Bereits in den 1990er Jahren haben sich Almost Human gegründet – gehört hat man allerdings wenig von ihnen, versanken sie doch recht schnell wieder in der Versenkung. Bis 2008 Jan Peyer an den vier Saiten zu der illustren Truppe stieß. Es gab einige personelle Wechsel und Neulinge, aber geschadet hat es dem Projekt anscheinend nicht. 2012 gab es die erste EP, 2019 erschien nun das Debutalbum, das an den damaligen Erfolg anknüpfen möchte.
14 Songs haben es auf den Longplayer geschafft, der mit einem kurzen, aber ganz annehmbaren Intro beginnt, wenn man „System of Beliefs“ als solches bezeichnen kann. Passend beginnt das Stück mit den Worten „Hello and welcome to my world“, was ein guter Einstieg ist. Größtenteils versteht man sogar den Gesang, was sicherlich nicht schadet. „Warpigs“ legt nach mit elektronischem Geschrabbel, bevor die anderen Instrumente einsteigen und die Melodie Fahrt aufnimmt. Wie gefällt’s? Bis hierher ganz gut, aber nach zwei Songs kann man noch kein wirkliches Fazit ziehen. Deutlich Tempo wurde zugelegt, das bemerkt man sofort – genauso wie es langsamer wird bei „Naked Now“. Dieses Liedchen geht allerdings spurlos an mir vorbei, da muss ich mich richtig zwingen, permanent zuzuhören. „What makes you so hard“ ist recht eingängig, leichter Rhythmus, den man gut einfach mitschunkeln kann. Nicht zu schnell, für ein gewissen Bierdelirium gerade recht. Instrumental wird’s bei „Chemical Breakfast“ und ich lasse mich sogar drauf ein, dass es gut und gerne der Soundtrack zu einem Thriller sein könnte, die Szene, in der der verrückte Professor gerade sein Wundermittelchen zusammengebraut hat und nun ins Trinkwasser mischt, um alle Menschen zu vernichten und seine gezüchtete Lebensform die Weltherrschaft erringen zu lassen. Nimmt total den Schwung aus der Scheibe, ist irgendwann auch wieder vorbei und das ist gut so. Ich weiß nicht recht, ob dieser instrumentale Zwischenakt so gut passt. Der Gesang von Ben Plüss ist allgemein recht gut. Er sticht nicht wirklich heraus aus diversen Metalgenres, aber er ist guter Durchschnitt, nervt nicht, hat keine fiesen Patzer drinnen und keine nervigen Schwingungen, die einem das Album vergellen. Bei „Divine Comedy“ wird das Growling weitgehend eingestellt und flammt erst gegen Ende wieder auf. „Babyglued“ fängt gut an, der Gesang gefällt, wird dann aber zerstört durch die krasse Veränderung, das Einschreiten der Instrumente, das übliche Abdriften in leichtes Gegröle. Schade, denn der Anfang hat mir supergut gefallen. Danach wird es aber wieder die alte Schiene, die man bereits kennt – wenn es mal langsamer wird, ein bisschen spielerisch. Ein Liebeslied auf seine eigene Art. Kann der nächste Song es besser machen? „Clowned“ ist wieder ähnlich, manchmal scheint es, als seien verschiedene Effekte und Stile ausprobiert worden, man macht zwei, drei Songs damit und schaut, was am besten bei den Hörern ankommt. Puuh, „Clowned“ wird dann so richtig pathetisch-langweilig. Da ist nichts, keine Power, nichts Mitziehendes, nichts, was einen catchen könnte. Gut, der Text ist jetzt auch nicht das Wunderwerk gekonnten Songwritings. Bei der folgenden Nummer acht Mal „beloved pet“ zu sing-sprechen, lässt es genauso langweilig weiterlaufen. Da muss man schon über eine Minute überstehen, um ein bisschen Gitarrenpower zu hören, der dann wieder geht, halbwegs wieder kommt und .. naja .. textlich könnte da schon mehr drinnenstecken, aber man muss sich doch anstrengen, um nicht zu skippen. 1:12 Minuten lang ist das fadende „Promises Paradies“ [sic!], verzerrte, elektronische Stimme, ein bisschen Alien-die-Verbindung-ist-gestört-Weltraum-artig. Wieder eine Zäsur? Geht es danach anders weiter? Japp und wie. „(hide) Behind God’s name“ ist der Schluss, der nahtlos in Song Nummer 11 übergeht mit einem geschrienen „No!“. Power, kraftvolle Gitarren, Bass, man läuft wieder schneller, zur alten Form der ersten Songs auf. Das ist gut, die Verbindung der Texte in zwei Nummern passt supergut, die Zäsur ist geglückt. Es wird dann nach hinten raus ein bisschen lang bei fast sieben Minuten. Im Übergang, der nicht mehr so nahtlos ist, aber beim Songwriting berücksichtigt wurde, hat man wieder den Zusammenhang. „For whom do we fight for?“ ist die zuletzt gestellte Frage, die in „Fucktory of Illusions“ gleich in der ersten Zeile beantwortet zu werden scheint, wenn es heißt: „In the name of faceless dictators“. Aber hier fehlt wieder das Powernde, der Song ist noch länger, siebeneinhalb Minuten. Lasst es zum Ende kommen, bitte! Wieder eine Zäsur, 49 Sekunden fiepsiges Gewaber – und dann wird man von Almost Human gekillt mit einer fast 15 Minuten andauernden Nummer. An sich dauert der Song „nur“ sieben Minuten, der Rest sind Klangschalenromantik und finsteres Geschwurbel. Aus. Zum Glück.
Was kraftvoll beginnt und zu einer brauchbaren Metalscheibe hätte werden können, flacht leider ziemlich ab. Meinen Geschmack trifft es nicht, zu ähnlich, zu experimentell, zu wenig stringent. Natürlich wird die Scheibe die Fans ansprechen und auch den ein oder anderen neuen Hörer rekrutieren, denn ganz schlecht ist es ja nicht, was sie machen. Für mich gewinnen ganz klar die Lyrics, die viel Gesellschaftskritik und ein bisschen philosophisches Gedankengut beinhalten und zeigen, dass sich Almost Human wirklich Gedanken gemacht haben. Reinhören und -lesen sollte man also auf jeden Fall mal.
2,5 / 5
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Almost Human – XS2XTC
Fastball Music / Normosis Records, 2019
CD: 14,24 €
Tracklisting:
System of beliefs
Warpigs
Naked now
What makes you so hard?
Chemical Breakfast
Divine Comedy
Babyglued
Clowned
Beloves Pet
Promised Paradies
In the name(s) of God(s)
Fucktory of Illusions
From Womb 2 tomb
Welcome 2 Neverland