The Story behind … Megaton – Same


Die Geschichte von Megaton beginnt zweigleisig in England. Das ehemalige Mitglied der Britischen Royal Navy, Les Humphries gründete im Jahre 1966 die Gruppe The Summer Set. Ungefähr zur gleichen Zeit spielte der Brite Jimmy Bilsbury in diversen englischen Beatbands – Ray Johnson Skiffle Group, The Nightboppers, The Beat Boys, The Sabres oder The Hammers, um einige zu nennen. Neben vielen Auftritten im Vereinigten Königreich standen für The Summer Set auch Auftritte in Hamburg an. Sehr viele englische Bands traten von Hamburg aus ihren Zug über den europäischen Kontinent an. So wurden auch sogleich Kontakte zur deutschen Musikszene geknüpft. Im gleichen Jahr 1966 verließ Sänger und Gitarrist Achim Reichel die deutsche Beatband The Rattles, weil er zum Wehrdienst bei der Bundeswehr antreten musste. Da Reichel und auch die Rattles in Hamburg zu Hause waren, lernte man sich kennen. Nach dem Wehrdienst gründete Achim Reichel gegen Ende 1967 zusammen mit den ehemaligen Rattles-Kollegen, Sänger  Frank Dostal und Schlagzeuger Reinhard „Dicky“ Tarrach sowie dem Gitarristen Helmuth Franke und Les Humphries an der Orgel die Gruppe Wonderland, welche vom erfolgreichen Big-Band Leader James Last produziert wurde. Mit der Single „Moscow“/„Poochy“ hatte man 68 auch gleich einen Hit gelandet. Nach zwei weiteren Singles, „Boomerang“/„Peeping and Hiding“ und „Count Down“/„Jump Anna Trampaleen“ stieg Humphries 1969 bei Wonderland wieder aus und gründete zusammen mit dem Engländer Jimmy Bilsbury die Gruppe Les Humphries Singers nach dem Vorbild des amerikanischen Gospel-Chors Edwin Hawkins Singers. Die Les Humphries Singers waren ein bunter Haufen Hippies, die Hippie-Gospel-Pop spielten und sangen. Da Humphries aber nicht sofort vom Konzept des bunten Haufens überzeugt war, brachte er mit Sänger Bilsbury 1970 die progressive Gruppe Megaton an den Start. Über die weiteren Musiker ist schlichtweg nichts bekannt, es wird aber gemunkelt, dass der eine oder andere von der Band Lucifer’s Friend mit dabei war, die zur damaligen Zeit unter vielen Namen Platten für das Europa Label herausbrachten und auch als Studiomusiker oft gebucht wurden. War doch Sänger John Lawton sowohl bei den Les Humphries Singers als auch bei Lucifer’s Friend, ehe er dann zu Uriah Heep wechselte. Bei der Decca, dem Label, auf dem auch seine Singers unter Vertrag waren, bekam Humphries auch einen Plattenvertrag für Megaton und die brachten 1971 unter der Katalognummer SLK 16690-P eine selbstbetitelte LP heraus. Das psychedelische Cover in rot-orangenen Farbtönen gehalten, zeigt felsige Landschaften mit Wasserfällen mit einem überblendeten Frauengesicht.

Die zehn Tracks der LP sind eine Mischung aus progressiven Hardrock, die aber mit der Leichtigkeit des damaligen Disco-Grooves versehen waren. Les Humphries hatte keine Scheu, bei vielen damaligen Liedern und Bands Sequenzen zu klauen, ohne dass diese angegeben wurden. Das Intro und die Gitarrenspur vom ersten Song „Out of your own little Word“ zeigt eindeutig Spuren der Rolling Stones. Das Riff von „Jumpin’ Jack Flash“ wird hier komplett verwurstet, ist aber deutlich auszumachen. Die heisere Lead-Stimme von Jimmy Bilsbury passt hervorragend zur Musik. Mit dem nächsten kopierten Gitarrenriff geht’s gleich weiter. Nichts Geringeres als „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin wird bei „Niagara“ auf Teufel komm raus plagiiert. Sogar das hohe Stöhnen und die Intonation des Originalsängers Robert Plant wird abgekupfert. Wie beim Original kommt auch hier ein etwas ruhigerer, fast instrumentaler Mittelteil vor, bei dem lediglich der Chorgesang „Na-Na-Na-Na-Niagara“ und die Plant-ähnlichen Vokaleinsätze gesungen sind, ehe die Leadgitarre den letzten Part wieder ins bewährte groovende Fahrwasser treibt. Wäre nicht der Chorgesang, könnte man Song Nummer drei, „Wanna be your Hero“ fast eine Mischung aus Cream und Jimi Hendrix nennen. Ein stampfender Rhythmus, der unweigerlich nach vorne pumpt. Für den folgenden „Fairy Tale Song“ kopiert man frech einen Schotten. Der Gitarrist der originalen Londoner Musical Besetzung von HAIR, Alex Harvey hatte den „Hammer Song“ bereits 1969 auf seiner Solo-LP Roman Wall Blues veröffentlicht, aber mit seiner späteren Band The Sensational Alex Harvey Band neu eingespielt auf die LP Framed mit drauf gepackt. Der „Fairy Tale Song“ hört sich fast identisch wie die Framed-Version an, mit Ausnahme des komplett anderen Textes. Intonation und die typischen geschrienen Passagen sind ziemlich Harvey-ähnlich. Der Chorgesang von „Coo Cookie Choo“ ist nah am damaligen Discogeschmack angesiedelt. Der etwas über eine Minute lange Mittelteil wird geprägt von der ausufernden elektrischen Gitarre. Der Track groovt richtiggehend. Afro-Kubanischer-Karibik Flair a la Santana verströmt „Carry it on to the World“. Wildes Gebläse und heulende Choräle bilden eine erfrischende Abwechslung. Sofort drauf wird’s wieder rockig mit “Woman I’m gonna make you mine”. Der Song hat was Treibendes mit einem Midtempo-Boogie-Rhythmus. Seltsam treibend auf nur einem Grundton basierend kommt „Man in an Aeroplane“ daher. Leicht und beschwingt klingt „Life was easy yesterday“. Die Gitarre wird nur akzentuiert eingesetzt. Erst in den letzten gut eineinhalb Minuten kommt die Gitarre zu ihren Solo-Ehren und beschließt den Song schön progressiv. Der letzte Song auf der Platte ist das in souliges Gewand gekleidete „Tomorrow never comes my Way“. Von der Stimmung her könnte es ein Spooky Tooth Track sein. Die Vocals erinnern etwas an Mike Harrison oder einen rauchigen Steve Winwood. Die krächzenden Schreie könnte sich Bilsbury bei James Brown abgeschaut haben. Die beiden Songs „Out of your own little Word“ und „Man in an Aeroplane“ wurden zeitgleich mit der LP als Single (D 29093) von der Decca veröffentlicht. Kurze Zeit nach dem Longplayer kam eine zweite Single (D 29999) mit zwei Liedern auf den Markt, die beide nicht auf der LP enthalten waren. Diese waren „Sammy is dead“ mit der Rückseite „Aunt Sarah’s Uncle George“. Die LP kam in England auf dem Decca Sublabel Deram mit der Nummer SML-R 1086 heraus und ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit eine der seltensten Deram LPs, die es gibt. Auf der englischen Ausgabe der ersten Single ist die Rückseite „Niagara“ anstelle von „Man in an Aeroplane“. Die zweite Single kam nur in Deutschland heraus. Fast alle Songs auf der LP haben eines gemeinsam. Psychedelischer, progressiver Hardrock mit hohen, rauen Leadvocals und tief gesungenen Chorgesängen. Den Track „Niagara“ gibt es auch auf einer Platte von den Les Humphries SingersSinging Revolution … ebenfalls auf Decca, von 1971.

Verkaufstechnisch war die Platte 1971 ein Flop und sie landete in den Kaufhäusern in den Wühltischen. Da damals jede Woche tausende von Neuerscheinungen auf den Markt kamen, fand die Platte nicht die Beachtung, die sie eigentlich verdient gehabt hätte. Noch im selben Jahr 1971 beendeten Humphries und Bilsbury das Abenteuer Megaton und konzentrierten sich auf den wachsenden Erfolg der Les Humphries Singers. Bilson war übrigens 1977 neben Drafi Deutscher und Joe Menke Co-Autor des Boney M.– Hits „Belfast“. Und so schließt sich der Kreis wieder – war doch das Gesicht auf dem Megaton Plattencover das Gesicht der blutjungen Liz Mitchell, der Sängerin von Boney M.

Die Originalpressungen der LP erzielen heute auf den Sammlermärkten sehr hohe Preise und sind gesuchte Raritäten.

Megaton – Same
1971 – Decca – SLK 16690-P

 

 

 

 

Tracklisting:
A1 – Out of your own little World
A2 – Niagara
A3 – Wanna be a Hero
A4 – Fairy Tale Song
A5 – Coo-Cookie Choo
B1 – Carry it on at the End
B2 – Woman i gonna make you mine
B3 – Man in an Aeroplane
B4 – Life was easy yesterday
B5 – Tomorrow never comes my Way

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