CD: Harpyie – Anima


Vor sechs Jahren formierte sich in Bad Oeynhausen Harpyie. Das aktuelle Quintett hat sein viertes Album auf den Markt gebracht, trotz einiger interner Veränderungen. Ob diese geschadet haben, wird man sehen.

Anima beginnt mit dem gleichnamigen Song, der erst mal mit einem einfachen, gesprochenen Text aufwartet. Es wird über ein Monster gesprochen, das es zu besiegen gilt – uns selbst. Die bedrohliche Stimmung macht sich dann auch in der Musik bemerkbar, die recht düster ist. „Ambra“ geht mehr in eine Metal-Richtung, die zu Beginn ein bisschen verwundert. Aber Mittelalter und Metal schließen sich ja nicht unbedingt aus. So macht es Spaß, die Mischung aus dunkler Power und Streichinstrumenten zu verfolgen. „Schneeblind“ ist dafür wieder mit einem ruhigeren Anfang versehen. Bei allen Songs fällt auf, dass der Gesang ein bisschen zu leise ist. Die Instrumentenvielfalt begräbt ihn geradezu unter sich, was schade ist, denn so schlecht sind die Texte nicht, als dass man sie verstecken sollte. Entweder legt man sich die Lyrics zurecht, wenn man die Scheibe abspielt, oder man konzentriert sich so stark auf den Gesang, dass man von den Instrumenten nur noch sehr wenig mitbekommt. Schade eigentlich, denn es geht doch um das Gesamtwerk. „Flieg“ lässt einen immerhin diese ewige Aufforderung mitsingen. Ein Aufbruch-Song, der aber irgendwann zu gleichmäßig ist. „Rasputin“ beginnt mit Stimmengewirr, fast könnte man meinen, man sei auf einem Markt oder in einer Schenke. Die Melodie ist leicht, russisch, springend. Auch der Chor ist entsprechend angehaucht und erinnert an ältere Lieder über Rasputin (Boney M. u.ö.), auch wenn es zwischendurch immer wieder Metalanleihen und sogar einen kurzen Part gibt, der stark an Powerwolf erinnert. „Totem“ beginnt dafür ruhig, prescht dann einen satten Metalsound rein, der durch Streicher einen leichten Mittelalterhauch bekommt. Das zieht sich durch die meisten Songs, was nichts Verwunderliches ist, wenn man Harpyie kennt. Manchmal ist das befremdlich, manchmal macht es die Songs richtig gut. Bei „Dynamit“ kann man sehr gut erkennen, wann das härte Element eingesetzt wird, nämlich dann, wenn der Text anprangernd wird. Je nach Lied ist mal der Metalanteil größer oder der Mittelalteranteil. „Jagdfieber“ ist sehr ruhig, entgegen die Erwartungen, die man in den Titel setzt. „Berserker“ fängt mal wieder ganz ruhig an und powert dann richtig rein. Da kann man auch nicht mehr den Kopf und die Füße stillhalten. „Löwenherz“ mimt das gleiche Spiel, ein ruhiger Beginn, der sich dann aber nicht in eine fette Metalnummer wandelt, sondern ruhiger bleibt. „Schöne neue Welt“ ist der längste Track des Albums und macht noch mal deutlich, dass gewisse Takte in den meisten Songs immer wiederkehren. Das ist ein ganz netter Effekt, kann aber auch nerven. Den Bonustrack „Unter Geiern“ kennt man zumeist schon aus Facebook und Co. Das ist immer noch ein fröhlicher Takt, der mitzieht, tanzt, springt und das Mittelalterliche dominieren lässt. Erinnert zuweilen an Feuerschwanz.

Man muss, wenn man kein Harpyie-Kenner und Fan ist, das Album, die Musik und die Texte wirken lassen, vielleicht auch mehrfach anhören, bis man zu einem Urteil kommt. Manche packt die Musik sofort, andere lehnen sie nach dem ersten Song bereits ab. Die Mischung aus Mittelaltersequenzen und Metalpower ist gewöhnungsbedürftig, aber keinesfalls schlecht. Der Vorgänger Freakshow war schon kein schlechtes Album, aber Anima klingt runder und stimmiger. Es lohnt sich auf jeden Fall, reinzuhören und das Album wirken zu lassen – live zieht der Stil vermutlich mehr, weil man besser mitfeiern kann.

4/5

Harpyie – Anima
Metalville / rough trade, 2017
CD: 15,99 €

Tracklisting:
Anima
Ambra
Schneeblind
Flieg
Rasputin
Totem
Vom alten Eisen
Dynamit
Jagdfieber
Berserker
Löwenherz
Schöne neue Welt
Unter Geiern

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