Sonstiges: Nachruf Scott Hall


Helden leben lange, Legenden sterben nie, Bad Guys leben für immer.

Am 14. März 2022 in den Abendstunden erreichte das Wrestlinguniversum die traurige Nachricht, dass Scott Hall verstorben ist. Bereits zuvor hatte sich das Internet überschlagen mit Erinnerungen, RIP und dem Wunsch nach einem Wunder. Doch dieses blieb aus.

Als Scott Oliver Hall wurde er 1958 in Maryland, USA, geboren, Sohn eines Offiziers, der später im deutschen Ramstein stationiert war, was Hall einen Aufenthalt an einer Schule in München bescherte. Er konnte etwas Deutsch, wie er immer wieder in Interviews oder bei kurzen Fantreffen unter Beweis stellte. Zurück in Amerika studierte er Medizin und wollte eigentlich Kinderarzt werden. Später hätte man sich das kaum noch vorstellen können, wenn man ihn als Razor Ramon, so einer seiner Ringnamen, sah, die Haare feucht, fast fettig glänzend, Drei-Tage-Bart, eine Locke in die Stirn hängend und immer auf einem Zahnstocher kauend. Ich glaube, wenn es im Jenseits keine Zahnstocher gibt, kommt er zurück zu uns, klingelt bei seinem alten Freund und Weggefährten Kevin Nash und sagt: Ich bleib hier.

Ein Zufall verhalf ihm zur Wrestlerkarriere, er wurde im Supermarkt von Barry Windham entdeckt, trainierte mit Dusty Rhodes und hatte schließlich 1984 sein Debüt unter dem Ringnamen Starship Coyote. Hall wechselte zur AWA, NWA und 1989 gehörte er neben Sid Vicious zu den erfolgversprechenden Newcomern von WCW. An der Seite von Diamond Dallas Page hatte er leider wenig Erfolg, wechselte 1992 zur WWF (heute WWE) und bekam seinen Ringnamen Razor Ramon, der ihn berühmt machen sollte. Er wirkte wie ein Al Pacino in Scarface, ein Gangster, ein Draufgänger, ein Frauenheld, der sich nichts sagen ließ und seinen Weg ging. Hall wurde zum Bad Guy, zu dem die Männer aufsahen und der von den Frauen begehrt wurde. Dreitagebart, Zahnstocher, ein gespielter kubanischer Akzent. 1994 machte er sich zur Legende, gemeinsam mit Shawn Michaels stand er fast 30 Minuten lang im Ring und bot ein großartiges, unvergessenes Leitermatch bei Wrestlemania 10. Hall war der erste Wrestler, der viermal den WWF Intercontinental Championchip erhielt. Zusammen mit Kevin Nash, die zu einem unzertrennlichen Duo und treuen Freunden auch außerhalb des Rings wurden, wechselte er erneut zur WCW. Damals war ich ein junges Mädchen und feierte die Fehden, die Aufbrauchstimmung in der Liga, soweit man das in Deutschland verfolgen konnte, liebte Nash und Hall als Die Outsider und fand die nWo absolut stark.

Doch leider erlitt Scott Hall dasselbe Schicksal, wie so viele andere Profi-Wrestler vor und nach ihm. Private Probleme durch vieles Reisen, Scheidungen, die Kinder nicht aufwachsen zu sehen, bei Familienfeiern zu fehlen, das alles forderte seinen Tribut. Schlafen, trainieren, essen, schlafen, im Ring stehen, weiterreisen. Was nach außen wie ein Traum wirkt und wofür viele hart arbeiten, damit sie sich WWE-Superstar nennen dürfen, ist hinter der Fassade ein trister, stressiger, liebloser Alltag. Die Familie sind die Kollegen, die man immer um sich herum hat. Gefühle, Sehnsüchte, Schuld, Verzweiflung und Freude werden mit Alkohol und Drogen betäubt. Hall war mehrfach auf Entzug und in Reha-Zentren, um seine Suchtprobleme in den Griff zu bekommen. Der selbsternannte Bad Guy ging durch dunkle, schwere Zeiten, aufgefangen durch seine Freunde, aber diesen einen Kampf hat er immer wieder verloren. Er galt schließlich als unzuverlässig, nicht tragbar, blieb Veranstaltungen fern und verscherzte es sich mit den namhaften Promotionen. Nur sein Freund Kevin Nash legte immer wieder ein gutes Wort für ihn ein, stand immer wieder an seiner Seite, richtete ihn auf, sorgte dafür, dass er doch gebucht wurde. 2010 fand seine Wrestlingkarriere dann ein Ende. Aber die Legende blieb. Mit Hilfe von Freunden und ehemaligen Kollegen versuchte er immer wieder, seine Suchtprobleme in den Griff zu bekommen und schaffte das auch regelmäßig. Er wirkte bald alt, gezeichnet von einem exzessiven Leben, vom Training, von den Drogen, vom Alkohol. Einmal gab er zu, dass es hart sei, um Hilfe zu bitten, aber noch härter, diese zu akzeptieren, wenn man sie angeboten bekäme.

Scott Hall blieb immer der Publikumsliebling und wurde von seinen Kollegen trotz allem sehr geschätzt. Viele nahmen ihn zum Vorbild, sahen ihn als Ansporn, auch Profi-Wrestler werden zu wollen. Bestes und jüngstes Beispiel ist Damian Priest, der nicht nur den Surferwalk (wenngleich aus anderen Gründen) übernommen hat, sondern auch mit dem Move Razor’s Edge dem ergrauten Vorbild Tribut zollt. 2014 wurde der Bad Guy in die WWE Hall of Fame eingeführt. Bei der Dankesrede sagte er den legendären Satz: „Hard work pays off, dreams come true. Bad times don’t last, but bad guys do.“ 2021 wurde er als Teil der nWo erneut in die Hall of Fame aufgenommen.

Anfang März 2022 wurde bekannt, dass Scott Hall nach einem Sturz die Hüfte gebrochen hat, am 12. März habe er drei Herzinfarkte erlitten und sei danach an lebenserhaltene Geräte angeschlossen worden. Diese Nachricht verbreitete sich rasend schnell und schockierte die Wrestlingwelt. Kevin Nash gab schließlich bekannt, dass nur auf das Eintreffen der Familie gewartet würde, dann würden die Maßnahmen beendet werden. Die Nachricht, dass Scott danach noch weiterlebte, ließ einige kurzzeitig hoffen, vergebens.

Scott Hall verstirbt am Abend des 14. März 2022.

If I had to do it all over again, I’d probably live the same way.

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