Alle Jahre wieder kommt das Christuskind …. aber eben nicht nur das Christkindl, sondern auch die Hamburg Blues Band in die bayerische Pampa, genauer gesagt zum Bräu nach Garching an der Alz. Mittlerweile schon zum zwölften Mal bestreitet die Hamburger Bluesrockergemeinschaft um Gert Lange den Jahresauftakt der beiden positiv-Verrückten Ludwig Geisler und Hans Wiesmüller von Luckyman Concerts. Wie immer beim Bräu in Garching, einem uralten Gemäuer mit angeschlossener uriger Gastwirtschaft. Deren Schnitzel und Cordon-Bleu sind sensationell. Auf zwei Sachen, die fix im Kalender verankert sind, freue ich mich regelmäßig das ganze Jahr über. Cordon-Bleu mit anschließendem Konzert unserer Freunde von der Hamburg Blues Band. Leider war diesmal ein alter Kumpel von mir nicht mit dabei. Bernd Kühl, ehemals Gitarrist von Wolle Petry und ansonsten Mädchen für alles bei der HBB fühlte sich mittlerweile zu alt für den Job und wollte nicht mehr. Ein paar Tage vor dem Konzert musste ich leider die schlechte Nachricht lesen, dass sowohl Schlagzeuger Hans Wallbaum (Curly Curve, Interzone) und Bassist Bexi Becker (Lake, Westernhagen) gesundheitsbedingt nicht dabei sein konnten. Gleich drei Leute also, auf die ich mich schon gefreut hatte, nicht mit dabei. Als Ersatz für Bexi Becker war aber ein alter Haudegen angekündigt. Reggie Worthy am Bass, dessen ellenlange Vita wie ein Who’s who der Musikgeschichte klingt. Ike & Tina Turner, Eric Burdon, Udo Lindenberg, Stoppok oder auch Gitte Haenning, um nur einige aufzuzählen. An den Drums sollte Eddie Filipp sitzen, der mir bislang nichts sagte.
Am Bräu angekommen, musste ich vom Soundmann Jörg die traurige Nachricht vernehmen, dass Hans Wallbaum Krebs im Endstadium hat und es sehr, sehr schlecht um ihn bestellt sei. Bexi konnte und wollte aber nicht ohne seinen Freund Hans auf der Bühne stehen. Viele lange Jahre hatten die beiden das Kraftwerk, das Fundament der HBB zementiert, auf dem sich die vielen weiteren Musiker austoben konnten. Jetzt also mit neuen Leuten, aber wie immer bei ausverkaufter Hütte. Angekündigt für einen Gastauftritt war auch Chris Laut, seines Zeichens Sänger und Bassist der St. Paulianer Gruppe Ohrenfeindt. Chris lernten wir gleich zu Anfang an kennen und nach kurzem Beschnuppern waren wir sofort auf gleicher Wellenlänge. Laut hatte inzwischen den Job von Bernd Kühl übernommen, wenn er nicht gerade mit Ohrenfeindt unterwegs ist. Bei einem kurzen Plausch mit Reggie Worthy brachten wir in Erfahrung, dass Reggie schon viel früher bei der Hamburg Blues Band gespielt hatte. War er doch der Vorgänger von Bexi an den dicken Saiten. Erfahrungsgemäß spielt die HBB immer zwei Sets. Zuerst die Band allein und beim zweiten Set kommt der Stargast mit auf die Stage.
Am Schlagzeug saß nicht wie ursprünglich angekündigt Eddie Filipp, sondern der junge Brite Kev Hickman aus der Band von Krissy Matthews. Los ging’s wie fast immer mit „Rockin‘ Chair“ und „Stony Times“, welches die Anwesenden sofort auf Betriebstemperatur brachte. Nach „Can’t last forever“ kamen zwei Songs vom Gitarren-Wunderkind Krissy Matthews, „It ain’t worth it“ und „Is this the Love I think it is?“ an die Reihe, die auch gehörig fetzten. Nach „Into the Night“ erzählte Gert Lange von den zahlreichen Gästen, die immer wieder bei der HBB mitspielen. Einer davon war Micky Moody (Juicy Lucy, Whitesnake), aus dessen Feder das folgende „Get off my back“ stammte. Gert erzählte dem Publikum, dass Reggie ja früher bei Ike and Tina Turner gespielt hatte, und einen derer größten Hits durfte er jetzt singen. Das legendäre „Nutbush City Limits“ in einer dahinstampfenden Version, ehe wieder Krissy Matthews mit seinem „Bubbles“ ein eigenes Stück performen durfte. Das abschließende „City Heat“ geleitete die Zuschauer in die kurze Pause. Den ersten Set des Abends spielte die HBB meiner Meinung nach etwas mit gebremsten Schaum. Vielleicht der Tatsache geschuldet, dass mit Hans und Bexi zwei tragende Säulen des HBB-Gerüsts nicht dabei waren. Vielleicht auch die Tatsache, dass der Gesundheitszustand von Hans Wallbaum etwas auf die Gemüter schlug.
Nach einer kurzen Pause ging es dann weiter und mit Chris Farlowe kam The Voice auf die Bühne. Eine der besten, wenn nicht „die“ größte Rhythm and Blues Stimme der Musikgeschichte. Seine Vergangenheit mit den Thunderbirds, den Rolling Stones, Colosseum oder Atomic Rooster ist Legende. „Lonesome Road“ und „Don’t need no Doctor“ leiteten den Set ein und Farlowe wurde von der vollen Hütte gefeiert. Der erzählte den Leuten aus seiner Vergangenheit und von den Leuten, mit denen er immer wieder zusammen gearbeitet hatte. Unter anderem von Cream Legende Jack Bruce, der übrigens auch schon mit der HBB auf Tour war. Aus dessen Feder stammte der folgende „Stormy Monday Blues“, bei dem Chris Farlowe einen komplett neuen Text improvisierte und immer wieder auf die Gitarren-Soloparts von Krissy Matthews abzielte. Die Mimik und Interaktion der beiden war sensationell und brachte die Leute zum Lachen. Überhaupt hatte Farlowe mit so mancher Aktion die Lacher auf seiner Seite. So unterhielt er sich mir Gert Lange angeregt über eine Wasserflasche, die auf der Bühne stand. Was denn der Mist solle, meinte er grummelig. Er hätte lieber ein kleines Pils. Mit „Hard to get along with“, „Sing the Blues for you“ und „Shaky Ground“ gab es einen Querschnitt durch bekannte Songs der HBB-Musikgeschichte. Am Ende von „Shaky Ground“ verließ Krissy Matthews die Bühne, als ob er dringend mal wohin müsste. Farlowe schaute irritiert als auch Gert, Reggie und Kev den Abgang machten und ihn allein auf der Stage ließen. Das gehörte allerdings zum Auftritt, denn Chris Farlowe performte jetzt alleine einen Song der grßsartigen Etta James. „The Rock“ in einer hinreißenden, zerbrechlichen a cappella Version. Anschließend kamen alle Musiker wieder auf die Bühne, um zum Abschluss des regulären Programms einen alten Kracher zu bringen. Farlowe sprach von seinem alten Freund Steve Marriott, welcher die folgende Nummer schon 1966 mit den Small Faces veröffentlicht hat, „All or nothing“, wo beinahe alle Leute begeistert mitsangen.
Der Abgang von der Bühne dauerte aber nicht lang. Schon nach zwei Minuten kamen die Musiker wieder zurück und bei „Got what I want“ spielte Chris Laut mit an der Mundharmonika. Als allerletzten Song sang Chris Farlowe seinen wohl größten Hit, den ihm 1966 sein Kumpel Mick Jagger geschrieben hatte und kurze Zeit später auch mit den Rolling Stones rausgebracht hat. Chris Laut und Reggie Worthy sangen dabei die Backgroundvocals in einem wahrlichen Eunuchenchor. Zu schön schnulzten die beiden zusammen. Mit „Out of Time“ beschloss die Hamburg Blues Band einen Abend, den ich leider in zwei Teile splitten muss für mich.
Das erste Set, welches stimmungsmäßig etwas verhalten rüberkam, und den zweiten Teil, der von der Energie und Ausstrahlung eines Chris Farlowes profitierte. Der Mann wird im Herbst 80 Jahre alt und zeigt locker so manchen Jungspund, was eine Harke ist. Der Schlagzeuger Kev Hickman spielt solide und einfach aber sehr präzise. Hickman wird sich laut Gert Lange den Platz hinter der Schießbude mit Eddie Filipp teilen. Das Bassspiel von Reggie Worthy ist im Gegensatz zum knackigen, trockenem Rockbass von Bexi Becker viel weicher. Reggie bringt mehr Funk in den Sound ein. Eine interessante Komponente im HBB Gefüge. Über allen steht Bandchef Gert Lange, der grinsend als letzte Instanz seinen Stars den Platz in der ersten Reihe bereitwillig und gern überlässt.
Trotz alledem fehlen mir Bexi und vor allem Hansi Wallbaum, die ich beide in all den vergangenen Jahren als Menschen und Musiker sehr zu schätzen gelernt habe.
Alles in allem ein schöner, unterhaltsamer Abend mit unseren alten und neuen Freunden von der Hamburg Blues Band.
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Setlist:
01 – Rockin‘ Chair
02 – Stony Times
03 – Can’t last forever
04 – It ain’t worth it
05 – Is this the Love I think it is?
06 – Into the Night
07 – Get off my Back
08 – Nutbush City Limits
09 – Bubbles
10 – City Heat
11 – Lonseome Road
12 – Don’t need no Doctor
13 – Stormy Monday Blues
14 – Hard to get along with
15 – Sing the Blues for you
16 – Shaky Ground
17 – The Rock (Chris Farlowe a cappella)
18 – All or nothing
19 – Got what I want
20 – Out of Time