Progressive Death Metal aus Deutschland, genauer aus Bad Griesbach, gibt es seit 2012. Die Band AdvenA hat mit Realität ihren ersten Longplayer auf den Markt gebracht und möchte mit einer sanften Mischung aus Progressive und Melodic Death Metal überzeugen.
Mit dem Titeltrack und einem langen Intro startet die Scheibe und man hat das Gefühl, das Intro würde ewig andauern. Aber nach fast zwei Minuten geht es dann endlich los. Growling, ein ganz typischer Rhythmus und Instrumentalklang vervollständigen den Song. Zwischendurch immer wieder Ruhe, leise Töne, ein Luftholen. Das zeigt vielleicht ganz gut, wo die Reise hingehen soll, wäre da nicht schon wieder ein Bruch innerhalb des Songs. Growling, Klargesang, eine mechanisch anklingende Stimme, schnell, langsam, hart und zart, alles in einen Song gepresst – das ist zu viel und wäre schon ein Grund, gar nicht erst weiter zu hören. Der Beginn von „Herztod“ könnte auch der Beginn eines bestimmten Rammstein-Songs sein. Dann folgt die Gitarre, ein bisschen Schlagzeug und Bass, gepaart mit Growling. Vermutlich hat die Band viel Zeit in die Texte investiert und vielleicht sogar was zu sagen, man versteht es nur nicht und daher ist eine deutsche Gruppe mit ausnahmsweise einmal deutschen Lyrics nicht der erhoffte Fund des Jahres, sondern eher vergebene Liebesmüh. Den Klargesang versteht man, aber das bringt einen dann auch nicht weiter, weil man schon gar keine Lust mehr hat. Sich nur auf die Musik zu konzentrieren, hat auch wenig Sinn, weil die Mischung einfach nervig ist, ja, wirklich nervig und scheinbar willkürlich – was zwar nicht stimmt, aber manchmal so scheint. Nach dem zweiten Lied ist mein Interesse an der Scheibe noch geringer als zuvor. Aber mit „Lass es regnen!“ scheint es AdvenA rausreißen zu wollen. Die erste Minute passt, es folgt eine Wall-of-Death-Passage, scheiß auf den Klargesang, der zwischendurch kommt – und wirklich super passt an dieser Stelle! -, die Nummer hat was! Entweder hat man sich bei „Splitter“ an den Mix gewöhnt, oder die Einschnitte sind nicht so krass und gefühlt falsch, wie bei den ersten beiden Stücken. Die Scheibe wird besser und endlich kann man sich der Härte hingeben, den Kopf schütteln und abgehen. So etwas erwartet man von einem Longplayer dieses Genres. „Aurora“ verarbeitet die Nationalhymne und das berühmte Ulbricht-Zitat „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. Es geht dann auch ruhig los, fast schon lauernd, wird dann verstörend schrill, mit einem feinen Gitarrensolo. „Phoenix“ ist wieder ein unerträglicher Mix, dafür entschädigt „Am siebten Tag“ ein bisschen und man fragt sich bei „FFA“, warum man in der zweiten Minute nicht ein gescheites Basssolo abbilden konnte oder wollte. Das Zwischenstück bei der Hälfte von „Der Wille“ ist auch wieder so ein Ding, das niemand braucht, ähnlich „Alles, was glänzt“. Man ist dermaßen erleichtert, wenn man bei „Wasser zu Wein“, dem letzten Lied, angekommen ist, dass man sich fast schon schämt. Ein halbes Mittelalterstück mit den falschen Instrumenten.
Was bitte ist das? Ich mag die Leistung und die Arbeit, die Gedanken und die Kreativität, die hinter und in dieser Scheibe stecken, nicht schmälern. AdvenA hat sich seine Gedanken gemacht und sich ausprobiert, sicherlich gibt es auch die Kollegen, die das Album in den Himmel loben. Ich kann es beim besten Willen nicht. Es schrappt knapp am Totalausfall vorbei in meinen Ohren, weil nicht das Album an sich abwechslungsreich ist, sondern in jedem Song so viel miteinander verwoben ist, weil jedes Lied so vollgestopft ist, dass es eine absolute Reizüberflutung darstellt. Weniger ist definitiv mehr. Man hätte die Songs entzerren, die Ideen besser aufteilen können, so dass man die Abwechslung auf der CD hat, aber nicht in jedem Song ein Potpourri an Genremerkmalen. Ich denke, dass AdvenA mehr drauf hat und bin gespannt, wie es weitergeht.
1/5
—
AdvenA – Realität
Lighthouse, 2016
CD: 8,99 €
Tracklisting:
Realität
Herztod
Lass es regnen!
Splitter
Aurora
Phoenix
Am siebten Tag
FFA
Der Wille
Alles, was glänzt
Wasser zu Wein