Buch: Sue Monk Kidd – Das Buch Ana


Ana wächst in einer wohlhabenden jüdischen Familie auf, ist hübsch und klug, aber nicht gerade das, was ihre Eltern von ihr erwarten. Dann trifft sie Jesus, wird seine Gefährtin, seine Frau – und erzählt eine eigentlich bekannte Geschichte ganz anders …

Sue Monk Kidd hat mit ihrem Debüt Die Bienenhüterin die Bestsellerlisten gestürmt. Seitdem ist sie keine Unbekannte mehr und legt mit ihrem mittlerweile vierten Roman nach.

Das Buch Ana ist im Stil der Testamente geschrieben, die Sprache ist allerdings moderner, so dass sich der Roman flüssig lesen lässt. Die Autorin entführt ihre Leserschaft in das Jahr 16 nach Christus. Galiläa ist von den Römern besetzt, die Zeit damals streng jüdisch geprägt, was die Protagonistin immer wieder spürt. Sie rebelliert gegen die Konventionen ihrer Eltern, gegen festgefahrene Traditionen, die ihr so überholt und lästig erscheinen. Wäre da nicht ihre Tante, die ihr einen anderen Weg zeigt, hätte Ana wohl weniger Freude am Leben. Unüblich für diese Zeit ist die Förderung Anas Intelligenz, indem man ihr erlaubt, Lesen und Schreiben zu lernen. So kann sie selbst die Thora studieren und beginnt damit, sich für die Geschichten der Frauen zu interessieren. Angefangen bei Eva, über die Erzmütter Israels Sara und Rebekka, bis hin zu Rahel und Ruth zeichnet sie deren Biografien auf und ist der Meinung, dass die Frauen viel zu kurz kommen und zu unbeachtet sind. Dann lernt sie einen jungen Mann kennen mit lockigem Haar und einer Sehnsucht in den Augen, der sie nicht widerstehen kann. Jesus ist ihre wahre Bestimmung – und damit beginnt eine unvergleichliche Liebes- und Lebensgeschichte über Mut, Verzweiflung, Glaube, Hoffnung, Zusammenhalt und den Tod.

Man braucht weder einen religiösen Hintergrund noch ein ausgeprägtes theologisches Wissen für das Buch Ana. Voller Spannung wird ihr teilweise beschwerlicher Weg erzählt und dabei alles erklärt und beschrieben, was man wissen muss. Nein, es ist kein religiöses Aufklärungsbuch, das den Kirchen wieder zu mehr Mitgliedern verhelfen soll. Vielmehr ist es die perfekt konstruierte Geschichte einer jungen Frau, die ausbricht aus den Konventionen und das macht, was sie möchte, ihre eigenen Wünsche und Ziele verfolgt und zeigt, welche wichtige Rolle die Frauen bereits damals gespielt haben. Im Gegensatz zur Bibel in gerechter Sprache, die vollkommen textfremd und fast schon dümmlich versucht hatte, aus dem Buch der Bücher ein feministisches Werk zu machen, schreibt Sue Monk Kidd das Neue Testament nicht neu, sondern wechselt den Blickwinkel. Dabei wird die Wichtigkeit der Rolle der Frauen in den Vordergrund gestellt und das verstaubte Bild einer männerlastigen und dem Patriarchat unterliegenden Zeit und Glaubensrichtung ausgehebelt. Wer die Bibel gelesen hat, weiß allerdings bereits darum, dass die Frauen zentrale und wichtige Rollen spielen und ihnen durchaus Anerkennung und Respekt entgegengebracht wurde und wird.

Sue Monk Kidd hat mit ihrem neuen Roman einen neuen Bestseller geschrieben. Die Lektüre entführt in eine knapp 2000 Jahre zurückliegende Zeit, in die Umgebung und Gedankenwelt, orientiert sich an historisch belegten Fakten und formuliert diese um, für jeden verständlich und lebendig erzählt. Dabei geht es nicht um religiöse Heiligkeiten, sondern um die Menschlichkeit, um das, was war, um das, was man versteht, ohne an den Gott der Juden oder Christen zu glauben. Das Buch Ana ist ein Buch über die Menschen hinter der religösen Verehrung mit ihrer Menschlichkeit, die auch Schwächen nachzeichnet und niemanden glorifiziert, und über den Mut, unkonventionell zu sein.

5/5

Sue Monk Kidd – Das Buch Ana
btb Verlag, 2020
576 Seiten
Hardcover: 22,00 €

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