Der 31.10.2020 … das wäre eigentlich der Termin für eines der besonderen Konzerte von Janus gewesen … wäre nicht die unsägliche Corona Pandemie dazwischengekommen, die das öffentliche Leben weitest gehend flachgelegt hat. Terror – ihr neuestes Werk wäre aufgeführt worden, nebst anderen Moritaten. Janus treten ja des Öfteren in anderen Formationen an. Die beiden Masterminds Tobias Hahn und Dirk Riegert scharen immer wieder neue und mittlerweile bekannte Musiker um sich, um in den unterschiedlichsten Besetzungen ihre musikalischen Feinheiten und Alpträume auf die Welt los zu lassen.
Am 02.09.2022 fand dann endlich das erste der beiden immer wieder verschobenen Konzerte statt. Janus diesmal akustisch als Kammer-Quartett, und für den angemessenen Rahmen sorgte auch die Location, wo das Ganze stattfand. Im kleinen Johannissaal im altehrwürdigen Schloß Nymphenburg in München, der Sommerresidenz der Kurfürsten und Könige von Bayern aus dem Hause Wittelsbach. Der Märchenkönig Ludwig II wurde hier im Schloss geboren und so kann es durchaus sein, dass der König als kleiner Tausendsassa auf demselben Parkettboden umherflitzte, auf dem jetzt Janus auftraten. Das Quartett vervollständigten Martin Höfert am Cello, der 1999 schon auf Isaak zu hören ist, und der ersten Winterreise CD seinen Stempel aufdrückte, sowie Daniel Schröder an den Blasinstrumenten, erstmals 2005 auf Nachtmahr zu hören und federführend auf der zweiten Winterreise. Laut Rig spielen Höfert und Schröder das erste Mal in einer Janus Formation zusammen.
Der Johannissaal ist ein kleiner Saal, der gerade mal an die 90 Plätze bietet. Beide Quartett-Termine waren dementsprechend auch sofort ausverkauft.
Ein Konzertflügel, ein Cello und mehrere Klarinetten und Flöten – mehr gab’s nicht zu sehen als die Gäste auf den Stühlen im Johannissaal Platz nahmen. Pünktlich um 20 Uhr kamen die vier Protagonisten in den Saal und das Konzert begann. Die Musiker sichtlich entspannt und in lockerer Stimmung, welche sich sofort auf’s Publikum übertrug.
Mit dem Klassiker „Dorinas Bild“ vom 2005er Album Nachtmahr ging’s los. Unverstärkt und puristisch kam Rigs Stimme bestens zur Geltung. Dezente Cello- und Flötenuntermalung in Verbindung mit den leisen Piano-Akkorden bildete das Grundgerüst für den bewegenden Gesang. Schon der erste Song erzeugte eine heimelige, manchmal beklemmende Stimmung und ließ die Freude auf ein Konzerterlebnis steigen. Nach dem ersten begeisterten Beifall ging’s vorwärts in die Neuzeit. „Die Ballade vom alten Seemann“ und „Die Rache des Seemanns“ sind auf der 22er Maxi-CD Seemannslieder zu finden, der aktuell letzten Janus Veröffentlichung, ehe es wieder zurück zur Nachtmahr ging. „Kinderkreuzzug“ hieß der Track. Ein beklemmender Song über eine Gruppe von 55 Kindern, die im polnischen Kriegswinter von 1939 allesamt erfroren sind … auf der Suche nach Nahrung und Hilfe. Ein Janus-typisches Lied von Thematik und Stimmung her. Der folgende Song war namensgebend für die Konzertreihe: „Terror“ vom letzten, gleichlautenden Longplayer, welchen es erstmalig für Janus auch auf Vinyl gibt. Im Original über 31 Minuten lang, wurde die Suite auf konzerttaugliche 22 Minuten gekürzt. Anschließend bat Rig in eine kurze Pause von circa 20 Minuten. Sofort wurden die Musiker und insbesondere Rig von den Fans belagert, so dass seine Pause vielleicht sieben oder acht Minuten betrug.
Nach der Pause begann der zweite Block mit „Der lange Weg zurück“, einem Song der 2020 ausschließlich als Sound-File über Bandcamp erschienen ist. Egal ob neu oder schon etwas älter, jeder Song wurde von den Anwesenden bejubelt und beklatscht. Dieser intime akustische Rahmen ist die ideale Form um die Stimmgewalt eines Dirk Riegert hervorzuheben. Vom leisen Flüstern bis zum brachialen Heulen … Rig verausgabte sich wie üblich komplett, um der Janusgemeinde seine dunkelsten Gedankengänge mitzuteilen. Leider war des Öfteren Tobi’s Klavierspiel etwas zu leise im Verbund der anderen Instrumente und wenig zu hören. „Das Gesicht“ und „Was uns zerbricht“, beide auch auf Nachtmahr zu finden, wurden zuerst andächtig verfolgt, um dann laut bejubelt zu werden. Anschließend ging es weit zurück in die Anfangsjahre von Janus. Vom 1997er Debutalbum Vater erlangen die düsteren Töne von „Der Flüsterer im Dunkeln“, ehe es wieder in die Neuzeit ging mit „Totes Land“ von 2019. Der nächste Song sorgte mit Sicherheit bei vielen Zuhörern für Beklemmung, als Rig bei der Ankündigung meinte, dass es ihm selber nicht viel anders gehe. Jedes Mal wenn der Text von „Der alte Esel“ erklingt, fließt bei vielen Anwesenden die eine oder andere Träne. Geht es im Text doch um einen alten gebrechlichen Zirkusesel, der einmal noch im Rampenlicht stehen will, einmal noch einen Auftritt machen will, ehe er ganz allein in der Manege zusammenbricht und leblos in den Staub sinkt. Der letzte Track ist einer der Klassiker von Janus: „Anita spielt Cello“ handelt von Anita Lasker-Wallfisch, der letzten Überlebenden vom Mädchenorchester aus dem Konzentrationslager Auschwitz. Als sie 1943 dorthin deportiert wurde, musste sie auf Anordnung der Lagerkommandanten Friedrich Hartjenstein, Josef Kramer und Richard Baer über ein Jahr lang mit den anderen Mädchen und jungen Frauen des Orchesters Tausenden von ungarischen Juden, die in das Lager gebracht wurden und aufgereiht standen, um in die Gaskammern geführt zu werden, etwas vorspielen. Dem berüchtigten SS-Lagerarzt Josef Mengele musste sie regelmäßig Schumanns „Träumerei“ in Privatkonzerten vorspielen. Die bedrückte Stimmung des Liedes wich zum Schluss dem tobenden Beifall.
Bereits nach kurzer Pause kamen Rig und Toby wieder zurück, um „Neunundachtzig“ anzustimmen, beheimatet auf dem 2004er Album Auferstehung. Dann ging es wieder weit zurück ins vorige Jahrhundert. Von der 99er Maxi-CD Isaak kam einer der eher selten gespielten Tracks an die Reihe – „Wolken über Orgonon“. Ein schwacher Trost hieß die 2017er Veröffentlichung, auf der der letzte Song zu finden war. „Wehrlos“ bildete einen tollen Abschluss eines wunderbaren Konzertabends. Wir haben Janus mittlerweile einige Male live gesehen, in den unterschiedlichsten Besetzungen und Formationen, aber als Kammerquartett ist das schon noch etwas Besonderes, vor allem in der wunderbaren Kulisse vom Schloß Nymphenburg.
In der Hoffnung, dass wir aufs nächste Janus Konzert nicht wieder ewig warten müssen, auch wenn diese halbe Ewigkeit nach Janus-typischer Zeitrechnung nur ein kurzer Moment sein könnte, verbleiben wir in freudiger Erwartung aufs nächste Mal. Denn spielt Janus live sind wir wieder dabei.
Setlist: Janus
01 – Dorinas Bild
02 – Die Ballade vom alten Seemann
03 – Die Rache des Seemanns
04 – Kinderkreuzzug
05 – Terror
[Pause]
06 – Der lange Weg zurück
07 – Das Gesicht
08 – Was uns zerbricht
09 – Der Flüsterer im Dunkeln
10 – Totes Land
11 – Der alte Esel
12 – Anita spielt Cello
[Zugaben]
13 – Neunundachtzig
14 – Wolken über Orgonon
15 – Wehrlos








