht ist es Spielerei, vielleicht ist es auch etwas sehr nervig, aber Sinnestäter mixen gerne und springen zwischen Hardrock und Pop hin und her. Das bringt viel Abwechslung in die Songs, irritiert an manchen Stellen aber auch sehr. Für mich ist es trotzdem ein kraftvolles und gelungenes Debüt, das Lust auf mehr macht.
4/5
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Sinnestäter – Dreht auf!
Thunderlight Records, 2017
CD: 14,99 €
Tracklisting:
Dreht auf!
Gefallene Würfel
Frei und ohne Zwang
Danke sagen
Geh allein
In dieser Welt
Alles ist so vertraut
Du und ich
Frauen der Männer
Rechte Hand des Teufels
Schleier im Nebel
Zivilcourage
F.E.H.