Buch: Sam Savage – Firmin – Ein Rattenleben


Firmin wächst im Keller einer Bostoner Buchhandlung auf und liest sich Buch für Buch durch die Weltliteratur. Er entdeckt, wie spannend das Leben der Menschen ist, und macht sich auf, ihre Freundschaft zu suchen. Sam Savage erzählt in diesem gefeierten Kultbuch die traurig-charmante Geschichte eines verkannten Außenseiters. Boston in den 60er Jahren. Im schäbigen Keller der Buchhandlung am Scollay Square wird Rattenjunge Firmin geboren. Er ist der Kleinste im Wurf und kommt immer zu kurz. Als der Hunger eines Tages zu schlimm wird, knabbert er die in den Regalen lagernden Bücher an. Eines nach dem anderen wird gefressen, bis Firmin entdeckt, dass auf dem Papier etwas steht, was ihn sein Elend vergessen lässt: Ob Lolita oder Ford Madox Ford, ob Moby Dick oder Cervantes, die Welt der Menschen verspricht Abenteuer und Liebe, Krieg und Frieden, kurz: alles, was eine Ratte nicht hat. Voller Neugier sucht Firmin die Freundschaft zu Buchhändler Norman. Als dieser einen Giftanschlag auf ihn verübt, muss Firmin einsehen, dass er in den Augen der Menschen wohl doch nichts weiter ist als ein lästiges Tier. Wie so oft im Leben zeigt sich aber gerade in den dunkelsten Stunden ein Licht am Ende des Tunnels. Sam Savages Roman erzählt von den Hoffnungen und Idealen der Beat-Generation und von der Fähigkeit, immer wieder aufzustehen, möge es noch so hart kommen (Quelle: Klappentext Ullstein/Amazon)

Durch einen Zufall bin ich auf einen Hinweis auf das Erstlingswerk des Schriftstellers Sam Savage gestoßen. Mein erster Gedanke war, dass es sich um ein Machwerk wie die Geschichten um den Kater Francis in Akif Pirincci’s Felidae handeln könnte, nur eben in der Welt der Bücher. Da ich an derlei Geschichten immer interessiert bin, habe ich schnell das Buch gekauft und los ging’s.

Man taucht ein – ein in eine kleine, eigene, verborgene Welt – hinter der normalen. Savage erzählt von Firmin, einem kleinen Rattenjungen. Als der Kleinste im Wurf musste er früh lernen, sich gegen seine zwölf Brüder und Schwestern durchzusetzen. Er flüchtet, in seinen eigenen Kosmos, der aus Büchern besteht, und bemerkt, dass er sich den Inhalt eines Buches verinnerlichen konnte, wenn er die Seiten anknabberte und fraß. Später lernte er die Bücher zu lesen. Sam Savage schafft es, dass man von den ersten Seiten an selber zu Firmin wird. Man sieht die große Außenwelt und ihre Unwägbarkeiten durch Firmins kleine Knopfäuglein. Man leidet mit Firmin und man freut sich, wenn der Rattenbub einen Grund findet, sich zu freuen. Man ist während des Lesens nicht der Betrachter von außen, man ist in der Geschichte drin, man ist die Geschichte selbst. Man träumt ihn mit, den großen Traum von Firmin, dem Schriftsteller. Aus dem kleinen Rattenjungen wird eine heranwachsende und schließlich eine erwachsene Ratte. Während dieses Zeitfensters bekommt man mit, wie sich die Außenwelt, in diesem Fall der Stadtteil, durch den Fortschritt verändert. Genauso verändert sich das Leben Firmins. Man lebt während des Lesens sein eigenes Rattenleben, mit all seinen Höhen und Tiefen, mit all dem Freud und Leid einer Existenz.

Auf den ersten Seiten liest man den, laut Firmins eigener Meinung, bedeutendsten „ersten Satz“ eines Buches. Der Satz, der den ersten Preis für den gelungensten Buchanfang verdient hätte. „Dies ist die traurigste Geschichte, die ich je gehört habe„.
Firmins Geschichte ist eine traurige – wenig Action beladen, auch wenn es genügend Aufreger im Leben des kleinen Rattenjungen gibt. Es ist eine Geschichte voller Zwischentöne, die sein Leben ausmachen. Und so traurig sie auch sein mag, beim Lesen überkommt einem immer wieder ein Lächeln, welches sich ins Gesicht schleicht.

Ein sehr schöner, berührender Roman, der zurecht die volle Punktzahl verdient.

5 / 5

Sam Savage – Firmin – Ein Rattenleben
Ullstein Verlag, 2008
216 Seiten
Amazon

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