schnell und laut im ‚MuF‘
MuF steht für Musik und Frieden; ein schöner Name für eine Konzertlokation, die genreübergreifende Gigs präsentiert.
Pünktlich zum Einlass steht, wie üblich, eine kleine Gruppe vor der Tür. Bei den Temperaturen wäre es zwar schön, nicht mehr warten zu müssen, aber es dauert noch etwas, bis der Türsteher die ersten Taschen kontrolliert.
In dem übersichtlichen Saal, der das Schwarze Zimmer genannt wird, gibt es eine Theke und ein paar Sitzgelegenheiten, die gleich okkupiert werden. Einziger Nachteil für die Sitzenden, die schwarze, viereckige Säule in der Sichtlinie zur kleinen Bühne. Die Bands werden trotzdem gut zu hören sein.
Schon jetzt ist das Gebäude von Musik erfüllt. Die Treppe rauf befinden sich außer den üblichen Örtlichkeiten eine übergroß wirkende Garderobe, aus der Power Metal schallt, ein Studio von Radio Fritz, aus dem so nichts zu hören ist, und die sehenswerte, holzgetäfelte Baumhaus Bar, in der gerade ein DJ Clubsounds zum besten gibt. In Berlin muss es momentan Holz sein, raunt mir eine Eingeweihte zu.
Alles in allem ein lohnenswerter Ort für Freunde der Musik.
Bloodbeat
Der Raum ist nur mäßig gefüllt und die Berliner Band Bloodbeat wird neugierig erwartet. Wie es scheint ist der Bekanntheitsgrad noch nicht besonders hoch, kein Wunder, gibt es sie doch erst seit knapp vier Jahren und sogar beim Genre gibt es Zweifel. Auf einer Seite steht Death/Trash Metal, auf anderen nur Death, aber was soll’s, das Interesse ist geweckt. Weitere Verwirrung gibt es bei den Namen der Bandmitglieder. Für den Bass finden sich gleich drei, für das Schlagzeug immerhin zwei. Feste Bestandteile scheinen Sänger und Gitarrist Jason sowie Brian, ebenfalls Gitarre, zu sein.
Im Hintergrund steht das abgedeckte Schlagzeug von Fleshgod Apocalypse und zwingt die Jungs von Bloodbeat, eher statisch zu agieren. Außer Equipment ist nichts auf der Bühne und genauso schnörkellos beginnt es, nachdem Drummer Paul seine Wasserflasche verstaut hat und ein paar bedrohlich Worte eingespielt worden sind.
Was bei im Netz befindlichen Aufnahmen akzentuierter klang, verschmilzt auf der Bühne zu einem rasanten Beat, der zum Abgehen einladen sollte. Leider springt der Funke nicht sofort über und es gibt nur ein paar Nicker als Reaktion. Jason growlt und screamt zu manchmal flinken Gitarren, wobei der Bass etwas unterzugehen scheint. Tempo- oder andere Wechsel in der Komposition sind nur kurz und haben kaum Zeit zu wirken. Das Schlagzeug ist überdeutlich und meist scheint es als würde der Rest dessen Vorgaben einfach nur folgen. Dabei ist ab und an zu merken, dass vor allem mit den Gitarristen anderes möglich wäre.
Der zwischendrin erfolgten Aufforderung, die Fäuste zu erheben, wird nur mäßig entsprochen.
Es scheint weiter, zwar laut und schnell, aber am Publikum vorbei, dahinzuplätschern als ein noch nie performter Song, der auf das neue Album soll, angekündigt wird. „Bullets“ heißt er und trifft besser als alles bisherige, vielleicht, weil er etwas old school ist. Nach einem ruhigeren Beginn ist er nicht langsamer als die anderen Stücke, aber dadurch, dass die einzelnen Instrumente mehr Raum bekommen und besser zu hören sind, wird das anwesende Publikum anscheinend mehr angesprochen. Der folgende Applaus ist deutlich lauter und länger.
Nach dem folgenden, letzten Lied gibt es einen einsamen Ruf nach einer Zugabe und Bloodbeat entschwindet von der Bühne. Es bleibt ein schwer zu greifender Eindruck. Ja, die Band hat Druck gemacht und es hätte mehr abgehen können, wenn das Publikum mehr in Stimmung gewesen wäre. Die Mischung aus Death und Trash war auch weniger gut zu greifen und ein Zuschauer findet den Begriff diffus, der ziemlich gut passt. Einige Umstehende scheinen sich einig, dass ein Alleinstellungsmerkmal fehlt.
Fleshgod Apocalypse
Auf der Bühne hat sich etwas getan. Das Schlagzeug ist enthüllt, ein Klavier daneben, ein Backdrop gefallen und die Mikrophone sitzen auf, ja was, verzierten, niedrigen Kleiderständern? Jedenfalls vermitteln sie einen Hauch aus vergangenen Epochen und erreichen damit vermutlich ihr Ziel.
Zudem werden Erwartungen selbst bei denen geweckt, die von Fleshgod Apocalypse noch nichts wissen. Für die, die sich vorher informierten, es soll Death Metal folgen. Manchmal beschrieben mit dem Vorwort Technical, Symphonic oder gar Brutal, bei der Selbstbeschreibung nur gefolgt von dem Wort Classica. Letzteres ist ein kleiner Hinweis auf die Herkunft der Band, Peruiga / Roma. Anscheinend ist Rom eine Brutstätte für kompromissloseren Metal und einige Mitglieder sind bei Gründung im Jahr 2007 keine unbeschriebenen Biographien in dem Bereich.
Die grundsätzlich hohe Geschwindigkeit wird gerne für einen melodischen oder klassischen Teil ausgebremst und Einspielungen ähnlicher Art sind üblich. Das Klavier ist nicht nur Zierde, sondern wird von Francesco Ferrini bedient. Außerdem steht neben dem Growler Francesco Paoli (auch Gitarrist), die Sopranistin Veronica Bordacchini auf der Bühne und der Gesang wird durch die klare, helle Stimme von Bassist Paolo Rossi bereichert. Der Vollständigkeit halber geht die Vorstellung der Band mit Leadgitarrist Fabio Bartoletti weiter und endet bei Schlagzeuger David Folchitto.
Zu den Klängen des „Marche Royale“, dem Intro der aktuellen CD King, betritt Veronica die Bühne, geht auf und ab, bis sie bei ihrem Mikro im hinteren Bereich stehen bleibt. Ihr Kleid ist mit Stickereien und Mustern verziert, die Maske mit einer Perle und schwarzen Federn, in der Hand hält sie einen über zwei Meter langen Stab der weit entfernt an Äskulap erinnert und von Schwingen gekrönt wird.
Auch beim Rest der Band ist die Kleidung interessant und passt zu den anscheinend gebleichten Gesichtern. Kragenloser Gehrock und Beinkleid aufeinander abgestimmt, dazu Hemd, Stiefel und der Leadsänger mit Halstuch, könnte das ganze ziemlich edel aussehen, aber es ist einfach gehalten, hat wenige Verzierungen und wirkt sogar etwas verschlissen. Garantiert eine bessere Wahl als übertriebener Rokokoglamour passt der Auftritt zu der würdevollen Bühnenpräsenz, die zur Schau gestellt wird.
Das Publikum ist von der ersten Sekunde an dabei und entlädt die Vorfreude in Jubel, was sich kurz steigert als es richtig los geht.
Wie zu erwarten geht es gleich richtig ab, aber es sind technische Schwierigkeiten zu hören. Ein Brummen begleitet die tiefen Töne und von Sängerin als auch Klavier ist vorerst nichts zu hören. Ein Besucher, der schon andere Konzerte gehört hat, merkt an, dass der Sound schon besser war und das ist einfach zu glauben.
Es tritt Besserung ein, was das Brummen angeht, aber Veronica Bordacchinis und Francesco Ferrinis Beiträge sind immer nur dann zu vernehmen, wenn die Gitarren schweigen.
Dies scheint keinen wirklich zu stören, auf der Bühne fliegen die Haare und die Stimmung steigt, insbesondere dann, wenn Francesco Paoli die Leute anspricht oder auffordert zu klatschen oder die Hände bzw. Pommes Gabeln zu heben.
Die Beengtheit auf der Bühne zeigt sich insbesondere dann, wenn Veronica mit dem Mikro in der Hand nach vorne kommt und sich einreiht. So wie sich das Publikum äußert, auch wenn sie gesondert vorgestellt wird, würde es sicher begrüßt werden, wenn auch sie permanent in der vorderen Reihe stehen könnte.
Es fällt auf, dass Einspieler und Intros, unter anderem für eine Verschnaufpause genutzt, sogleich auf die Zuschauer wirken und sie sind Teil dessen, was Fleshgod Apocalypse besonders macht. Trotzdem ist es bedauerlich, dass die Variationsbreite, drei Sänger, Klavier, nicht völlig zur Geltung kommen, da insbesondere letzteres in der vorpreschenden Kakophonie des Death Metal untergeht. Zusammengefasst schmälert es den Hörgenuss zwar etwas, aber wer es laut und schnell mag, ist hier nicht falsch. Der Anblick, nicht nur der Kostüme, auch der der Bühnenpräsenz ist allemal einen Besuch wert.